Meine Rückkehr nach Nordwalde

Auf dem Weg nach Nordwalde erinnere ich mich tatsächlich auf einigen Streckenabschnitten an meine früheren Fahrten dorthin. Auch damals fuhr ich im Benz. Ich komme mir keinen Tag älter vor, als wären keine 14 Jahre vergangen. Merkwürdig, was für eine falsche Wahrnehmung man manchmal hat.

Im Gegensatz zu damals fahre ich dieses Mal von einer anderen Seite in den Ort. Ich erkenne manche Straßen wieder, glaube, die Straße zu sehen, in der ein guter Freund von Ursula wohnte, oder noch wohnt. Wenig später erreiche ich den Sportplatz, parke und warte auf Karo, die kurz nach mir eintrifft.

Nach einer Umarmung zur Begrüßung, ich habe vorab darauf hingewiesen, dass ich Begrüßungsküsse ablehne, machen wir uns auf den Weg, um ein wenig zu cachen. Ja, wir cachen. Karo wollte das mal ausprobieren, also machen wir das. Dumm nur, dass ich keinen Kugelschreiber mithabe, um mich ordnungsgemäß einzutragen. Nach einem Cache suchen wir etwas länger, was nicht unbemerkt bleibt. Wenig später fährt ein Polizeiwagen vor. Man findet uns verdächtig, und wir fragen, ob man uns bei der Suche behilflich sein kann. Da müssen die Polizistinnen passen.

Das Wetter ist recht angenehm, abgesehen vom Wind, weshalb ich eine Mütze trage. Das finde ich nicht gut, aber dünnes Haar und Wind sind keine gute Kombination. Glück habe ich, dass ihr Hund, der eine Hündin ist, mich schnell akzeptiert. Es ist ein sehr entspannter Spaziergang, und ich schaffe es fast durchgehend, nicht so viel zu denken und nur im Hier und Jetzt zu sein. Das ganze Denken wäre jetzt auch unangebracht und zu anstrengend. Unterwegs sehen wir einen Oldtimer, der Teil der Natur geworden ist. Ich mag so etwas.

Irgendwann müssen wir zurück, weil es früh dunkel wird. Nach fast vier Stunden sind wir zurück am Parkplatz. Üblicherweise würde ich mich jetzt irgendwie verabschieden, aber heute sehe ich das nicht ein, es wäre albern und unangemessen, ungeküsst nach Hause zu fahren. Die Gefahr, dass Karo mich nicht küssen will, sehe ich nicht. Das einzige, was passieren könnte, ist, dass es mir nicht gefällt. Ist zwar bisher selten vorgekommen, aber die Gefahr besteht beim ersten Kuss generell. Wobei ich mir das jetzt nicht wirklich vorstellen kann. Wegen eines Restrisikos von maximal sieben Prozent ändere ich meinen Plan jetzt auch nicht mehr, zumal es eh zu spät ist, da ich meine gerade noch verschränkten Arme schon an ihren Hüften platziert habe, nachdem sie mir meine Mütze abgenommen hat. Oder war es andersherum?

Der erste Kuss ist immer eine spannende und faszinierende Sache. Offenbar hat mir die lange Pause nicht geschadet. Es ist, als hätte ich nie damit aufgehört, was es noch fragwürdiger erscheinen lässt, dass ich so lange pausiert habe. Ich glaube, eine ähnliche Auszeit werde ich künftig nicht mehr nehmen. Ausschließen kann ich es aber auch nicht, denn ich bin unberechenbar.

Wir setzen das mit dem Abschiedskuss eine Weile fort, weil es uns beiden gefällt und man dabei Körperkontakt hat, was einen durchaus auf Gedanken bringen kann. Ordnungsgemäß habe ich meine Hände meistens an ihrem Hintern, weil ich das mag, und sie nichts dagegen hat. Es erscheint mir unwahrscheinlich, dass ich wirklich schon so alt bin, denn während wir hier so rumknutschen, komme ich mir eher jung vor. Ich weiß auch nicht, wie viele Leute in meinem Alter noch auf einem Parkplatz rumknutschen. Vermutlich benutzen die meisten das Wort „rumknutschen“ auch nicht mehr. Sofern sie es je benutzt haben.

Dann trennen sich unsere Wege, weil wir nach Hause müssen und nicht ewig auf dem Parkplatz rummachen können. Rummachen – auch so ein pubertäres Wort.

Natürlich hat das jetzt Lust auf mehr gemacht, aber das ist normal, wenn die Hormone in Wallung geraten und das Blut andere Körperteile stärker durchblutet. Davon darf man sich aber nicht irritieren oder beeinflussen lassen.

Die Wahrscheinlichkeit auf ein weiteres Treffen dürfte bei mindestens 27 Prozent liegen. So hoch soll auch mein Gesprächsanteil bei dem Treffen gewesen sein. Hat Karo zumindest behauptet. Ich kann das weder bestätigen noch dementieren. Ich war beschäftigt.

6 Kommentare

  1. Ach wie schön! Ich würde eher auf 72 Prozent tippen als auf 27, so wie sich das hier präsentiert. Und ich habe jetzt tatsächlich nach der Rubrik „letzter Kuss“ gesucht, schade, dass es die nicht gibt, denn so eine einstellige Zahl wäre ein echter Eyecatcher.

    • Eine ganze Rubrik. Ob das spannend wäre? 🤔
      Der Countdown zum letzten Kuss wurde entfernt, falls Du den gesucht hast.

      72 Prozent. Ich überlege, wie mir die Zahl gefällt. Obwohl es die umgedrehte 27 ist, habe ich mich damit noch nie beschäftigt.

  2. Ja, den Countdown zum letzten Kuss habe ich gemeint.
    Der würde sich ja jetzt ausgesprochen erfreulich präsentieren.
    Ich finde 72 eine richtig nice Zahl im vorliegenden Zusammenhang 🙂

    • Das stimmt. Aber ich finde, nun hat er ausgedient. So wie damals die Stadionuhr beim HSV.

      Gibt ja noch drei andere Zähler. 🙂😎

      Die 72 ist durchaus nice. Aber man soll es auch nicht übertreiben. 😉

  3. Du durchbrichst ja tatsächlich alle Statistiken. Der geneigte Leser freut sich für dich. Und ich mag die Begriffe rumknutschen und rummachen. Zumindest bei mir erzeugen sie ein glückliches Grinsen und eine Erinnerung an Herzklopfen und echtes Leben. Also Gefühle von denen man nie genug hat.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert