Cochem – Tag 5

Kaum werde ich wach, bin ich komplett verwirrt. Handwerker machen etwas direkt unter meinem Zimmer und mich irritiert, dass mir alles unnötig laut vorkommt. Die Ursache ist schnell gefunden. Es ist alles so laut, weil das Fenster gekippt ist und ich frage mich, wie das sein kann, denn ich Frostbeule habe das sicher nicht gemacht. Die Rollläden sind runter und meine Tür ist abgeschlossen. Wer also hat das Fenster gekippt? Da mir das alles zu hoch ist und unlogisch erscheint, beschließe ich, nicht weiter darüber nachzudenken.

Im hinteren Frühstücksraum gibt es drei neue Gesichter zu entdecken. Zwei Frauen und ein junger Mann mit Dreitagebart, rot-blau kariertem Hemd und Victory Turnschuhen. Sofort frage ich mich, ob die zusammengehören oder einfach nur Pech haben, gemeinsam an einem Tisch sitzen zu müssen. Er schweigt, die beiden Frauen reden miteinander. Im Nebenraum wird ein durchaus guter Spruch gebracht. Die drei Neuen lachen, die Frauen einen Tick zu viel. Es ist dieses Lachen, um mit anderen ins Gespräch zu kommen. Wirklich beachtet werden sie nicht von den Leuten aus dem anderen Raum. Dennoch scheint diese kleine Aktion das Eis gebrochen zu haben, denn es kommt zu einem Gespräch am Nebentisch, welches der junge Mann eröffnet. Er, so erfahren wir, lebt im Sauerland und arbeitet an drei Tagen in der Woche in Frankfurt. Wegen der Liebe zog er ins Sauerland, wo er auf einem großen Grundstück lebt. Wir erfahren weiter, dass er morgens ganz viel Kaffee braucht, aber nicht, wo seine Frau gerade ist. Ich schätze, er ist erfolgreich in seinem Leben und hat eine tolle Zukunft. Die beiden Frauen kommen aus Recklinghausen und der Mann wundert sich, dass man bei ihnen keinen Dialekt hört. Ich indes wundere mich, wie leicht Small Talk zu funktionieren scheint, frage mich aber, ob das wirklich sein muss.

Wenig später befinde ich mich schon auf der Autobahn. Es ist nicht besonders voll und ich folge auf der linken Spur mit etwa 120 km/h einer Autokolonne. Hinter mir ein schwarzer Punto aus MYK. Ich weiß nicht, wo das ist, also nenne ich den Fahrer den Mann aus Mykonos, weil er schon seit Minuten hinter mir herfährt. Natürlich tut er das nicht unauffällig, denn sonst hätte der Mann aus Mykonos keinen Namen bekommen. Er fährt dicht auf, drängelt quasi, und ich scheine ihm im Weg zu sein. Die Tatsache, dass ich nicht schneller kann und es ihm auch nicht hilft, wenn ich ihn vorbeilasse, scheint seinen Horizont zu übersteigen. Dennoch führt sein Wahnsinn irgendwann zum Erfolg und ich lasse ihn vorbei. Zur Belohnung schert der Vollbarträger, was ich beim überhole gut erkennen konnte, direkt vor mir wieder ein und hat es plötzlich nicht mehr eilig. Möglicherweise hat er einen an der Waffel oder leidet an Enzephalitis. Weil mir das nun zu langsam ist, starte ich einen Überholvorgang, der aber dadurch erschwert wird, dass der Mann aus Mykonos ebenfalls beschleunigt. Kaum bin ich an ihm vorbei, wechselt er die Spur und ist wieder knapp hinter mir. Möglicherweise ist sein Schaden größer als nötig und er darf gar nicht mehr Auto fahren, weiß es aber noch nicht. Jedenfalls fährt er extra dicht auf und drängelt. Da ich keine 12 mehr bin und mir das zu doof ist, fahre ich auf die rechte Spur und lasse ihn erneut vorbei. Aus lauter Dankbarkeit fährt er direkt nach dem Überholvorgang zurück auf die rechte Spur und verlangsamt das Tempo. Jetzt ist es offensichtlich, dass sein Gesundheitszustand besorgniserregend ist. Weil ich mich weder von seinem Wahnsinn anstecken lassen will, noch Spaß an derartigem Stress habe, reduziere ich mein Tempo weiter und als die Lücke zu dem Mann aus Mykonos größer wird, können andere Autos zwischen uns fahren. Wenig später muss ich auf eine andere Autobahn und der Mann aus Mykonos ist Geschichte. Etwa hundert Kilometer vor dem Ziel geht eine Warnlampe an und weist mich freundlich darauf hin, dass mit der Abgasanlage des Coupés etwas nicht in Ordnung ist. Da wird der TÜV-Prüfer sicher morgen begeistert sein, wenn ich das Coupé vorführe.

Ich erreiche Brambauer und alles, was bis eben noch schön und erholsam war, ist nur noch eine Erinnerung, denn Brambauer ist, wie soll ich es formulieren, eher nicht schön. Um auch die letzten guten Eindrücke von Cochem schnell loszuwerden, gehe ich zu Penny, um etwas einzukaufen. Ja, jetzt ist der Spaß tatsächlich vorbei.

Später sitze ich in meiner kleinen Wohnung und freue mich schon auf Magdeburg und den Urlaub danach. Wo auch immer er mich hinführen wird.

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