Tag 1
Ich weiß nicht, wieso ich nicht wirklich überrascht bin, dass die zweite Erkältung des Jahres mich zum Urlaubsbeginn besucht. Arbeitgeberfreundlicher geht es kaum, denn auch im Januar hatte ich Urlaub, als eine Erkältung zu mir kam. Mieses Timing nennt man das wohl. Und es ist nicht nur, dass ich Urlaub habe, ich wollte auch heute meinen jüngsten Freund besuchen. Da freut man sich tagelang, und dann schwächelt man. Wenn ich jetzt bedenke, wie lange ich mich meist mit einer Erkältung aufhalte, ist es unwahrscheinlich, dass ich während meines Urlaubs noch irgendwen besuche.
Nicht nur, dass heute Samstag ist, es ist auch Feiertag. Sollte ich irgendwelche Mittelchen oder gesundes Essen benötigen, wird das nichts.
Die Erkältungssymptome sind mild, ich trinke viel Tee, bin etwas müde und zwischendurch friere ich. Gegen Abend inhaliere ich. Ansonsten bin ich zuversichtlich, dass ich am Mittwoch mit der Erkältung durch bin. Keine Ahnung, wieso ich das denke.
Tag 2
Sonntag. In der Nacht wache ich oft auf. Meist, weil mindestens ein Nasenloch zu ist. Ich nehme Nasenspray, lasse aber das Mundpflaster dran. Der Nachbar unter mir hustet seit Wochen, mal mehr, mal weniger. Vielleicht sind es auch nur Geräusche, die sich wie Husten anhören. Ich glaube, er bekommt nie Besuch.
Direkt nach dem Aufstehen gönne ich mir eine Nasenspülung. Erkältungsroutinen kann ich. Ich verdopple die tägliche Dosis Zink. Der weitere Plan: zweimal Natron trinken, viel Tee, inhalieren, vielleicht eine weitere Nasenspülung, frisch gepressten O-Saft, und aufhören, schon am zweiten Tag genervt zu sein. Ein Spaziergang am Nachmittag sollte eine Option sein. Ein oder zwei Tassen Brühe könnten auch guttun. Man kann sich so viel Gutes tun, wenn man einen kleinen Infekt hat. Vielleicht sollte ich meine Erkältung genauso mögen, wie sie mich mag.
Ich glaube, es wird ein großartiger Sonntag. Ich kann kaum erwarten, dass er vorbei ist. Bis es soweit ist, freue ich mich darüber, zu beobachten, wie sich die Verschleimung ausbreitet. Faszinierend. Weniger faszinierend finde ich, dass ich es nicht schaffe, mich einfach zu entspannen und ständig irgendwas denke oder mache. Furchtbar.
Am Nachmittag mache ich einen Spaziergang. Ansonsten bin ich passiv und genervt. Vielleicht verstecke ich mich hinter der leichten Erkältung. Sie könnte schließlich schlimmer werden.
Vom Nasenspray bekomme ich irgendwann Nasenbluten. Meine Stimme ist gegen Abend angeschlagen, obwohl ich mit niemandem rede. Die Lymphknoten am Hals, linksseitig, tun weh. Ich gehe mir auf die Nerven. Meine Ungeduld hilft kein Stück.
Tag 3.
Montag. Auch in dieser Nacht wache ich mehrmals auf, weil die Nase zu ist. Nase putzen, Nasenspray, weiterschlafen. Ich bin so verspannt, dass ich starke Schulter- und Nackenschmerzen habe.
Gegen zwanzig nach sechs ist die Nase so zu, dass ich trotz Mundpflaster durch den Mund geatmet habe. Das führte zu einem trockenen Hals, und nun habe ich Halsschmerzen und kann kaum schlucken. Ich stehe auf, um die Nase zu putzen. Eine sehr blutige Angelegenheit. Nasenspray ist ein notwendiges Übel, ohne geht es leider nicht. Das Blut läuft, und ich sehe aus, als hätte ich was auf die Nase bekommen.
Ich trinke Natron. Was anderes fällt mir leider nicht ein. Die Lymphknoten am Hals auf der linken Seite tun weh. Aus Erfahrung ist davon auszugehen, dass ich frühestens Ende der Woche mit dem Mist durch bin. Dann ist der Urlaub auch fast vorbei.
