Neues aus dem gallischen Arbeitsdorf

Eigentlich hätte ich heute Urlaub gehabt. Der wurde aber abgelehnt, weil so viel zu tun ist. Laut Terminplan stimmt das durchaus, aber die Leute erscheinen oft einfach nicht. Das kann die Chefin nicht wissen, das wissen in der Regel die Mitarbeiter vor Ort und können einschätzen, ob jemand an so einem Tag Urlaub nehmen kann oder nicht. Heute ist es so, dass exakt drei Leute ihre Termine wahrnehmen. Das hätte Jörg durchaus alleine geschafft, aber das konnte man mit Blick auf den Terminplan, ohne direkt beteiligt zu sein, nicht wissen.

Was sich in dieser Woche als völlige Fehlplanung der Chefin erwiesen hat, sind die Ersatztermine, die verhindern, dass wir eine Pause haben, was Jörg absolut inakzeptabel findet. Er meint, ich soll das mit der Chefin besprechen, aber das werde ich nicht machen. Ich bin froh, wenn ich nichts von ihr höre, und solche Diskussionen führen zu nichts. Darum will Jörg die Leute nach Hause schicken, wenn er Pause hat. Das kann ich nicht zulassen und schlage vor, dass er einfach seine Pause macht und sich in den Vorraum setzt. Das Gebäude verlassen dürfen wir ja nicht, wenn jemand da ist. Alternativ können wir auch die Ersatzzeiten ignorieren und die Teilnehmer innerhalb der passenden Zeiten verteilen. Würde dann vermutlich auch wieder Ärger geben, aber eine andere Möglichkeit sehe ich gerade nicht. Wir werden die Entwicklung weiter beobachten und tun, was wir tun müssen.

Für diese Woche war ja die große Überprüfung unserer Datenbank angekündigt. Entweder sie wurde vergessen, folgt erst am Wochenende oder man ist fürs Erste mit uns zufrieden. Vielleicht wurde sie auch wegen der Quote von derzeit 76,92 % verschoben. Diese wird allerdings wegen Fehlzeiten in den nächsten Tagen fallen. Die Quote, wenn die Maßnahme heute zu Ende wäre und an der wir am Ende gemessen werden, liegt nur bei 29,41 % und somit deutlich unter den geforderten 35 %. Die sinnvolle Quote, bei der nur die Leute zählen, die nicht vorzeitig aus der Maßnahme ausgeschieden sind, weil sie entweder krank oder faul waren, liegt bei 90,91 %. Hilft uns hier zwar nicht weiter, wird aber aus der Kiste gezaubert, wenn es darum geht, einen überzeugenden Abschlussbericht abzuliefern. Wenn es um die Motivation der Mitarbeiter geht, zählt übrigens aus Sicht der Chefin in der Regel die niedrigste Zahl. Wir sind dann quasi dafür verantwortlich, dass manche Leute sich hier nie sehen lassen oder aus gesundheitlichen Gründen ausscheiden. Und in so einem Fall sind dann meine Argumente, die ich jederzeit mit Zahlen untermauern kann, nichts mehr wert. Es fällt mir schwer, darauf nicht mit Zynismus, Sarkasmus oder auch Ironie zu antworten, weshalb ich es einfach hinnehme und mich gar nicht äußere. Es gibt Führungskräfte, die können motivieren, andere zerstören lieber und sind Meister der Demotivation. Zum Glück sieht unser Chef das etwas nüchterner und ist meistens zufrieden mit uns, denn letztlich läuft hier alles seit Jahren, obwohl wir merkwürdig sind und uns manchmal benehmen, als wären wir tatsächlich ein gallisches Dorf.

Noch eine Woche bis zum Urlaub. Bis dahin muss ich klären, wer die Verwaltung übernimmt, und alles soweit vorbereiten, dass ich während meines Urlaubs nicht wieder angerufen werde, weil irgendwer nicht versteht, was ich angestellt habe hier in unserem gallischen Dorf. Es wird sicher eine spannende Woche und ich kann es kaum erwarten, dass sie endlich beginnt.

2 Kommentare

  1. Der Volksmund sagt, auch andere Firmen haben schöne Chefinnen. Er sagt auch, das Gras sei auf der fremden Seite des Zaunes stets grüner, als auf der eigenen. Alles Gute für Sie, innerhalb oder außerhalb des gallischen Dorfes..

    • Danke sehr.
      Ich bin aber mehr der „Alte Bäume verpflanzt man nicht “ Typ. Schauen wir mal, was noch so passiert.

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