Juni 2010

Erstes Vorstellungsgespräch 2010
Mein erstes Vorstellungsgespräch führt auch gleich zu einem Jobangebot als Bücher- und Kinderspielzeugverkäufer. Arbeitsort: Bergkamen. Mit gelegentlichen Ausflügen zur Zweigstelle nach Arnsberg. 40 Stunden Woche. Gehalt 1400€ Brutto. Bis 50 Stunden pro Woche Arbeitszeit möglich. Erst ab der 51 Stunde wird allerdings mehr Lohn bezahlt. Sehr clevere Regel. So kann man theoretisch jede Woche zehn Gratisstunden Arbeit leisten. Ich bin schwer beeindruckt von dieser Regelung. Zeit den Lohn auszurechnen. 8,75€ Brutto Stundenlohn bei 40 Stunden und 7€ Brutto pro Stunde bei 50 Stunden. Verteilt auf eine 6 Tage Woche. Netto sind das etwa 1030€ monatlich. Für mich natürlich viel Geld, aber ich zögere noch. Irgendwas hält mich davor zurück, sofort zuzusagen und vor Begeisterung zu hüpfen. Aber das macht nichts, weil ich bis 13.00 Uhr Zeit habe, mich zu entscheiden. Bei Interesse darf ich direkt im Anschluss zwei Stunden Probearbeiten. Den Job finde ich nicht einmal schlecht, aber die Zeiten schon irgendwie furchtbar. Wer will schon bis 20.00 Uhr Bücher verkaufen? Wieso bewerbe ich mich nur für solche Jobs und wieso bekomme ich diese Jobs dann auch noch angeboten? Das ist doch vollkommen unsinnig und unlogisch. Und wie entscheide ich mich richtig?
Obwohl während des Gesprächs alles so schien, als wäre der Job für mich und ich der neue Mitarbeiter, teilt man mir später telefonisch mit, dass man sich anders entschieden hat und wünscht mir alles Gute. Meine Bewerbungsunterlagen kann ich mir abholen, wenn ich möchte. Ich entscheide mich dafür, dass ich sie mir nicht abhole, sondern schicken lasse. Wenn ich schon nicht erste Wahl bin, dann sollen die wenigstens Porto für mich bezahlen. Ich glaube, ich bin zu alt und dämlich für Vorstellungsgespräche. Daher werde ich in nächster Zeit besser keine Bewerbungen mehr schreiben. Nicht, dass ich am Ende noch einen Job bekomme, den ich gar nicht will.


