Ameiseninvasion 2025

Vor einigen Wochen fing es an. Die Ameisenpopulation auf dem Balkon wuchs. Wanderten sie zunächst nur von Blumenkasten zu Blumenkasten, eroberten sie wenig später den kompletten Balkonumlauf. Ich entschied, dass ich eingreifen würde, wenn sie irgendwann auf den Balkonboden kommen würden. Sie schienen es zu ahnen und hielten sich zurück.

Doch heute ist etwas anders. Ich entdecke eine Ameise auf der Fliegengittertür, werfe sie zu Boden, setze mich auf den Balkonstuhl und sehe mich um. Noch bevor ich mir einen Überblick verschafft habe, klettern erste Ameisen meine Beine hoch. Ich sehe erst wenige, dann immer mehr, wie sie über den Balkon spazieren. Ich entdecke ihren Weg nach unten. Sie lassen mir keine Wahl und wenig später verteile ich Gift auf ihren Wegen. Sofort herrscht reges Treiben, das Mahl ist eröffnet. Die Ameisen, die auf dem Balkon umherstolzieren, sprühe ich mit 11,9 prozentiger Wasserstoffperoxid-Lösung ein. Sie beeindruckt das nur kurz.

Agnes schlägt kochendes Wasser vor. Ich schreite zur Tat. In das kochende Wasser gebe ich etwas Essigessenz, und los geht es. Während ich sie mit Wasser abkoche, stelle ich fest, dass eine von ihnen durch die kleinen Abläufe der Balkontür in die Wohnung kommt. Auch sie bekommt eine heiße Ladung. In dem Kies vor der Balkontür leben scheinbar viele und sind ganz aufgeregt. Sie versuchen zu fliehen, doch eine Flut heißen Essigwassers überrascht Sie. Vereinzelt kommen welche angerannt, um zu schauen, was da wohl los ist. Sie scheinen aufgeregt, möglicherweise sind sie ganz durcheinander, weil sie Teil einer unerklärlichen Katastrophe sind. Auch sie werden von einer heißen Flut weggespült. Dann ist der Wasserkocher leer. Kurz sammeln, neues Wasser kochen, Essig Essenz dazugeben und die gnadenlose Jagd kann fortgesetzt werden.

Als ich den Balkon mit der zweiten Ladung Wasser betrete, ist wenig los. Nur in der Ecke, die sie nutzen, um runter auf den Balkon zu marschieren, ist noch Bewegung. Vielleicht nutzen sie die Pause, um sich einen Überblick über das Ausmaß der Zerstörung zu verschaffen. Darauf kann ich keine Rücksicht nehmen. Sie sind zu weit gegangen. Jetzt müssen sie den Preis bezahlen.

Nach der zweiten Welle ist alles irgendwie ausgestorben. Ich klebe die Wasserabläufe der Balkontür zu. Weder will ich, dass sie die Route zur Flucht, noch zu einem Gegenangriff nutzen können. Obwohl ich nicht glaube, dass sie wissen, dass sie angegriffen worden sind. Sie gehen sicher von einer gewöhnlichen Naturkatastrophe aus.

Nach einer Weile kommt wieder Bewegung in die Ameisenecke. Das Gewusel wird mehr. Immer mehr von ihnen rennen aufgeregt hin und her. Soll ich eine dritte Welle starten oder haben sie genug? Noch mehr Ameisen kommen herunter. Das gefällt mir nicht. Wenn ich jetzt nachlasse, klettern sie sicher schon bald wieder auf mir rum, patrouillieren über den Balkon und setzen die Eroberung fort. Vielleicht wirkt das Gift nicht. Vielleicht naschen nicht alle davon. Das möchte ich nicht.

Die dritte Welle überrascht sie ebenfalls unvorbereitet. Alles wird überflutet, das heiße Wasser kennt keine Gnade. Ich beobachte, wie sie weitere Ameisen nach unten beordern. Manche kehren bald wieder um, andere trauen sich bis ganz unten. Noch bevor sie ihren Fehler bemerken, erwischt sie eine heiße Welle. Trotz der vielen Verluste, formieren sie sich neu. Wie lange können und wollen sie das noch wiederholen? Das ist so unnötig, ich mag nicht mehr.

Die anderen Kriegsschauplätze sind wie ausgestorben. „Lasst es gut sein, sucht euch eine andere Gegend.“, möchte ich ihnen zurufen. Sie würden es nicht verstehen.
Der Abend kommt, weiter rennen Ameisen hoch und runter. Was ist nur ihre Mission? Wie viele von ihnen werden diese Nacht überleben?

Am nächsten Morgen bewegt sich gar nichts mehr. Nicht eine Ameise ist zu sehen. Sind alle gestorben? Gibt es Überlebende? Wenn es Überlebende gibt, wo sind sie? Verstecken sie sich. Sind sie geflohen? Planen sie noch irgendwas?

Am Nachmittag rennen ein paar Ameisen aufgeregt hin und her. Unklar, was ihre Mission ist. Am frühen Abend landet eine fliegende Ameise auf dem Balkon und verschwindet in einer Ritze. Ich fülle den Wasserkocher …

Später laufen noch große, flügellose Ameisen herum. Eine erschlage ich, dann trage ich nochmal Gift auf. Minuten später fühle ich mich schlecht. Das Töten muss aufhören. Ich will doch nur in Ruhe auf dem Balkon sitzen. Niemand soll an mir hochklettern. Jeder auf seiner Seite bleiben. Mehr nicht.

Epilog:
Ich ließ sie lange gewähren, doch sie breiteten sich rücksichtslos immer weiter aus. Eine Koexistenz ist leider nicht möglich, wenn eine Spezies sich so stark vermehrt und sich dann ausbreitet, ausbreiten muss. Und am Ende kamen sie in Fluten von heißem Essigwasser um. Andere starben vermutlich qualvoll durch das Gift. Das hätte nicht sein müssen, doch die Geschichte zeigt, dass die Geschichte sich stets wiederholt. Die Protagonisten mögen andere sein, das Ergebnis bleibt gleich und zurück bleiben Tod und Verwüstung. Dumm. Einfach nur dumm.

6 Kommentare

  1. Sehr lehrreich… Erinnert mich irgendwie an die Zustände in der BRD und Österreich seit 2015… 🧐🥹

  2. Hoffentlich haben die die Woche nicht wieder den Balkon geentert. Das klingt schrecklich. Bei Ameisen denke ich nur an verbotene Substanzen, die mir in meiner sehr naturnahen Ausbildung zur Imkerei nahe gebracht wurden. 🙄

  3. Ich glaube, die Ameisen wollten einfach nur über den Balkon durch deine Wohnung und von da durch das Treppenhaus nach unten auf die Straße, um in der nächsten vorbildlichen Spielstätte ihr Glück zu versuchen. Mit dem Reichtum hätten sie sich dann einen riesigen Ameisenhaufen irgendwo in einer der vielen leerstehenden Lokalitäten des Ortes aufbauen können. Leider wird da jetzt wohl nichts mehr draus.

    Für die Zukunft empfehle ich dir E-Ameisen von Jungheinrich. Denen kannste einfach den Saft abdrehen, wenn die mal nerven.

    • In meiner Wohnung traf ich eine in der Küche. Sie verriet nicht ihren Plan und ich warf sie herzlos vom Balkon.

      Die empfohlenen E-Ameisen finde ich etwas groß. Dafür habe ich gar keinen Platz. 😳

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