Erstmal einen kräftigen Stoß Nasenspray ins rechte Nasenloch. Freie Atmung für freie Bürger. Die Autokorrektur macht daraus: „Freie Armut für freie Bürger.“ Korrekt müsste das heißen: „Freie Armut für unfreie Bürger.“ Ich schweife ab.
Was mir auch wieder auffällt: In meiner Wohnung gibt es keinen gemütlichen Sitzplatz. Der Sessel ist für kleinere Menschen, ich bekomme darauf irgendwann Nackenverspannungen. Beim Sofa ist es ebenso. Möbel für kleine Menschen in einer kleinen Wohnung. Auch im Bett kann ich nicht ordentlich sitzen. Immerhin kann ich da liegen, was mir im Moment nicht hilft, da ich zu verspannt bin, um zu liegen. Ich habe es mir wirklich gemütlich eingerichtet. Ich bin nur zu groß dafür.
Da ich sowieso wach bin, überlege ich, was ich tun kann. Ein neues Sofa ist zu teuer, außerdem ist meins noch keine zwei Jahre alt. Ähnlich verhält es sich mit dem Sessel. Alles Kompromisse. Ich muss einfach aufhören, so viel zu sitzen. Dann stellt sich das Problem gar nicht.
Das ganze Denken ist auch keine Lösung, weshalb ich mich wieder aufs Bett lege, die Heizdecke anschalte und anschließend tatsächlich fast zwei Stunden schlafe.
Weil ich heute keinen Arzttermin habe, könnte ich mit dem Benz zum TÜV. Ich kann aber auch den ganzen Tag rumgammeln. Wie werde ich mich entscheiden?
Da ich kein Obst fürs Müsli habe, müsste ich kurz einkaufen. Ich habe aber keine Lust und mache mir stattdessen ein Frühstück, das es bei mir noch nie gab: Brote mit Käse und Eiern, dazu frisch gepressten Orangensaft.
Weil die Erkältung zu verharren scheint, nehme ich ab heute dreimal täglich 40 Tropfen Astroson. Später entdecke ich noch Resveratrol-Kapseln. Davon gönne ich mir ab jetzt täglich eine.
Zum Mittagessen serviere ich mir zum ersten Mal überhaupt Soße. Auch das habe ich bis heute noch nie gemacht. Früher kam Soße immer aus dem Glas. Ich hätte nie gedacht, dass sie das jemals ändern wird. Diese Erkältung scheint mich komplett zu verändern.
Am Nachmittag baue ich einen Badezimmerschrank zusammen und bringe den Müll runter. Danach stelle ich meine Aktivitäten ein. Ich weiß nicht, ob ich zu faul oder zu schlapp bin, schiebe meine Passivität aber auf die Erkältung. Es stört mich allerdings, dass ich während des Urlaubs nicht einmal ins Fitnessstudio gehen werde. So wird das nichts mit einer guten Kondition und neuen Muskeln.
Am Abend schaue ich Es war einmal in Amerika, weil ich mir vorgenommen habe, einige der Filmklassiker noch einmal zu sehen, bevor meine Lebenszeit endet. Kein besonders origineller Plan, aber ich habe mich vor vielen Monaten so entschieden.
Dank des Nasensprays habe ich ziemlich oft Nasenbluten. Aber wie heißt es doch so schön: Wer atmen will, muss bluten.
Tag 4.
Dienstag. Auch diese Nacht kann nicht überzeugen. Jede Stunde wache ich auf, weil die Nase zu ist. Um drei Uhr setze ich mich eine Weile ins Wohnzimmer, weil ich total verspannt bin. Was habe ich doch für ein Glück, dass ich heute nicht arbeiten muss. Eigentlich müsste ich Mitarbeiter des Jahres werden, da ich beide Erkältungen des Jahres während meines Urlaubs genommen habe. Allerdings war ich drei Wochen zur Reha. Ein Mitarbeiter des Jahres kommt ganz ohne Fehlzeiten durch so ein Arbeitsjahr. Vielleicht gelingt es mir im nächsten Jahr.
Wieder einmal bemerke ich, wie ungemütlich meine Wohnung ist. Ein paar Minuten überlege ich, wie ich das ändern könnte. Dann habe ich keine Lust mehr und gehe zurück ins Bett, schalte die Heizdecke ein und achte darauf, konsequent auf dem Rücken zu liegen. Das funktioniert, und der Rest der Nacht ist fast schon entspannt.