Trügerische Idylle
Jeden Abend zwischen 21.00 Uhr und 22.30 Uhr erwacht das Café Bistro zum Leben. Die Gäste unterhalten sich vergnügt und ihre Gespräche sind weit zu hören. In den Wohnungen über dem Bistro schließt man besser die Fenster, wenn man ungestört Fernsehen oder gar schlafen will. Aber wer hier wohnt, der kann das nicht wollen, denn hier ticken die Uhren anders. Es wird fröhlich Alkohol ausgeschenkt und bis spät in die Nacht diskutiert. Die Türen des Bistros bleiben während der Zeit selbstverständlich geöffnet, obwohl die Türen von Lokalen in denen Alkohol ausgeschenkt wird eigentlich geschlossen sein müssten. Doch hier im beschaulichen Ort ist alles etwas anders. Hier nimmt man es nicht so genau. Wenn ein unbequemer Bewohner, der sich um seinen Schlaf gebracht fühlt, die Polizei ruft, kann es schon mal vorkommen, dass er von besagter Polizei darauf hingewiesen wird, dass sich im Bistro nur in Zimmerlautstärke unterhalten wird und er doch bitte nicht jeden Abend anrufen soll, weil man langsam genervt ist von den nächtlichen Anrufen. Dass der Bewohner möglicherweise von dem Lärm genervt ist und am nächsten Morgen eventuell ausgeschlafen sein will, kann getrost vernachlässigt werden in diesem idyllischen Ort. Ein Umzug kann hier leicht die Lösung sein und den allgemeinen Frieden wieder herstellen.
Hin und wieder kommen die Bewohner der umliegenden Häuser in den Genuss, der orientalischen Musik aus dem Bistro zu lauschen. Eine herrliche Abwechslung zu den ständig gleichen Hits, die man Tag für Tag im Radio serviert bekommt. Wer allerdings Wert darauf legt ungestört zu sein, der sollte selbstverständlich seinen Wohnsitz verlagern und aufhören sich zu beschweren. Das gute Klima will man sich nicht vermiesen lassen. Hier hat man sich gern und deshalb darf man sich nicht wundern, wenn man selbst um 04.00 Uhr morgens noch fröhlichen Bistrobesuchern beim netten Plausch lauschen darf. Hin und wieder kommt es vor, dass in dem Bistro nichts los ist und man nichts hört. Meist passiert so etwas an den Wochenenden. Aber zum Glück sind solche Tage selten und Wochenenden generell eher kurz. Und so ist die Gegend um das Bistro eine sehr beliebte Wohngegend. Hier ist es nie zu ruhig und man hat immer einen Ort an dem man sich treffen und wohlfühlen kann.
Wer nun neugierig auf das Café Bistro geworden ist, der kann sich, nein, der muss, sich selbst ein Bild machen. Denn nur wer einmal in den Genuss dieser nächtlichen Idylle gekommen ist, weiß was Leben bedeutet. Und sollte es wider Erwarten nicht gefallen, kann man sich einfach sinnlos betrinken und die ganze Nacht lärmend im oder vor dem Bistro sitzen.
Dummerweise gibt es hier einen Bewohner, der das nächtliche Treiben so gar nicht schätzt. Jemand, der abends, ohne die Geräuschkulisse vom Bistro hören zu müssen, Fernsehen will und der nachts tatsächlich bei geöffneten Fenstern schlafen will. Unglücklicherweise bin ich dieses Arschloch, welches diese Harmonie nur zu gern stören und für nächtliche Ruhe sorgen will. Doch wie stelle ich das an? Frühere Versuche scheiterten kläglich. Das Ordnungsamt war ebenso unkooperativ wie die nette Polizistin. Und so versuche ich etwas Neues. Ich gehe zur Verbraucherberatung und klage einer Anwältin für 15€ mein Leid. Sie rät dringend dazu, erneut zum Ordnungsamt zu gehen und darum zu bitten, dass überprüft wird, ob für das Café Bistro eine Schankerlaubnis vorliegt, ob sie einfach Stühle vors Café Bistro stellen dürfen und ob die Türen die ganze Nacht aufbleiben dürfen. Sollte der Mitarbeiter des Ordnungsamtes mich darauf hinweisen, dass er das alles nur machen kann, wenn ich ihm meinen Namen nenne, soll ich mich direkt an seinen Vorgesetzten wenden, da jeder anonymen Anzeige nachgegangen werden muss. So werde ich eine weitere Nacht schlaflos in meiner kleinen Wohnung verbringen, bevor ich in den frühen Morgenstunden die Operation Ordnungsamt starte. Sollten die Mitarbeiter nicht auf mein Anliegen eingehen, werde ich sie entführen und so lange in meiner Wohnung gefangen halten bis sie ein Einsehen haben und endlich was unternehmen. Danach wird es in diesem Ort nie mehr so sein, wie es einmal war.


Ordnungsamt
Recht hoffnungslos mache ich mich auf dem Weg zum Ordnungsamt. Im Gegensatz zu meinen Besuchen im letzten Jahr, lande ich direkt bei einem Mitarbeiter, der den Besitzer des Café Bistros kennt. Er weiß, dass eine Ausschankgenehmigung vorliegt und das Problem, dass hin und wieder Stühle vors Café Bistro gestellt werden ist ihm ebenfalls bekannt. Allerdings ist das gelegentliche herausstellen der Stühle keinesfalls zu beanstanden. Und so bleiben nur die Türen, welche die ganze Nacht geöffnet sind. Ein Mitarbeiter wird sich am Montag darum kümmern. Sollte das Problem bis Ende nächster Woche weiter bestehen, soll ich mich erneut beim Ordnungsamt melden. Wobei es nicht wirklich so klingt als würde das Ordnungsamt dann noch etwas unternehmen. Vielmehr soll ich dann wieder regelmäßig bei der Polizei anrufen und darauf hinweisen, dass eine Ordnungswidrigkeitenanzeige erstattet wird. Ich freue mich schon auf die Polizistin, die mich vermutlich wieder darauf hinweisen wird, dass es nichts zu beanstanden gibt und ich doch gefälligst mit meinem Telefonterror aufhören soll. Vielleicht werde ich sie dann entführen und hier einsperren damit sie die Zimmerlautstärke täglich genießen kann. Irgendwie bin ich nach dem Gespräch nicht wirklich überzeugt, dass das Problem in nächster Zeit gelöst wird. Es bleibt spannend und ich bin gespannt, ob ich die Idylle zerstören kann oder am Ende in irgendeine Anstalt eingewiesen werde.


