Frauengeschichten – Birte

Als letzten Beitrag zu dieser Reihe gibt es den Beginn einer Beziehung, die so gestört war, dass ich selbst kaum glauben kann, dass ich das so lange mitgemacht habe. Aber der Anfang war wirklich toll:


Obwohl ich nicht daran glaube, lese ich fast täglich mein Horoskop. Meist habe ich wenige Sekunden später schon wieder vergessen, was darin stand. Doch diesmal gefällt mir mein Horoskop so gut, dass ich mich weigere, den Blödsinn zu vergessen, denn dort steht, dass ich am Abend jemanden kennenlernen werde. Das trifft sich gut, will ich doch heute ins FZW. Und mit dem Wissen, dort heute jemanden kennenzulernen, bin ich direkt doppelt motiviert.

Im FZW ist zunächst alles wie immer. Die Musik ist fein, ein paar nette Frauen sind auch da. Ich spüre, dass heute was geht, und ich glaube, ich bin bereit. Während Sam tanzt, halte ich – so wie es Tradition ist – sein Bierglas. Schließlich ist es eine meiner Spezialfähigkeiten. Neben mir steht eine kleine, attraktive Frau, die mir gut gefällt: dunkles, gewelltes Haar, gute Figur, schönes Gesicht. Sie beachtet mich nicht weiter, was völlig normal ist.
Irgendwann kommt Sam von der Tanzfläche, ich gebe ihm sein Bier, und er spricht direkt die kleine, hübsche Frau neben mir an. Ich bin immer wieder überrascht, wie spontan er manchmal ist. Scheinbar findet er auch gleich die richtigen Worte, denn die zwei unterhalten sich eine Weile. Als ich vor Langeweile meine Arme verschränke, schlägt Sam nach mir und weist mich darauf hin, dass ich das lassen soll. Also lasse ich den Quatsch und stelle mich anständig hin.

Einige Augenblicke später reicht mir Sam sein Bierglas erneut und geht tanzen. Da stehe ich also wieder mit seinem Bierglas neben der kleinen, hübschen Frau. Kurz überlege ich, dann beschließe ich, ihr zu erzählen, dass ich der beste Bierglashalter bin, den es gibt, weil ich genau weiß, wie man so ein Glas richtig hält. Anfangs scheint sie nicht ganz überzeugt, doch nach einer Weile führen wir eine nette Unterhaltung, und für einen Moment bin ich fast stolz auf mich. Ich bringe sie sogar zum Lachen. Ich bin entzückt. Endlich mal eine, die meinen Humor mag und dazu noch ziemlich sexy aussieht.

Nach einiger Zeit kündigt sie an, dass sie gehen muss. Ich sage, man sieht sich bestimmt mal wieder hier, und verabschiede mich. Kaum ist sie weg, kommt Sam zu mir und fragt, ob ich ihre Telefonnummer habe. Natürlich nicht. Was soll ich auch damit? Ich würde sie sowieso nicht anrufen. Sam findet das gar nicht gut und nennt mich von nun an nur noch Depp.

Das erste Treffen
Sonntag. Wir treffen uns in der Limette, ziehen weiter ins Cottons, fahren orientierungslos durch die Stadt auf der Suche nach einer Lokalität, die uns zusagt, finden aber keine. Schließlich spazieren wir quer durch Dortmund und frieren dabei. Zum Schluss landen wir wieder in der Limette und trinken Tee.
Als wir durch die Stadt fahren, fühlen wir uns wie neunzehn. Als ich den Zeitpunkt verpasse, zu dem man sich hätte näher kommen können, fühlen wir uns wie zwölf, und ich halte es für angebracht, den Abend zu beenden. Doch als sie mich, anstatt sich zu verabschieden, küsst, fühlen wir uns gut. Und als wir den Rest der Nacht bei mir im Auto verbringen, fühlen wir uns wie fünfzehn. Irgendwie spannend.

Mit zu sich nach Hause nehmen will sie mich nicht, da sie sicher ist, dass sie dann nur ein One-Night-Stand für mich wäre. Keine Ahnung, ob sie damit recht hat. Wir küssen uns leidenschaftlich, und es fällt mir schwer, nicht schon im Auto mit ihr zu schlafen. Man könnte auch sagen: wir machen wild und leidenschaftlich rum, ohne den letzten Schritt zu gehen. Sie küsst gut und macht mich unglaublich an. Vermutlich bin ich ihr schon längst verfallen. Mehrmals überlegt sie, mich doch mit nach Hause zu nehmen, doch immer wieder kommt das Argument mit dem One-Night-Stand. Mir fällt das Denken zunehmend schwer. Wird schon alles richtig sein. Irgendwann hören wir tatsächlich mit der innigen Knutscherei auf und verabschieden uns.

Kurz nach sechs bin ich wieder zu Hause. Für mich war es eine der außergewöhnlichsten Nächte meines Lebens. Vor allem, wenn man bedenkt, dass wir uns über sechs Stunden unterhalten haben und trotzdem so gut wie nichts übereinander wissen. Sie meinte, wir hätten philosophiert. Ich weiß nicht einmal, was philosophieren wirklich bedeutet. Egal.
Ob wir uns wiedersehen? Ich denke schon. Auch wenn sie mir ein wenig zu verständnisvoll und zu begeistert von mir schien. Aber vor allem Letzteres fand ich irgendwie cool. Alles ist möglich. Ich will sie.