Nach dem Aufstehen fühle ich mich allerdings nicht so, als gäbe es Fortschritte. Die Erkältung scheint sich bei mir wohlzufühlen. Bei der Nasenspülung kommt kaum Schleim aus der Nase. Ich beschließe, eine weiteren Nasenspülungen zu machen.
Es fühlt sich an, als bekäme ich eine Erkältung, was aber ein Irrtum sein muss, da ich schon eine habe. Meine Geduld in solchen Fällen ist wirklich arg begrenzt.
Auch heute baue ich einen Badezimmerschrank zusammen. Regelmäßiges Nasenbluten weist mich darauf hin, dass ich vielleicht aufhören sollte, mir Nasenspray in die Nasenlöcher zu sprühen. Verstopfte Nasenlöcher verlangen allerdings immer wieder nach Nasenspray. Was für ein Teufelskreis.
Am Nachmittag fahre ich zum Zentrum für Naturheilkunde. Am Eingang lese ich, dass man mit Erkältungssymptomen die Praxis nur mit Maske betreten darf. Sofort fühle ich mich an schlimme Zeiten erinnert, überlege zu gehen, und nicht wiederzukommen. Letztlich beschließe ich, so zu tun, als hätte ich von alldem nichts gewusst. Obwohl ich kein Nasenspray dabei habe, merkt man mir den Infekt nicht an. Vielleicht geht es mir tatsächlich besser.
Bei der Besprechung der Röntgenbilder vom Zahnarzt weist man mich darauf hin, dass die Wurzelspitzen nicht zu erkennen sind. Da die Behandlung von der möglichen Ursache abhängt, soll ich neue Aufnahmen anfertigen lassen. Mir wird empfohlen, Shiitake-Pilz einzunehmen und meineVitamin-D-Dosis zu erhöhen. Täglich bis zu 5000 IE statt einmal wöchentlich 20.000. Außerdem Vitamin C, Zink, Magnesium. Astaxanthin, Quercetin und Vitamin B soll ich weiternehmen. Das Resveratrol kann ich weglassen.
Sobald ich die neuen Röntgenaufnahmen habe, bekomme ich einen weiteren Termin.
Abends schaue ich Der einzige Zeuge. Die Aktion „Filme ein letztes Mal sehen“ wird konsequent fortgesetzt. Es scheint tatsächlich, als würde die Erkältung schwächer werden.
Als ich Zähne putze, habe ich plötzlich Lust auf Musik. If you leave von OMD will ich hören. Über Kopfhörer. Kaum läuft der Song, will ich tanzen. Mehr OMD, mehr Tanzen. Schnell werde ich schlapp. Möglicherweise habe ich einen Infekt. Eine Weile liege ich auf dem Bett und höre Musik, dann schlafe ich ein.
Tag 5.
Mittwoch. Es beginnt der Tag, an dem ich mit der Erkältung durch sein wollte.
Etwa eine Stunde, nachdem ich eingeschlafen bin, muss ich das erste Mal aufstehen.
Eine weitere Stunde später das zweite Mal. Der Nasenschleim ist so flüssig wie noch nie während dieser Erkältung. Die Nacht gefällt mir überhaupt nicht. Immerhin habe ich diesmal kein Nasenbluten.
Ein Traum: Ich bin zu spät zur Arbeit, habe meine Brote vergessen. Also fahre ich zu meinen Eltern, um zu schauen, ob sie irgendwas da haben, was ich mitnehmen kann. Alle Parkplätze sind frei. Ich stelle fest, dass ich mit einem E -Bike angekommen bin. Losgefahren bin ich aber mit einem Auto. Die Haustür kommt mseltsam vor, und mir wird klar, dass nur noch mein Vater hier wohnt, weil meine Mutter längst gestorben ist. Kurz bevor ich oben ankomme, höre ich, wie jemand die Wohnung verlässt. Augenblicke später kommt mein Vater mir entgegen. Mir wird bewusst, dass auch er tot ist. Hier stimmt etwas nicht. Ich werde wach. Vielleicht glaube ich auch nur, wach zu werden.
