Lübeck – Tag 2

Nachdem ich am Ankunftstag über 10km durch Lübeck umhergeirrt bin, müsste ich eigentlich prima schlafen, doch es kommt alles anders. Mein Körper ist kurz vor der Bewusstlosigkeit als merkwürdige Geräusche meine Aufmerksamkeit erregen und die Einschlafphase beenden. Mit Schnarchgeräuschen hatte ich absolut nicht gerechnet zumal ich mein Zimmer auch mit niemandem teile. Vermutlich teilt auch niemand mit dem Schnarcher aus dem Zimmer nebenan das Bett, denn das würde niemand aushalten, selbst ich im Nebenzimmer ertrage es kaum und überlege, was ich tun kann. Kissen über den Kopf bringt nix und Taschentücher in die Ohren zu stecken ebenso wenig. Es ist nach Mitternacht und ich bin wach und ratlos. Weil mir nichts besseres einfällt, nehme ich das Tablet, um Musik zu hören. Dummerweise ist nur ein Lied darauf vorhanden und da hier kein W-LAN verfügbar ist, darf ich mir “Over the Horizon”, immer wieder und wieder anhören, um das Schnarchen nicht ertragen zu müssen und in der Hoffnung mit Musik einschlafen zu können. Obwohl ich die In-Ear Kopfhörer nutze, höre ich bei den leisen Passagen des Liedes das Schnarchen. Lauter mag ich das Lied aber nicht hören, weil es dann zu laut ist, um einzuschlafen und so. Es ist bereits nach 02.00 Uhr als der Mann das Schnarchen einstellt. Vielleicht ist er gestorben. Schnarchen ist ja nicht unbedingt gesund. Mir ist das egal, ich mache die Musik aus und schlafe direkt ein. Erst gegen 06.00 Uhr werde ich wieder wach, weil draußen Menschen aktiv werden und mich stören. Bis kurz nach 07.00 Uhr versuche ich immer wieder einzuschlafen, was aber nur kurzzeitig gelingt und durch immer neuen Lärm dazu führt, dass ich immer wieder wach werde. Bisher läuft es für mich in Lübeck noch nicht rund.

Gegen kurz nach 08.00 Uhr breche ich auf, um einen Ort zum Frühstücken zu finden. Das Auto parke ich etwas weiter vom Stadtzentrum entfernt als gestern, weil ich nicht wieder unter einem Baum parken will. Ich gehe los, stelle nach über zehn Minuten fest, dass ich die Sonnenbrille im Auto vergessen habe und gehe zurück, um sie zu holen.
In der Stadt finde ich keinen geeigneten Bäcker. Ich will nicht in der Sonne sitzen, nicht lange anstehen und nicht neben komischen Leuten sitzen. Kurz bevor ich verzweifelt umfalle, gehe ich in eine kleine Bäckerei die nicht voll ist. Der Laden heißt BrotRock und ich möchte nur ein ganz normales Brötchen mit Salami, doch scheinbar ist keins mehr da. Woanders macht man eben schnell eins, wenn der Kunde das möchte, hier ist es anders und der maximal mittelmäßig brauchbare Angestellte bietet mir immerhin ein Laugenbrötchen mit Salami an, weil es da noch rumliegt. Da ich fast umfalle und sonst hier nichts zu essen bekomme, was meinen Vorstellungen entspricht, nehme ich eben das. Dass es fast drei Euro kostet, finde ich absurd, zumal es mir in einer Tüte zum Mitnehmen gereicht wird, wo ich eigentlich draußen sitzen wollte und vorhatte zum Brötchen etwas zu trinken. Ich hatte allerdings zu keinem Zeitpunkt das Gefühl, dass dies hier eine Option für mich war, weil die männliche Bedienung das von vornerein ausgeschlossen hatte. Dass ich nicht wiederkommen werde erscheint da nur logisch. Blöd nur, dass morgen die Suche nach einem angemessenem Frühstück von neuem losgeht.

Im Haerder-Center lasse ich mir später einen leckeren Smoothie bereiten, dann telefoniere ich mit Agnes bevor die Suche nach einem geeigneten Lokal fürs Mittagessen meine Aufmerksamkeit fordert. Wieder irre ich völlig ratlos durch Lübeck, finde nix und bin ratlos. Lübeck ist zu groß für mich, denn ich bleibe auch weiter komplett orientierungslos. Nachdem ich schon fast vor Schwäche verendet bin, lande ich im L’Osteria. Eine Pizza Tonno kostet dort 11,50 Euro, was ich recht happig finde. Doch da ich völlig entkräftet bin, kann ich darauf jetzt keine Rücksicht nehmen. Als mir eine Papierunterlage auf den Tisch gelegt wird, ahne ich böses. Die Pizza muss riesig sein. Als die Pizzabestellungen der Nebentisch gebracht werden, ist mir klar, dass die Pizza zu groß sein wird, denn alle bekommen nur eine halbe Pizza. Wieso sagt einem keiner so etwas? Und schon bekomme ich meine Riesenpizza, die natürlich nicht auf den Teller passt und ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen jemals eine so große Pizza aufessen zu können. Das ist echt krank. Darauf muss man doch hingewiesen werden. So wird natürlich am Ende die Hälfte der Pizza weggeworfen. Ich achte im Urlaub ja echt nicht aufs Geld, aber so große Pizzen sind völliger Schwachsinn.

