Völlig überraschend taucht die Umarmerin nach fast vier Monaten wieder auf. Ich war davon ausgegangen, dass sie nicht mehr zu uns kommt, weil sie wieder mit ihrem Mann zusammen ist und bin gespannt, was sie heute zu mir führt. Zur Begrüßung nennt sie mich “Herr DrSchwein” und wir geben uns die Hand. Länger als nötig. Das mag ich, es kommt mir aber komisch vor. Da hätten wir uns auch umarmen können.
Sie sieht zwar alles andere als glücklich aus, aber dafür riecht sie wieder ganz wunderbar. Das folgende Gespräch kommt mir vor, als hätten wir es schon einmal geführt. Nach der Trennung von ihrem vorletzten Mann. Die Entwicklung mit dem aktuellen Mann bietet wirklich viele Parallelen und völlig zermürbt erscheint mir die Umarmerin. Das kommt mir alles ziemlich krank vor und wir beschließen, dass ihr jetziger Mann, der auch irgendwann ihr nächster Ex-Mann sein wird, dumm ist. Was ist eigentlich eine Frau, die sich quasi eine jüngere Kopie ihres Ex-Mannes aussucht und innerhalb weniger Augenblicke heiratet, um dann fast denselben Mist nochmal zu erleben?
Die Umarmerin hat berufliche Zukunftspläne, die aus meiner Sicht unrealistisch sind. Doch das sage ich ihr nicht. Ich bin nicht ihr Jobcoach. Heute jedenfalls nicht. Das Gespräch ist nicht ganz so unterhaltsam und ich beobachte ihr Verhalten, weil ich es interessant, aber auch durchschaubar finde. Während meines Urlaubs, so sagt sie, war sie schon mal hier, aber da war ich halt nicht da. Jörg hat mir gar nichts davon gesagt. Das liegt vielleicht daran, dass er sie nicht mag. Sie schaut zur Tafel und entdeckt den Smiley, den sie einst gemalt hat. Ich hatte ihr damals gesagt, dass ich den nicht mehr wegwische und als sie ihn nun sieht, lächelt sie endlich wieder. Ich sage ihr, dass ich genau das sehen will, sie soll für mich lächeln. Noch einmal lächelt sie, dann stirbt das Lächeln wieder und das Kummergesicht ist zurück. Schade.
Irgendetwas scheint die Umarmerin zu wollen. Von mir. Doch so wirklich rückt sie mit der Sprache nicht raus. Will sie ihrem väterlichen Freund etwas mitteilen? Braucht sie jemanden, der ihr zuhört? Ist sie einsam und denkt, ich könnte helfen? Was genau war ihr Plan, als sie herkam?
Wir sprechen über ihren Geburtstag, auf den sie keine Lust hat, also sage ich, dass sie einen Kuchen backen soll und wir den dann gemeinsam essen. Ständig sage ich Frauen, dass sie für mich backen sollen. Dabei esse ich aus gesundheitlichen Gründen nur noch sehr selten Kuchen. Zum Glück backen die Frauen meist eh keinen Kuchen für mich.
Irgendwas an ihr reizt mich heute und ich kämpfe mit mir, um nicht zu versuchen ihre Situation auszunutzen. Hier klopft mein altes Ich deutlich an und da sie offensichtlich nicht gehen will, muss ich mich zügeln und unterdrücke meinen Spieltrieb, denn das würde weder ihr noch mir helfen und das kann keiner wollen. Aber sie riecht so gut und ist so gut gebaut, dazu 15 Jahre jünger, da darf ich durchaus auf abwegige Gedanken kommen. Sie zögert, will gehen, geht dann nicht, sagt, dass wir mal einen Kaffee trinken können; nicht hier, woanders. Es kostet sie vermutlich Überwindung das zu sagen. Sie wirkt unsicher, mir gefällt das. Ich sage zu. Alles andere wäre vermutlich genauso albern. Wir geben uns zum Abschied die Hand. Ich finde es durchaus nett, ihr die Hand zu geben, aber das mit dem Umarmen hat mir besser gefallen.
Als sie bereits an der Tür ist, sage ich, dass sie sich melden soll, wenn sie Zeit hat, damit wir zusammen ausgehen. Ich sage wirklich ausgehen. Ausgehen. Habe ich das Wort je zuvor in dem Zusammenhang benutzt? Egal, es ist gesagt, dann wird es seine Richtigkeit haben. Zum Glück habe ich ihr den Ball zugespielt. Somit entscheidet sie, ob wir ausgehen. Die Wahrscheinlichkeit, dass es dazu kommt, ist nicht sehr hoch, denn wenn nichts Außergewöhnliches passiert, wird sie sich nun wieder längere Zeit nicht melden. Das war zuletzt immer so. Sie tauchte kurz auf, dann wieder ab. Es besteht akso keine Gefahr. Wir werden nicht zusammen ausgehen.
Gut gespoilert, ist ja hier wie eine romantische Serie fürs Herz. 😉
Und schon in wenigen Wochen folgt die Fortsetzung. Vielleicht. 😎