Zwei an einem Tag
Nadia und ich treffen uns einmal pro Woche, um uns miteinander auf sexuelle Weise zu vergnügen. Es dauert auch nie lange bis wir zu sexuellen Handlungen übergehen. Und wenn es zum Sex kommt, dauert es erst recht nicht lange bis ich fertig bin. Glücklicherweise scheint Nadia kein Problem damit zu haben. Ich hingegen fände es schon besser, wenn ich vor lauter Begeisterung und Erregung nicht immer so früh fertig wäre. Schließlich ist der Sex mit ihr eine feine Sache. Und feine Sachen dürfen gerne länger dauern.
Weil das Wetter heute gnädig mit uns ist, können wir unsere kleinen Spielchen ins Freie verlagern. Ich liebe es, wenn Frauen so offen sind und auch in der Natur bereitwillig mitmachen. Nadia halte ich für sexuell sehr kompatibel. Und so gehen wir auf den Spurwerkturm in Waltrop und haben dort oben tatsächlich Sex. Ich sitze dort auf dem Boden und sie sitzt auf mir. Unten sind Leute, die uns durchaus sehen könnten. Obwohl es ein wirklich heißes sexuelles Erlebnis ist, bin ich heute keineswegs unzufrieden, dass es nicht so lange dauert, weil ich nicht erwischt werden möchte. Wobei diese Möglichkeit, dass man uns erwischen könnte auch irgendwie erregend ist. Nachdem wir unseren ersten Sex im Freien beendet haben, beschließen wir unverzüglich, dass wir uns durch die Route Industriekultur vögeln wollen. Eine durchaus entzückende Vorstellung. Nadia ist wirklich perfekt für jeglichen Sex.
Als ich Nadia später zum Bahnhof bringe, setzen wir uns auf einen Stein und nutzen die letzten Minuten, um uns zu küssen und ein wenig zu befummeln. Ihre Hände wandern in meine Hose, ich schiebe ihren Rock hoch und lasse meine Finger zwischen ihren Beinen ihre Arbeit verrichten. Eine Gruppe Jugendlicher, die hinter mir entlang geht, hat einen perfekten Blick auf das, was ich mit meinen Fingern mache und so bekommen wir zum Abschluss dieses Treffens sogar noch Applaus. Besser geht´s wirklich nicht.

Obwohl ich am Abend recht müde bin, kann ich das Angebot, Groupie zu besuchen, nicht ablehnen. Denn die Möglichkeit, dass ich an einem Tag mit zwei Frauen Sex haben kann, abzulehnen, wäre mehr als fahrlässig. Wer weiß, ob es eine solche Möglichkeit je wieder geben wird.
Es ist etwas mehr als zwei Jahre her, dass ich Groupie zuletzt besucht habe. Ich frage mich, wie sie nach ihrem Gewichtsverlust wohl aussieht und ob sie mich immer noch so gut befriedigen kann. Dummerweise bin ich, als ich gegen 23.03 Uhr bei ihr ankomme, dermaßen müde, dass ich eigentlich nur schlafen möchte. Dass sie abgenommen hat, nehme ich zur Kenntnis, kann mich aber nicht wirklich daran erinnern, wie viel mehr sie früher war. Ich bin echt oberflächlich.
Nach kurzer Begrüßung liege ich auch schon neben ihr im Bett und wir küssen uns. Es dauert nicht lange bis sie mit ihrem Mund tiefer wandert und dort verweilt. Ich genieße es zwar, muss aber gestehen, dass ich eigentlich zu müde für Sex bin. Vielleicht bin ich auch einfach zu alt, um an einem Tag Sex mit zwei Frauen zu haben. Dennoch ist das, was sie da in bekannter und absolut erregender Weise tut, wirklich geil. Ihre Technik hat mich schon von unserem ersten Treffen an sehr begeistert. Ihre Zungenakrobatik ist einfach göttlich. Schon alleine dafür lohnt es sich immer wieder, sie für ein Sextreffen zu besuchen. Und da sie merkt, wie sehr es mir gefällt, macht sie einfach weiter und so dauert es natürlich nicht lange, bis ich in ihrem Mund komme. Und kaum bin ich fertig, möchte ich schlafen und sage: “Das war geil. Du kannst jetzt gehen, ich muss schlafen.” – “Ähm, Du verwechselst da was. Das ist meine Wohnung.” Mist. Da hat sie wohl Recht. Ich quäle mich hoch, ziehe mich an und verabschiede mich von ihr. Es ist 23.42 Uhr.
Um nicht einzuschlafen, esse ich auf der Heimfahrt eine Banane und frage mich, ob es okay für sie ist, wenn wir die Aktion demnächst mal wiederholen. Ich finde es nämlich gut, wenn ich nichts tun muss und dennoch bekomme was ich will.