Unmittelbar nach dem Traum, oder vielleicht auch erst später, werde ich tatsächlich wach, weil mein rechtes Nasenloch komplett verstopft ist. Ich nehme Nasenspray und stelle fest, dass ich Halsschmerzen habe. Es ist vier Uhr. Ich löse etwas Natron auf und trinke es. So starke Halsschmerzen hatte ich während dieser Erkältung noch gar nicht. Halsschmerzen habe ich meist zu Beginn einer Erkältung. Das ist alles sehr merkwürdig.
Während ich im Wohnzimmer sitze, kommt mir eine Idee: Wenn etwas derart merkwürdig ist, kann es nur Corona sein. Schnell stelle ich fest, dass der Gedanke vermutlich bedeutungslos ist. Die Erkältung durchkreuzt meine Pläne.
Wie in den letzten Tagen üblich schlafe ich anschließend noch eine Weile. Weil ich frustriert und erschöpft bin, verwerfe ich den Plan, heute das alte Waschbecken auszutauschen
Neuer Plan: den Benz zum TÜV bringen, das Coupé waschen, gut aussehen.
Bis zum Mittag habe ich die beiden ersten Punkte umgesetzt. Die Sache mit dem Gut-Aussehen gebe ich auf, weil ich keine Lust habe zu scheitern. Ist Aufgeben nicht auch eine Form des Scheiterns?
Am Nachmittag mache ich einen Spaziergang mit Petra. Bei 17 Grad, besser geht es kaum. Nach einer Stunde bin ich völlig erledigt. Wie kann man bei so einem Wetter nur erkältet sein?
Später schaue ich Serpico, schlafe aber ständig ein.
Was diese Erkältung etwas von anderen unterscheidet, ist das, was aus der Nase kommt. Denn es ist vom ersten Tag an überwiegend eine getrocknete Masse. Ich glaube, ich mag das irgendwie.
Tag 6.
Donnerstag. Ich wache etwa zwei Stunden, nachdem ich eingeschlafen bin, auf, gehe kurz zur Toilette und schlafe rasch wieder ein. Ein zweites Mal wache ich gegen halb sechs auf. Die Nase ist komplett zu, ich habe Halsschmerzen, aber im Vergleich zu den letzten Nächten ist das ein Fortschritt.
Um zwanzig nach sieben stehe ich auf und bin abermals ganz fasziniert von den vertrockneten Brocken, die beim Naseputzen aus der Nase herauskommen. Grüngelb die meisten, einige eingetrocknetem Blut. Ich bin so begeistert, dass ich unverzüglich eine Nasenspülung mache. Endlich eine Nasenspülung bei der schleimklumpen abfließen. So mag ich es.
Den größten Teil des Tages verbringe ich damit, das alte Waschbecken gegen ein neues auszutauschen. Erwartungsgemäß dauert das länger, als es eigentlich sollte. Die Erkältung hat damit allerdings wenig zu tun. Und während des Chaos muss ich feststellen, dass ich irgendwann die Dichtung des Abflusses verloren habe. Kurz vor dem Ziel geht also nichts weiter, denn ich finde das Ding einfach nicht wieder, und habe keine Lust zu schauen, ob ich im Keller noch eine passende habe. Selbst ohne Erkältung würde ich da jetzt nicht mehr runtergehen.
Übrigens bin ich inzwischen in der Hustenphase. Zwar huste ich nicht oft, aber wenn, dann kommen ziemlich trockene Brocken zum Vorschein. Diese ganze trockenen Sekrete sind wirklich faszinierend. Ob sie wohl irgendeine Bedeutung haben?
Obwohl die Erkältung abzuklingen scheint, hat sie mir das Wochenende versaut. Und das ist etwas, was ich ihr niemals verzeihen werde. Vermutlich ist der Erkältung das vollkommen egal. Sie beeindruckt es sicher auch nicht, dass ich in solchen Fällen ziemlich nachtragend sein kann.
Am Abend fällt mir dann doch wieder etwas auf, das gegen Besserung spricht: Ich muss öfter husten, der Hals kratzt, die Nase läuft. Vielleicht nur ein letztes Aufbäumen, oder der Beginn der schleimigen Phase.
Tag 7.
