44&more

Nach Jahren ist es tatsächlich soweit und ich gehe an einem
Samstagabend nicht nur aus, ich gehe sogar zu einer Party. Passend zu meinem
Alter und Zustand geht es zur 44&more Party ins Domicil. Es ist angenehmes
Wetter und ich bin fast schon aufgeregt, nach so langer Zeit tatsächlich wieder
abends auszugehen.
Gegen 21.25 Uhr betreten Petra und ich das Domicil und schauen
uns um. Es ist noch nicht viel los und so kann man die Gäste, die bereits da
sind, genauer betrachten. Auf der Tanzfläche tanzen ältere Menschen mit
ergrauten Haaren. Bei einigen Männern befinden sich die Haare bereits längst
auf dem Rückzug. Willkommen in meiner Generation. Ich hätte nie gedacht, dass
ich je wieder zu den Jüngsten auf einer Party gehören würde. So kann man sich
irren. Allerdings weiß ich nicht, was ich davon halten soll.
Der Laden füllt sich, Petra tanzt froh und vergnügt um mich
herum und ich stehe da, höre Musik und betrachte das Volk. Es ist fast wie
damals, nur eben zehn bis zwanzig Jahre später, was deutlich zu sehen ist. Ich
halte Ausschau nach Frauen, die optisch aus der grauen Masse hervorstechen,
doch noch entdecke ich keine. So mache ich mir Gedanken über meine
Körperhaltung und wie ich denn für mich am besten hier so stehen kann. Am Ende
entscheide ich mich für die verschränkten Arme, weil das einfach am besten zu
mir passt und auch am bequemsten erscheint. Petra tanzt fröhlich weiter.
Nach einer Weile entdecke ich eine Frau, die optisch aus der
grauen Masse hervorsticht. Sie trägt einen Rock, einen apricotfarbenen Blazer
und hohe Schuhe. Sie hat dunkle Haare und eine gute Figur. Während ich sie
betrachte, bemerkt sie mich und schaut zu mir. Das ist mir peinlich. Dennoch
treffen sich unsere Blicke in den nächsten Minuten immer wieder. Vermutlich
findet sie mein T-Shirt toll. Selbstverständlich fällt sie auch einigen anderen
Männern auf und so dauert es nicht lange bis der erste Mann bei ihr steht.
Schwer zu sagen, ob die sich schon vorher kannten, aber das Gespräch scheint
ganz gut zu laufen. Sie lacht und schient vergnügt. Sie hat ein sympathisches
Lachen und schöne Zähne. Dennoch steht sie nach einer Weile wieder alleine
da.  Dafür steht neben ihr ein Mann, der
optisch so gar nicht zu ihr passt. Sie nimmt ihn nicht wahr. Dennoch spricht er
sie an. Er bekommt zwar ein nettes Lächeln von ihr geschenkt, aber das nützt
ihm gar nichts, denn scheinbar hat sie ihm gleichzeitig signalisiert, dass sie
kein Interesse hat. Oder er hat seinen Text vergessen. Oder sie sprechen
unterschiedliche Sprachen. Jedenfalls steht er noch einen Moment völlig
deplatziert neben ihr, während sie ihn nicht weiter beachtet. Dann zieht er ab.
Ich glaube, dass war irgendwie peinlich für ihn, doch was hat er erwartet, wenn
er eine Frau anspricht, die so gar keine Signale an ihn gesendet hat, dass es
irgendwie Sinn machen würde, sie anzusprechen. Und optisch wirkte er auch nicht
so als wäre er interessant. Wenn dann der Einstieg nicht völlig begeistert,
dann geht so etwas schon mal in die Hose.
Gegen Mitternacht sind ein paar durchaus nett anzuschauende
Frauen dabei. So habe ich wenigstens ab und zu etwas, was meinen Augen gefällt.
Allerdings würde ich gerne sitzen oder auch liegen, weil ich das zu Hause auch
immer so mache, wenn ich Musik höre. Vor mir steht eine Frau, die ebenfalls
nett anzuschauen ist. Als Depeche Mode gespielt wird, zieht sie ihre Jeansjacke
an, steckt die Hände in die Taschen und fängt an zu tanzen. Sehr interessant.
Ich werde wohl bis an mein Lebensende ein Spanner bleiben.
Im Flur zwischen den beiden Tanzräumen ist es ruhiger und man kann
sich sogar unterhalten. Während Petra sich frisch macht, warte ich dort auf
sie. Zwei Frauen kommen vorbei. Eine regt sich tierisch über die typischen
Anmachsprüche der Männer auf. Leider erfahre ich nicht, welcher Spruch sie so
unzufrieden macht, merke aber, dass auch in höherem Alter nicht damit zu
rechnen ist, dass sich da etwas ändert. Komisch und beruhigend zugleich.
Mehrfach fallen mir zwei Männer, etwa Mitte 60, auf. Sie
scheinen ebenfalls gerne zu gucken und ich frage mich, ob ich in zwanzig Jahren
auch noch ab und zu ausgehe, um Musik zu hören und Frauen anzugucken. Ich weiß
nicht, ob mich der Gedanke daran deprimiert oder mir gefällt. Wichtig ist mir
nur, dass ich später nicht so komische Shirts trage, wie die beiden und
hoffentlich eine bessere Körperhaltung habe. Wenn ich meine aktuelle
Körperhaltung betrachte, habe ich diesbezüglich arge Zweifel.
Es ist schon irgendwie verrückt, dass ich mittlerweile so alt
bin, wieder in einer Disco stehe, die Arme verschränke, Musik höre und Frauen
angucke. Vor allem, weil teilweise die Musik läuft, die schon vor Jahren lief.
Und vermutlich sind es auch die gleichen Leute, wie vor zwanzig Jahren, nur
eben in alt. Älter werden ist echt Scheiße und alles andere als cool. Egal, wie
wild und ausgelassen man hier tanzt oder rumsteht. Es sieht einfach nicht mehr
so sexy aus, wie vor einigen Jahren und ich fürchte, dass es auch nicht mehr
besser wird. Ich glaube, das macht mir Angst.
Die Frau mit dem apricotfarbenen Blazer wurde zwischenzeitlich
von mindestens sechs Männern angesprochen und unterhält sich gerade mit
jemandem, der sie beim Gespräch immer wieder anfasst. Sie fasst ihn nie an.
Leider ist es viel zu laut, so dass ich nichts verstehe, obwohl die beiden fast
direkt vor mir stehen. Bei diesem Lärm kann man sich tatsächlich nicht
ernsthaft unterhalten. Da kann man sich nur anschreien und das ist völlig
inakzeptabel für mich. Petra tanzt weiter und ich stehe mit verschränkten Armen
einfach so da.
Es ist bereits nach 01.00 Uhr als wir das Domicil verlassen.
Normalerweise würde ich jetzt längst schlafen. Petra ist zufrieden und will
jedes Wochenende ausgehen und tanzen. Wie erwartet habe ich keine Meinung dazu,
sondern bin traurig, weil ich keine Banane dabei habe.

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