Das klingt doch wirklich schön. Da erwartet man doch nicht so einen kranken Scheiß:

Birte

Die Veröffentlichung weiterer Frauengeschichten ist nicht geplant, weil der Unterhaltungswert mäßig ist.
Außerdem ist das alles schon ewig her.

14 Kommentare

  1. Der Sprung vom Abschied ohne Nummer zur Nacht im Auto erscheint mir leichtunlogisch. Nichtsdestotrotz habe ich gerne die Frauengeschichten verfolgt, haben sie mich doch an die eigene Vergangenheit erinnert. Das angekündigte Ende betrübt mich🥲.

    • Darum ja auch der Link am Ende unter den Text (der nun auch funktionieren sollte). Dann ergibt es Sinn. 🙃

      Geschichten gäbe es noch ein paar…🤔

      • So, gelesen. Begriffen.
        Und dabei erschreckende Parallelen in Sachen Erfahrungen festgestellt. Jetzt muss ich erst mal selbst nachdenken woran ich mich erinnern und mir selbst eingestehen möchte.

        Erstaunlich was das menschliche Hirn und auch Gedächtnis so alles unauffällig verstecken und ignorieren kann… .

        Meine heutige Aufgabe.

          • Naja.Hat mich zumindest bewogen tief in meiner Hirnrinde zu wühlen und festzustellen dass dort noch viel unbewältigtes Material schlummert. Und ich bin mir nicht sicher ob ich tatsächlich all das sehen möchte. Wahrheit ist ne schwierige Aufgabe.

          • Ich denke, man muss nicht alles hervorkramen, was das Hirn irgendwann vergraben hat.

          • sehe ich grundsätzlich genauso, manchmal springt aber ein Deckel auf und man hat den Eindruck hier hat ein Teil des Ichs auf die richtige Gelegenheit gewartet nochmals angesehen zu werden. Ich erlebe das öfters dass ich irgendwas lese/ höre/anschaue und es in mir ‚ klick‘ macht.

          • Ja, es gibt immer mal wieder etwas, das kann man nicht verhindern. Alte Erinnerungen schauen dann vorbei.

    • @Nova
      Was als Beispiel findest Du am Schrecklichsten?
      Sie hat auf mich einen recht zielstrebigen und klaren Eindruck vermittelt.
      Also in dem Sinne, dass sie klare Ansagen gemacht hat.
      Was ich am schlimmsten fand, ist, wie sie den Jungen behandelt hat, also nicht den Doktor, sondern ihren. Vielleicht hat sich der Doktor das aber aus künstlerischen Gründen ausgedacht. Ich hoffe es.
      Dass Frauen gern mal streiten und dazu alle möglichen Anlässe konstruieren, ist ja so ungewöhnlich nicht. Sie wollte halt testen, wie der Doktor reagiert und wie gut er mit der Situation umgeht, um die Langzeittauglichkeit zu prüfen. Die Geschichten geben allerdings auch ein paar Einblicke in die »Superkräfte« des Doktors. Da kann man sich durchaus das ein oder andere abschauen. Aber auch, wo er ein paar Fehler gemacht hat.
      Ich denke den Kipppunkt hat er initiiert, als er ihr klar die Leviten gelesen hat. Was vermutlich die Retourkutsche für ihre Verurteilung seines vermeintlich abgründigen Charakters anhand seines Filmkonsums war. Natürlich völlig Banane so was gegen jemand zu positionieren. Doch vielleicht schwang da eine Spur Projektion mit bei ihr. Seine Kritik ihres ja tatsächlichen und tätlichen Verhaltens hat sie dann nicht verwinden können. Worauf sie ihn dann letztlich gänzlich für sich abgeurteilt hat.
      Jetzt, wo ich das alles niederschrieb, sehe ich auch die unauflösbare Dramatik.
      Um wie viel Elend wäre die Welt befreit, wenn man von Anfang an Beziehungen nur auf Sex basieren lassen würde und dieses bescheuerte Drumherum einfach sein ließe.

      • Umgang mit dem Kind natürlich. Man kann nur etwas darüber empfinden, was dort steht. Wie beide in Wirklichkeit sind oder sich tatsächlich so verhalten haben, weiß man nicht. Schrecklich ist für mich, wenn sich eine Person in der Beziehung immer unglücklich fühlt, weil sie das eigentlich nicht möchte. Das lese ich hier. Wenn der eine den anderen versucht umzukrempeln oder ständig kritisiert oder gemeinsame Aktivitäten einfach entschieden werden, ohne zu fragen, ob man das möchte und welche Interessen man selbst hat. Dann passt man nicht zusammen, wie oben beschrieben. Das muss nicht heißen, dass eine der beiden Personen einen an der Waffel hat. Das Thema arbeitslos und es jemandem vorzuwerfen, hat für mich auch noch eine Bedeutung.

      • Als Überlebender einer ganz ähnlichen ‚Beziehung ‚ muss ich mal meinen Senf dazugeben: Die Frau in meiner Vergangenheit hat ihre Tochter ganz ähnlich behandelt und tut das vermutlich bis heute. Angesichts der Öffentlichkeit ganz die liebende Mutter hat sie hinter der verschlossenen Türe das Kind psychisch und physisch misshandelt, das ging soweit dass ich Jugendamt und andere Institutionen informiert habe. Allerdings haben diese bei ihren angekündigten Besuchen perfekte Show erlebt. Deutsche Behörden beenden ihre Arbeitszeit halt pünktlich Freitag 12.00 Uhr.

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