Porsche
Sam bietet mir an, mich mit einem Porsche abzuholen und mir auf der Autobahn vorzuführen, dass der Wagen so viel Kraft hat, dass man sogar bei Tempo 250 noch in die Sitze gedrückt wird, wenn das Gaspedal voll durchgetreten wird. Das spricht natürlich für den Porsche und es gibt sicherlich eine Menge Leute, die sich über das Angebot, eine solche Demonstration mal miterleben zu dürfen, freuen würden. Dummerweise gehöre ich nicht zu diesen Leuten. Geschwindigkeiten über 65 Stundenkilometer sind mir schon zu viel, wenn ich Beifahrer bin. Wenn ich selber fahre, dann fühle ich mich bis maximal 200 wohl. Alles was darüber hinausgeht, muss nicht sein. Ich bin schließlich weder Rennfahrer noch Kampfjetpilot. Mich in ein Fahrzeug zu setzen und zu wissen, dass ich wenige Minuten später jenseits der 250 Stundenkilometer unterwegs sein werde, kann mich gar nicht reizen. Es bereitet mir eher Angst. Und so werde ich das Angebot ablehnen müssen. Denn was ich nicht selber steuern kann ist mir schon etwas unheimlich und ein Flug in einem Porsche über die Autobahn mit einer Geschwindigkeit von über 250 ist einfach nichts, was ich mir und meinem Körper zumuten will.