Freitag. Nachdem ich in der Nacht nur zweimal aufstehen musste – einmal war ich allerdings so verpeilt, dass ich mir die Hände im Bad gewaschen habe. Zum Glück hatte ich einen Eimer unter den Abfluss gestellt – bin ich am Morgen komplett verschleimt. Zumindest fühlt es sich so an. An den getrockneten Schleimbrocken, die aus meiner Nase kommen, erfreue ich mich dennoch. Ich bin so angetan, dass ich unverzüglich eine Nasenspülung mache. Und dann passiert – nichts. Sie können sich meine Enttäuschung vorstellen.
Ein Gedanke kurz nach der Enttäuschung: Vielleicht hätte ich all die Klumpen aus meiner Nase sammeln und eine Ausstellung daraus machen sollen. Kunst darf ja alles, und ich denke, damit hätte ich ein respektabler Künstler werden können. Wenn auch nur für einen kurzen Moment, oder eine einzige Ausstellung lang.
Abgesehen von diesen bewundernswerten Auswürfen bleibt die Erkältung dennoch ein Arschloch. Sie hat zunächst das Treffen mit meinem jüngsten Freund verhindert, heute hat sie das Treffen mit Karo versaut. Ich konnte das gute Wetter während meines Urlaubs nicht genießen. Das ist doppelt ärgerlich, weil meine Zeit begrenzt ist und abläuft. Da ist es einfach nicht akzeptabel, dass eine Erkältung meine wenigen schönen Termine verhindert. Es reicht völlig, wenn ich mir selbst im Wege stehe, da brauche ich keine Einmischung durch Viren und andere Unpässlichkeiten.
Was mir außerdem auffällt: Ich habe seit Tagen nicht geduscht und trage seit Tagen dieselbe Kleidung. Wobei das durchaus ein positiver Aspekt sein kann. Ich spare Wasser.
Da ich nicht gut riechen kann, weiß ich nicht, ob ich unangenehm rieche, trage aber sicherheitshalber etwas Orange Flamingo vor dem Einkaufen auf, um mögliche unangenehme Gerüche zu überdecken. So will ich meine aktuelle Verwahrlosung vertuschen.
Nach dem Einkaufen esse ich etwas und schlafe währenddessen fast ein. Kaum habe ich den letzten Bissen zu mir genommen, schlafe ich tatsächlich ein. Totale Erschöpfung. Vielleicht völlig normal am siebten Tag einer Erkältung.
Später schaue ich zum fünften Mal Der Nebel. Irgendwie finde ich ihn jedes Mal besser. Zum Abschluss des Tages noch eine Folge von Tales from the Loop. Dann überkommt mich wieder die Müdigkeit, und ich gehe ins Bett.
Alles deutet darauf hin, dass ich am Mittwoch, wenn ich wieder arbeiten muss, wieder gesund bin. Besser kann man eine Erkältung kaum planen.
Tag 8.
Samstag. Die Nacht ist deutlich besser. Erst gegen zwanzig nach sechs werde ich wach. Zur Abwechslung hustet der Nachbar unter mir nicht, sondern schnarcht gleichmäßig vor sich hin. Auch etwas, was ich nicht hören will. Mein rechtes Nasenloch ist komplett zu, der Hals trocken und wund. Als wäre ich erkältet. Ich trinke etwas und schlafe wieder ein.
Nach acht stehe ich auf. Der von mir so bewunderte trockene Auswurf ist weniger geworden, die Stücke sind kleiner. Vielleicht ist es die Abschiedstournee. Ich hätte alles sammeln oder wenigstens fotografieren sollen. Jetzt ist es zu spät.
Am Tage muss ich mir seltener die Nase putzen. Die Arbeiten im Bad schließe ich endlich ab. Die Sonne scheint weniger als in den letzten Tagen, ab Morgen soll es regnen. Also mache ich noch einen Spaziergang, weil frische Luft eine gute Sache ist.
Später wird das alte Waschbecken abgeholt, das ich heute morgen inseriert hatte. Bei der Gelegenheit biete ich den Abholern den alten Badezimmerschrank an. Dieser wohnte schon vor mir hier in der Wohnung. Das letzte Möbelstück meines Onkels. Jetzt ist auch dieses Stück verschwunden. Siebzehn Jahre nach seinem Tod. Siebzehn Jahre, die unfassbar schnell vergangen sind. Was von all dem hier in der Wohnung wird in weiteren siebzehn Jahren noch hier sein? Wird es mich in siebzehn Jahren überhaupt noch geben?