Weil ich überhaupt keinen Plan habe, was ich noch sehen und machen will, renne ich hin und her, sitze oder stehe mal hier und mal dort und kaufe mir dann ein Zitroneneis. Es ist, das merkte schon Agnes an, sehr erstaunlich, wie ich meinen Urlaub so verbringe. Muss sonst alles in meinem Leben geplant und durchdacht sein, so regiert im Urlaub das Chaos. Meine Hotels buche ich zu weit vom Ort weg, Sehenswürdigkeiten sind da und entweder ich sehe sie oder eben nicht. Es reicht vollkommen, dass ich nicht zu Hause bin und lediglich meine Probleme mit dem richtigen Essen sind wirklich störend. Urlaub ist fast das genaue Gegenteil von dem, wie ich sonst lebe. Und obwohl alles durcheinander scheint, stört es mich nicht wirklich und ich wundere mich, dass andere Menschen ihren Urlaub durchplanen und ich genau dies nicht tue, weil es mich scheinbar nicht interessiert. Hauptsache für mich ist, dass ich an einem anderen Ort bin und man mich in Ruhe lässt. Und das klappt auch in Lübeck bisher gut.

Da ich irgendwann genug hin und her gerannt bin, beschließe ich zurück zum Hotel zu fahren und brauche mehr als dreißig Minuten, um mein Auto zu erreichen. Optimal ist das nicht gerade. Im Hotel mache ich mich frisch, ziehe mich um und fahre dann spontan nach Travemünde, um dort zu Abend zu essen. Erwartungsgemäß parke ich zu weit vom Geschehen weg, irre konsequenterweise auch dort ziemlich gestört hin und her, suche das geeignete Restaurant und lande schließlich im Landungsbrücken-Restaurant, obwohl ich eigentlich woanders hin wollte. Ich nehme Platz und werde nicht beachtet. Andere Gäste kommen nach mir und bekommen rasch die Speisekarte. Ich hingegen bekomme nix. Nach neun Minuten fragt mich tatsächlich ein Kellner, ob ich bestellen möchte. Ich bestelle die Speisekarte, weil mir das sinnvoll erscheint, doch trotz zusage, bekomme ich keine Speisekarte und werde konsequent nicht beachtet. Vielleicht stört es, dass ich einen Tisch besetze an dem locker vier Personen sitzen könnten. Nach sechzehn Minuten frage ich einen anderen Kellner nach der Karte. Tatsächlich wird sie mir wenig später gebracht und ich bestelle einen Salat und einen Orangensaft. Kurze Zeit später kann ich loslegen und kaum habe ich aufgegessen wird mir kalt. Anstatt wie geplant mach dem Essen nochmal nah zum Wasser zu gehen, mache ich mich auf den Weg zurück zum Benz. Wie kann man nur so frieren, wenn es eigentlich keinen Grund zum Frieren gibt?
Auf dem Weg zurück zum Hotel scheine ich eine Landesgrenze überqueren zu müssen und bin irritiert. Ich fahre auf Etwas zu, was wie ein Grenzübergang aussieht. Weil ich so gar nicht weiß, was das soll und wie ich mich Verhalten muss, fahre ich einfach vor irgendeine Schranke. Diese bleibt verschlossen. Also drücke ich auf den Hilfeknopf und frage, was das soll. Ich bekomme die Anweisung zurückzufahren und die nächste Schranke zu nutzen. Ich fahre zurück und schaue mir die Anlage genauer an. Ohne Geld keine Durchfahrt. Keine Wendemöglichkeit zu erkennen. So stehe ich dumm rum und versuche zu verstehen. Das hier ist keine Landesgrenze, sondern eine Mautstation. Ich dachte, so etwas ist für Lkws und nicht für PKWs. Irgendwas läuft hier gerade völlig verkehrt. Ich lese, dass man 1,70 Euro zahlen muss, um weiterfahren zu können. Der Automat wechselt nicht und ich frage mich, was wohl passiert, wenn ich gar kein Geld bei mir habe. Tatsächlich zweifle, dass ich 1,70 Euro passend habe, weil ich mich meist schnell von meinem Kleingeld trenne, um es nicht mit mir herumschleppen zu müssen. Ich greife ich meine Tasche und mir wird etwas mulmig. Das könnte eine peinliche Nummer werden. In meinen Taschen finde ich zum Glück ganze 1,78 Euro. Ich werde das Geld in einen Trichter und frage mich, was genau mit diesem Land nicht stimmt und wieso mich niemand rechtzeitig gewarnt hat. Warum muss man dafür bezahlen, wenn man nur ganz normal durch Deutschland fährt? Das erscheint mir äußerst seltsam, möglicherwiese auch krank.

Später lese ich im Internet, was es mit der Maut auf sich hat und beschließe, dass das einfach nur krank ist, weil die meisten, die davon wissen, einfach woanders herfahren. Gut so.

Mein Schrittzähler sagt, dass ich 17,5 Kilometer gewandert bin. Das ist möglicherweise auch krank, aber darüber mag ich mir nach so einem Tag keine Gedanken machen.

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