Public Viewing (Leichenfeier)
Spontan und völlig unerwartet mache ich mich auf den Weg nach Dortmund, um mir das Spiel Serbien gegen Deutschland anzuschauen. Es ist so voll, dass wir es gerade noch auf den Friedensplatz schaffen. Leider sind die besten Plätze alle besetzt und so müssen wir von einem eher schlechten Platz das Spiel verfolgen. Der Blick auf die Leinwand wird von einem Bierwagen und anderem Kram, der auf dem Platz rumsteht, gestört. Die lustig verkleideten Menschen sind meistens bedeutend jünger und vor allem kleiner als ich. Dafür scheinen viele von denen ziemlich blöd zu sein. Wieso sonst sollten sie sinnlos grölen und applaudieren, wenn ein Spieler der Serben eine Karte bekommt oder ein Abseitstor fällt. Vielleicht sind sie auch nur zu betrunken, um wirklich etwas mitzubekommen. Eine Gruppe Hampelmänner, etwa 18 bis 20 Jahre alt, stellt sich neben uns und erfreut uns mit ihrem Geschrei. Sie rufen “Fotzen” und anderen Mist, der wenig mit Fußball zu tun hat. Dann schubsen sie sich grölend durch die Gegend und haben tierischen Spaß dabei. Besoffen und doof, so mag ich das.
Als Serbien das 1:0 schießt geraten die Serben neben mir in Ekstase und ich bekomme die serbische Fahne mehrfach ins Gesicht. Ich freue mich, weiß aber nicht worüber. In der Halbzeit wird eine maximal 18jährige und noch nicht vollkommen ausgewachsene, weibliche Person, der es offenbar schlecht geht, von Sanitätern an uns vorbeigeführt. Wenige Meter weiter muss sie sich übergeben. Ich finde, sie hätte wenigstens aus meinem Blickfeld verschwinden können, bevor sie sich übergibt. Mir wird schlecht und ich bin kurz davor mich ebenfalls zu übergeben. Wieso müssen diese dummen Menschen nur so viel trinken bis sie sich übergeben müssen? Der ganze ausgekotzte Mist liegt zum Glück nicht lange dort, weil die anderen Idioten einfach durch die ganze Kotze wandern als wäre sie nicht da. So wird alles ordentlich verteilt. Ich bin entzückt.
Da ich von dem Spiel eh kaum etwas sehen kann, bewundere ich weiter die Menschen, die um mich herum verteilt wurden. Kleine, betrunkene Lebewesen, die ich alle nicht kennen möchte. Dafür scheint die Sonne plötzlich und verbrennt mir mein Gesicht. Ähnliches hatte ich vor vier Jahren schon erleben dürfen. Ich freue mich trotzdem nicht, weil es mir vor vier Jahren schon nicht gefallen hat, von der Sonne verbrannt zu werden. Für einen Sonnenbrand habe ich wenig übrig. Das war schon immer so und wird sich auch nie mehr ändern. Während ich weiter verbrenne, denke ich, dass der Begriff Public Viewing, wirklich prima zu all den Verrückten hier passt. Irgendwie schäme ich mich dann aber auch wegen des Begriffs, weil er doch ursprünglich etwas ganz anderes bedeutet. Nämlich Leichenfeier. Dämliche Alkoholleichen.
Vier Minuten vor Spielende verlassen wir den Platz. Ich bin dermaßen begeistert, dass ich ernsthaft überlege am Mittwoch wiederzukommen. Mal sehen, ob ich jemanden finde, den meine Idee begeistert und den ich mitnehmen kann.


Irgendwie Kompliziert
Da ich mich mittlerweile mehrfach mit Nadia getroffen habe, wir uns auch weiterhin treffen und dabei alles andere als platonisch miteinander verkehren, Cori aber von alldem nichts weiß, fühle ich mich Cori gegenüber sehr unwohl und finde die Situation alles andere als angenehm. Doch da ich es zugelassen habe, dass Nadia und ich aus unserem Verhältnis ein Geheimnis gemacht haben, kann ich jetzt nicht mehr aus der Nummer raus. Zumindest rede ich mir das ein. Die Tatsache, dass ich fest davon überzeugt bin, dass Nadia früher oder später unser Geheimnis nicht mehr für sich behalten wird und Cori alles erzählt, macht es noch unangenehmer. Warum habe ich mich nur auf so einen Blödsinn eingelassen? Dabei wollte ich doch nur eine entspannte Affäre mit beiden. Leider war ich nicht stark genug, um Nadia zu widersprechen und zu feige, Cori davon zu erzählen. Und wieso fühle ich mich allen gegenüber verantwortlich? Ich bin echt kompliziert. Immerhin habe ich seitdem ich mir Nadia was angefangen habe, nicht versucht mit Cori ins Bett zu gehen, obwohl ich das sehr gerne würde, aber diesen kleinen Rest Anstand habe ich noch, obwohl das vermutlich nur in meinem Kopf etwas mit Anstand zu tun hat, dass ich nicht auch noch mit beiden schlafe. Vielleicht hätte sich Cori eh nicht darauf eingelassen, aber wenn doch, dann käme ich mir noch asozialer vor. Diese ganze menschliche Scheiße mit Lügen und heimlichen Affären ist nichts für mich. Wenn ich nicht so sexgeil wäre, dann wäre ich vielleicht ein etwas anständig1erer Mensch.


Comdirekt Bank
Nachdem meine Bank beschlossen hat, jeden Monat 3€ für mein Online-Girokonto zu nehmen, habe ich mich auf die Suche nach einem kostenlosen Konto gemacht. Bei der Comdirect Bank wurde ich fündig. Doch leider wollen die mich nicht. Warum, können oder wollen sie mir nicht mitteilen. Ich vermute, dass Arbeitslose nicht so gut ihn ihr Konzept passen und deshalb unerwünscht sind. Ich fühle mich diskriminiert und werde, selbst wenn ich bald reich bin, einen großen Bogen um die Comdirect Bank machen.