Nach der Sportschau schaue ich Das Omen 2 und schlafe dabei immer wieder ein. Ich schiebe es auf die Erkältung, es kann aber auch Folge des ganz normalen Alterungsprozesses sein.
Anschließend schaue ich die vierte Folge von Tales from the Loop. Ganz schlechter Zeitpunkt, denn sie deprimiert mich vollends. Es geht um den Tod, und mein Gehirn nimmt seine Arbeit auf. Ich denke über die immer geringer werdende Restlebenszeit nach, über meine gesundheitlichen Einschränkungen, die zwar selten Beschwerden machen, aber die Lebensqualität seit Jahren einschränken. Ich habe keine Lust mehr und sehe auch gerade mal wieder keinen Sinn in allem. Nein, diese Folge hätte ich in dieser Phase besser nicht gesehen. Aber ich kann sie auch nicht abschalten, will es auch gar nicht. Alles ist längst verloren. War es schon immer. Das Leben ist ein ziemlich sinnloses Unterfangen. Man kann es nur verlieren. Lediglich der Zeitpunkt ist ungewiss. Wie komme ich da jetzt nur wieder raus?
Der Nachbar hustet seit Stunden. Vielleicht hustet er auch gar nicht, vielleicht klingt es nur so. Klingt chronisch. Irgendwie nicht lebenswert. Ich frage mich, ob er bereits wieder damit angefangen hat, seine Wohnung vollzumüllen, oder ob er es diesmal schafft, seinen Müll ordnungsgemäß zu entsorgen. Das Elend ist überall. Man muss es nicht einmal suchen. Es ist unübersehbar.
Ich höre den Nachbarn husten. Und atme erstmal weiter
Tag 9.
Sonntag. Erst um zehn nach fünf wache ich zum ersten Mal auf. Der Nachbar hustet, mein Hals ist gereizt. Ich löse etwas Natron auf, um ihm etwas Gutes zu tun.
Wie üblich dauert eine Erkältung bei mir mindestens neun Tage, völlig unabhängig vom Verlauf.
Beim Naseputzen fliegt der bisher größte getrocknete Klumpen aus meiner Nase. Der bekäme bei einer Ausstellung sicher die größte Aufmerksamkeit, und die Leute würden sich fragen, wie er es überhaupt durch die Nase nach draußen geschafft hat. Wieder eine Chance des Lebens vertan.
Heute habe ich wieder mehr Nasenbluten. Da ich kaum noch Nasenspray nehme, schiebe ich es einfach auf die trockene Heizungsluft.
Ich glaube, heute sollte ich mal wieder duschen und frische Sachen anziehen. Daran, wann ich das zuletzt getan habe, kann ich mich tatsächlich nicht erinnern. Vermutlich Dienstag vor dem Arzttermin, da bin ich sicherlich nicht völlig Ungewaschen hingegangen. Wobei ich gar nicht weiß, ob ich tatsächlich geduscht oder mich nur so gewaschen habe. Ist auch egal, denn danach habe ich das sicher nicht mehr gemacht.
Am Nachmittag dusche ich tatsächlich. Dabei muss ich erst Mittwoch wieder arbeiten. Aber so lange konnte ich mir das nicht antun.
Später schlafe ich mehrfach vor dem Fernseher ein. Fit geht anders.
Durch die Erkältung und den Urlaub bin ich innerhalb weniger Tage wieder zu dem mutiert, der ich als Arbeitsloser immer war. Ich hab´s also noch drauf. Ich könnte meine Karriere als Arbeitsloser jederzeit fortsetzen. Ich weiß allerdings nicht, ob das erstrebenswert ist.
Am Abend bekomme ich Halsschmerzen. So fangen Erkältungen gewöhnlich bei mir an.
Tag 9 endet mit einem echten Cliffhanger. Und dann… nichts mehr?!??
Ich hoffe, das bedeutet, dass es erkältungsmässig keine weiteren Sensationen gegeben hat.
Dann hörte es einfach auf interessant zu sein. 😳
Ach, das war kein Cliffhanger, das war die Schlusspointe! Got it.
Ja. Aber eine, die eine Fortsetzung offen lässt.