Die Brasilianerin ist wieder da

Die Brasilianerin, die ich vor sechs Monaten betreut habe, ist zurück und wird dieses Mal von Jörg betreut. Da Jörg zum Bäcker ist, öffne ich ihr die Tür. Heute lässt sie tief blicken, was ich ganz entzückend finde. Nach der kurzen Begrüßung fragt sie, was ich hier in den letzten sechs Monaten so gemacht habe. Ich antworte, dass ich nur darauf gewartet habe, dass sie wiederkommt. Wir lächeln uns an, weil meine Antwort einfach großartig ist, dann verlasse ich das Büro. Das sind Momente, die ich mag. Besser kann man ein Gespräch kaum beenden.

Anstatt sich an ihrem Anblick zu erfreuen, leidet Jörg darunter, dass sie für einen Ausbildungsplatz seiner Meinung nach nicht geeignet ist. Sie muss Mitte der Woche zum Probearbeiten bei einem Zahnarzt, den Jörg kennt. Er sagt, da wird man nur einen Ausbildungsplatz bekommen, wenn man auch Licht am Fahrrad hat. Darum wird sie es nicht schaffen, da sie nicht die hellste Kerze auf der Torte ist. Und wenn sie da so angezogen ist, wie jetzt, dann braucht sie erst gar nicht dort hingehen. Ich kann mir ehrlich gesagt nicht vorstellen, dass sie so angezogen zum Probearbeiten geht, aber die Überzeugung und auch Abwertung, die Jörg gerade gegen die Brasilianerin präsentiert, bringen mich zum Nachdenken und ich bin ganz verwirrt, denn für mich war bis eben klar, dass sie den Ausbildungsplatz bekommt, wenn sie dort zur Probe arbeitet. Habe ich sie überschätzt, weil sie mir so gut gefällt? Schließlich hat Jörg sie gecoacht, während ich immer nur mit ihr gequatscht habe. Vielleicht ist sie doch dumm. Ich bin von Frauen ja oft schnell angetan, vielleicht trübt das mein Einschätzungsvermögen.

Zwei Tage nach dem Probearbeiten ist sie wieder da und trägt ein kurzes, dunkles Kleid, schulterfrei. Und dazu dieses Lächeln. Ich bin wieder ganz angetan und weil Jörg nicht da ist, darf sie mir folgen. Ich könnte einfach so hier sitzen und sie anschauen, aber das ist keine Option, also frage ich nach dem Probearbeiten. Es war toll, der Zahnarzt will sie einstellen, sie ist unsicher und zögert noch. Am Montag hat sie noch ein Probearbeiten in einer anderen Praxis. Sie erzählt vom Probearbeiten und dem Vorstellungsgespräch und fragt, was ich tun würde. Nach meiner großartigen Argumentation sagt sie zunächst das Probearbeiten ab, weil sie sich längst dagegen entschieden hat. Danach schreibt sie zur anderen Praxis, dass sie den Ausbildungsplatz annimmt und sich freut. Wenn doch nur alles so einfach wäre. Als sie sich verabschiedet fragt sie, ob sie mich unter der Nummer, die sie gespeichert hat, anrufen kann, wenn sie Fragen hat. Ich erkläre ihr, dass sie die Nummer von ihrem Coach gespeichert hat und ich nicht ihr Coach bin. Sie möchte aber lieber mich anrufen, wenn es etwas zu besprechen gibt. Da es ihr ausdrücklicher Wunsch ist, kann ich nicht ablehnen. Außerdem schmeichelt es mir, wenn ich jemandem vorgezogen werde. Das ist unreif, kann ich aber nicht ändern.

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