Der Endtopf
Die Fahrt auf der Autobahn ist dem Auspuff meines Benz scheinbar nicht bekommen. Wieso sollte er jetzt sonst so einen Lärm machen und mich zwingen die Werkstatt aufzusuchen? Dort erfahre ich, dass der Endtopf nur noch an einem seidenen Faden hängt und sein Leben nicht mehr zu retten ist. Da ich ohne Auto kein vollständiger Mensch bin und am Nachmittag mit Ursula nach Koblenz fahren will, um dort einen Kurzurlaub zu verbringen, bitte ich darum, mir einen neuen Endtopf zu besorgen. Selbstverständlich wird meinem Wunsch entsprochen und ein neuer Endtopf bestellt. In einer Stunde soll ich wiederkommen.
Als ich später auf dem Weg zur Werkstatt bin, löst sich der Endtopf von seinem seidenen Faden, verliert fast vollständig den Halt, wird nur noch von zwei Gummihalterungen gehalten, schleift über dem Boden und macht eine Weiterfahrt unmöglich. Gut, dass das nicht schon auf der Autobahn passiert ist. Doch wie komme ich jetzt zur Werkstatt, die noch ungefähr 2 Kilometer entfernt ist? So stehe ich ratlos am Straßenrand, krabbele unter meinem Benz rum und versuche den blöden Endtopf von den Gummihaken zu lösen, was mir natürlich nicht gelingt, weil ich handwerklich völlig ungeschickt bin. Zufällig kommt ein Mitarbeiter der Werkstatt vorbei, hält an, wirft sich unters Auto und schon ist der Endtopf ab. Schon wieder Glück gehabt. Ohne Endtopf, aber mit kräftigem Sound, setze ich meine Fahrt zur Werkstatt fort. Eine halbe Stunde später bin ich um 220€ erleichtert, habe dafür aber einen neuen, wunderschönen Endtopf und kann unbeschwert in den Urlaub fahren.


Anruf beim Ordnungsamt
Nachdem der Lärm in den letzten Tagen immer lauter wurde, rufe ich beim Ordnungsamt an und frage, ob mit dem Besitzer des Café Bistros gesprochen wurde. Der Mann vom Ordnungsamt sagt, dass er persönlich mit dem Besitzer gesprochen hat. “Dann hat es ihn wohl nicht interessiert, was sie gesagt haben.” – “Das kann ich nicht beurteilen.” -“Ich schon. Es wird nämlich jede Nacht lauter. Der nimmt das wohl nicht ernst.” – “Dann müssen sie die Polizei rufen und eine Ordnungswidrigkeitenanzeige erstatten.” – “Das heißt, das Ordnungsamt ist jetzt fertig damit.” – “Ja, das ist der normale Weg. Oder sie sammeln Unterschriften, notieren die Zeiten und dann schreiben wir den Besitzer an.” Irgendwie fühle ich mich schon wieder verarscht. Das Ordnungsamt kümmert sich nicht wirklich um die Ordnung, die Polizei nimmt mich nicht ernst und wenn ich eine Anzeige erstatte, dann weiß sicher sofort jeder im Café Bistro, wer die Anzeige erstattet hat. Ich bin dafür, das Ordnungsamt inklusive aller Mitarbeiter abzuschaffen. Denn wozu soll man Mitarbeiter bezahlen, die nicht arbeiten und einfach nur da sind? Das Geld kann man sich wirklich sparen. Bei all den Schulden sollte Deutschland unbrauchbare Ordnungsämter auslösen. Bringt ja nix. Und ich brauche einen neuen Plan.


