Essen gehen mit der Brasilianerin

Um exakt 11.45 Uhr bin ich bei der Brasilianerin, drei Minuten später steigt sie ins Auto. Drei Minuten sind akzeptabel.

Auch heute fahren wir nach Olfen, diesmal in ein anderes Restaurant. Zum Glück hat sie auf der Hinfahrt immer etwas zu erzählen, mir fällt nämlich wenig bis gar nichts ein.

Im Ristorante Mamma Stella sind wir lange die einzigen Gäste. Für mich gibt es Pizza Tonno, sie bestellt Nudeln. Ihr erstes Essen seit dem Donut von gestern. Kaum isst sie etwas, sind ihre Kopfschmerzen verschwunden.
Ich mache das, was ich am besten kann: ich betrachte sie. Ihre langen Finger, die gebräunte Haut, die klaren, leuchtenden Augen. Jugendliches Aussehen. Unbezahlbar. Manchmal wirkt sie noch jünger, fast Mädchenhaft. Ich denke über den sinnlosen Verfall nach, über die Vergänglichkeit von Schönheit. Dieser ganze Alterungsprozess, ein einzige Farce, eine regelrechte Zumutung.

Warum geht eine so junge Frau mit einem so viel älteren Mann essen? Einsamkeit? Vermutlich. Sie klagt oft darüber, obwohl sie viel unternimmt. Vermutlich ist ihr das gar nicht bewusst. Sie ist jung, sie will unterwegs sein, etwas erleben. Verständlich.
Sie erzählt von ihrer Ausbildung. Dann davon, warum sie während der Maßnahme nicht zu Jörg wollte: Weil er drei Stunden ununterbrochen redet. Immer weiter. Viele kommen damit nicht klar. Sie wollen nicht drei Stunden am Stück unterrichtet werden. Dabei könnte man viel von ihm lernen.

Als es ans Bezahlen geht, sage ich ihr, dass ich heute bezahle, und sie das nächste Mal. Klare Ansagen kann ich. Ab und zu.

Auf der Rückfahrt erzählt sie plötzlich von ihren Beziehungen. Vom letzten Freund, der sie kontrolliert hat. Ich erinnere mich sogar daran und habe mich damals gefragt, warum sie sich das alles gefallen ließ. Dabei ist es fast offensichtlich: Einsamkeit. Und sie ist halt noch sehr jung. Da kann so etwas passieren. Nur wiederholen sollte es sich nicht. Der letzte Mann, den sie traf, war älter, aber das passte nicht. Bisher war es oft so, dass Frauen, die solche Themen ansprechen, auch Interesse an mir hatten. Das erscheint mir in diesem Fall zwar abwegig, aber sie ist einsam, ich kann gut zuhören, manchmal reicht das schon. Wenn es so wäre, wäre es schmeichelhaft. Aber mir fällt keine Version ein, in der das eine gute Idee wäre. Ich bin nicht Alain Delon, das ist kein Film. Hoffen wir also, dass ich mich irre.

Ordnungsgemäß setze ich sie zu Hause ab. Sie bedankt sich, ich fahre heim.

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