Die Reha ist vorbei – der Verfall schreitet voran

Der Abschied des Reha-Ichs begann bereits kurz nach meiner Rückkehr. Jeden Tag verschwand es ein Stück mehr. Nun ist es völlig verschwunden und übrig blieb das gestresste, angespannte und auch gereizte Alltags-Ich, das nach außen meist gelassen wirkt, Entspanntheit vorgibt und gelegentlich selbst darauf reinfällt.

Ich frage mich wirklich, ob es nicht zwei vollkommen verschiedene Personen sind, die mich repräsentieren. Zumal es auch gesundheitlich völlig anders ist: Nehmen wir das Lieblingsthema der Reha – den Stuhlgang. Kein Vergleich. Komplett verändert. Dazu ständige, leichte Magenschmerzen und Darmprobleme. Fällt irgendwann gar nicht mehr auf, ist aber im Vergleich zur Reha ein anderer Mensch.

Meine Haut beginnt langsam zu jucken. Auf den ersten Blick – aus gesunder Entfernung betrachtet – sieht sie noch ganz gut aus. Aber sie ist so trocken, dass es mir vorkommt, als würde ich langsam zerbröseln. Schwarze Kleidung ist komplett von Schuppen überzogen. Sieht scheiße aus. Kann man niemandem zumuten.
Mein Plan, gewisse Routinen zu verändern, scheitert an freien Tagen komplett. An Arbeitstagen schaffe ich es immerhin, die Müslizutaten in wechselnder Reihenfolge in die Schüssel zu füllen und die Essenszeiten einzuhalten. Der Versuch, morgens dauerhaft von den üblichen Abläufen abzuweichen, ist größtenteils gescheitert. Das Reha-Ich: abgeschaltet.

Mich würde es nicht einmal wundern, wenn Reha-Ich und das Alltags-Ich zwei verschiedene Blutgruppen hätten. Ihre Gesundheits- und Gemütszustände sind jedenfalls nicht vergleichbar. Vielleicht sollte ich mich für Forschungszwecke zur Verfügung stellen.

Als ich auf die Waage gehe, sehe ich: zehn Tage nach der Rückkehr zwei Kilo weniger. Mein niedrigstes Gewicht seit Beginn der Aufzeichnungen 1995. Weil es natürliche Schwankungen gibt, wiege ich mich am nächsten Tag erneut: weitere 0,5 Kilo weniger. Ich erinnere mich: Die Ärzte sagten, bei starkem Gewichtsverlust solle ich ohne Termin in die Klinik kommen. Ich denke, ich bin jetzt in dem Bereich, wo ich zumindest darüber nachdenken sollte. Oder ich warte bis zum Termin in der Hämatologie am 27. Wobei es sein kann, dass ich bis dahin schon weg bin. Aufgelöst. Selbst verdaut. Komplett verfallen. Irgendwie läuft das gerade schon wieder ziemlich bescheiden.

Manchmal, wenn ich so alleine vor mich hinvegetiere – während ich dabei jedoch durchaus Nahrungsmittel zu mir nehme – fehlt mir die Gesellschaft der drei vom Reha-Tisch. Die eine oder andere Unterhaltung. Aus meiner Sicht sollte es in so einem Fall Pflicht sein, dass solche Gruppen einmal pro Quartal, auf Kosten der Versicherungsträger, gemeinsam eine Mahlzeit zu sich nehmen. Als Teil der Nachsorge. Auch zur Vermenschlichung, die für einige, also mich, wichtig ist. So könnte man früh erkennen, wann jemand wieder eine Reha braucht.
Bei mir wäre das jetzt schon der Fall.

6 Kommentare

  1. Das stimmt mich sehr traurig. 😔 Ich wünsche Dir, dass Du Verständnis und Hilfe bekommst und Du es doch irgendwie schaffst, die Routinen anzupassen. 💚🍀

      • Alles zu ändern auf die Schnelle geht doch auch nicht von heute auf morgen. Wenn der Wechsel so krass ist zwischen den beiden Ichs, dann dauert die Verarbeitung länger. Veränderung in kleinen Schritten planen.

  2. Klingt vielleicht ein bisschen besserwisserisch: ich kann deinen Zustand gut nachvollziehen. Vielleicht nützt dir eine Selbsthilfegruppe? Zumindest kann man sich dort austauschen.Und fühlt sich nicht ganz so alleine.
    Mir hat das vor Jahren geholfen.

    • Da bin ich oft skeptisch. Da beschäftigt man sich ja nur mit der Krankheit.
      Aber natürlich kann das eine Option sein. Im Moment sehe ich das aber noch nicht und will es alleine verbessern. Schauen wir mal, wohin sich alles entwickelt. Es muss Lösungen geben.

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