Katrin
Weil ich es nicht lassen kann, vermutlich unter einer Art Zwang leide, oder einfach nur Notgeil bin, gehe ich in einen Erotikchat, um mir die Zeit zu vertreiben. Wie üblich kommen nur wenige Unterhaltungen zustande. Katrin ist angeblich zierlich, 22 Jahre alt und hat Lust auf Telefonsex. Ich habe zwar keine Lust auf Telefonsex, schreibe sie aber dennoch an und bekomme sogar Antwort. Sie kommt aus Bonn, ist 1,64m und wiegt 40kg. Klingt wirklich zierlich. Sie hat braune Haare und ihre Körbchengröße ist 65a – 65b. Ich schreibe ihr, dass mir das gefällt und frage sie, ob sie mich anrufen mag. Sie mag und bekommt meine Telefonnummer. Wenige Augenblicke später ruft sie tatsächlich an. Ihre Stimme klingt nach einer kurzhaarigen Frau. Mittelmäßig attraktiv vielleicht. Aber wirklich beurteilen kann ich das natürlich nicht. Im Gegensatz zu früheren Aktionen dieser Art, bin ich sehr entspannt und unaufgeregt. Da sie aus Bonn ist, kommt ein spontanes Treffen eh nicht in Frage. Zu weit weg. Ich sage ihr, dass ich Sex und keinen Telefonsex möchte. Sie sagt, sie ist da völlig offen. Am Telefon lässt sich so vieles behaupten. Ich habe ja auch behauptet dass ich jünger bin. Da wir uns eh nie sehen werden, spielt all das keine Rolle. Weil ich angeblich keine Zeit mehr habe, dauert das Gespräch keine vier Minuten. Morgen Nachmittag möchte sie mich nochmal anrufen. Dann werde ich ihr sagen, dass ich verheiratet bin und keine Zeit habe. Vielleicht gehe ich auch gar nicht ans Telefon. Oder sie ruft gar nicht an. Wie auch immer. Heute hatte ich meinen Spaß und was morgen sein wird, werde ich morgen wissen.


Zwischenspiel
Es soll ja nicht gut für den Seelenzustand sein, wenn man einfach nur so dasitzt und vor sich hinstarrt. Dumm ist es natürlich, wenn man ein Meister des Starrens ist und den Zustand des Starrens so in sein Leben eingebaut hat, dass Abweichungen einen enormen Kraftaufwand bedeuten und selbst das Einkaufen schon ein extremer Eingriff in die Harmonie und den Lebensablauf des Starrenden darstellt. So versuche ich schon seit geraumer Zeit, mehr oder weniger erfolglos, in letzter Zeit fast völlig erfolglos, den Zustand zu unterbrechen und ohne wirklichen Grund, wobei die Abkehr vom Starren als Grund sicher ausreichend ist, die Wohnung zu verlassen.
Es ist 09.12 Uhr als ich eine Tasche nehme, eine Flasche Apfelschorle und ein Buch einpacke und mich auf den Weg mache. Ziel ist der wenige Minuten entfernte Park mit dem kleinen Teich, welchen ich nach wenigen Minuten erreiche. Der Boden ist voller sehr kleiner Kröten oder Frösche, die scheinbar heute ihren Wandertag haben. Es ist nicht leicht die Winzlinge nicht zu zertreten. Ich bin dennoch zuversichtlich, dass ich keinen dieser Winzlinge unter meinen Schuhen zermatsche. Ich setze mich auf die Bank und betrachte die Gegend. In dem Teich, im dreckigen Wasser, knapp unter der Wasseroberfläche verweilen einige große, schwarze Fische. Sie scheinen die Sonne zu genießen und machen einen entspannten Eindruck. Auf der anderen Seite des Teichs, der Sonnenseite, haben es sich Enten gemütlich gemacht. Auch sie machen einen entspannten Eindruck. Also muss ich auf der schattigen Seite wohl auch entspannen. Alles andere wäre unpassend. Über mir tanzen kleine, schwarze Insekten. Sie fliegen rasch hin und her. Ich beobachte sie eine Weile. Aus dem nahegelegenen Freibad hört man Kinderlärm. Er ist dezent genug, nicht zu stören und passt gut in diese entspannte Atmosphäre. Hin und wieder fliegen Fliegen laut summend an mir vorbei. Erstaunlicherweise empfinde ich auch diese Geräusche nicht als störend und beginne zu lesen. Das Buch besteht aus vielen Kurzgeschichten. Einige sind interessant, andere fangen lediglich interessant an, wieder andere sind einfach nur langweilig. Der Autor des Buches war vermutlich ziemlich wirr in seinem Kopf oder hat irgendwelche Drogen genommen. Anders kann ich mir derartige Geschichten nicht erklären. Stören tut es mich nicht. Liegt vielleicht daran, dass ich auch ziemlich wirr im Kopf bin. Oder daran, dass es wirklich herrlich ist, einfach hier zu sitzen und zu lesen.
Hin und wieder kommt jemand mit seinem Hund an mir vorbei. Die Leute grüßen freundlich, die Hunde schnuppern kurz oder lassen es bleiben. Ich hätte nicht gedacht, wie angenehm es sein kann auf einer einfachen, kühlenden Parkbank aus Metall zu sitzen, zu lesen und die Natur auf mich wirken zu lassen. Manchmal entdecke ich irgendwelche Insekten, wie sie versuchen an mir hochzuklettern oder mich anfliegen, um auf mir zu landen. Ich habe erstaunlicherweise nicht das Bedürfnis sie zu beschimpfen oder zu erschlagen. Vielmehr beobachte ich sie interessiert. Schaue, wie sie sich bewegen und wie sie zusammengesetzt sind. Es gibt schon erstaunliche, mitunter sogar faszinierende Lebewesen. Wenn ich die Insekten genug beobachtet habe, entferne ich sie von meinem Körper. Schließlich bin ich kein Klettergerüst. Dann beobachte ich den Himmel und bin ganz angetan von seinem Blau, als plötzlich ein dickes Mädchen an mir vorbei rennt, “Moma, Moma”, ruft und dabei quietschvergnügt zu sein scheint. Weder weiß ich, was Moma bedeutet, noch wen das dicke Mädchen damit meint, doch eines ist klar, kleine Mädchen sollten nicht so dick sein. Denn aus dicken, kleinen Mädchen werden meist fette, hässliche Frauen. Und dicke, hässliche Frauen haben hier absolut nichts zu suchen. Hier ist ein Ort der Entspannung und der Ruhe. Spätestens, wenn eine dicke Frau hier zerplatzt, ist es mit der beschaulichen Ruhe endgültig vorbei. Das kann niemand wollen. Zeit für mich zu gehen. Es war ein sehr gelungener Morgen. Ich sollte öfter hierher kommen. Mit einem anderen Buch, ohne dickes Mädchen und ohne Moma.

Schon drei Stunden später mache ich mich erneut auf den Weg in den Park. Im Gepäck habe ich Apfelschorle und ein anderes Buch. Statt ‘Kurze Interviews mit fiesen Männern’ will ich ‘Als ich mich einmal in alles verliebte’ lesen. Die winzigen Wanderkröten oder Wanderfrösche haben sich größtenteils zurückgezogen oder wurden zertreten. Nur ganz vereinzelt hüpfen einige vor mir rum. Die Bank ist zum Glück nicht besetzt und weit und breit ist kein Mensch zu sehen. Entzückt nehme ich auf der Bank Platz. Die Insekten, die am Vormittag noch über mir tanzten, sind verschwunden. Dafür sind viele Libellen am Rande des Teichs. Sie fliegen meist alleine, manchmal auch als Doppeldecker gestapelt durch die Gegend. Die Vögel zwitschern fröhlich vor sich hin und die Fische sind auch noch im Wasser. Die Enten sind aktiver als heute Morgen und schwimmen und planschen vergnügt durchs Wasser. Alles ist friedlich, alles ist gut. Die erste Seite des neuen Buchs gefällt mir gar nicht. Glücklicherweise ist es ab der zweiten Seite ein Buch nach meinem Geschmack. Ich lese knapp eine Stunde und es kommt nicht ein Mensch vorbei, was ich sehr angenehm finde. Knapp zwanzig Minuten von meiner kleinen, sterilen Wohnung, die mich Trübsinnig werden und nachts nicht schlafen lässt, scheint die Welt noch in Ordnung. Lediglich das Wasser in dem Teich könnte meiner Meinung nach sauberer sein. So bin ich heute schon zum zweiten Mal völlig entspannt und einfach nur da. Keine Gedanken trüben die Stimmung. Es ist manchmal so einfach und doch so schwer. Und weit und breit kein dickes Mädchen, dass nach Moma schreit. Hier könnte ich leben. Oder sterben. Oder was ganz anderes.

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