Das junge Pärchen nebenan

Die Männer-WG nebenan ist Geschichte. Letzten Monat wurde ein WG-Bewohner gegen eine junge Frau ausgetauscht. Ich bin grundsätzlich skeptisch, wenn sich etwas verändert und ich mich auf eine neue Situation einstellen muss. Daher weiß ich nicht, was ich davon halten soll, dass ich nun immer wieder die junge Frau lachen höre, verliebt glucksen und dem Mann täglich mehrfach “Hör auf” sagen höre, bevor sie wieder lacht und es scheinbar genießt von ihm geneckt zu werden. Alles direkt vor meinen Ohren. Die beiden lachen auch gemeinsam und haben selbst jetzt, nach fast einem Monat, den sie nun zusammen wohnen, immer noch Spaß. Ausgelassen und fröhlich versüßen sie sich den Tag, während ich alleine im Wohnzimmer sitze und den Fernseher anstarre. Manchmal liege ich auch im Bett und starre die Decke an, während die beiden Spaß haben. Zum Glück habe ich noch nichts gehört, was sich nach Sex anhört, denn das würde mich sicherlich vollends deprimieren. Eigentlich sollte ich derjenige sein, der Sex und Spaß hat und damit den Nachbarn auf die Nerven geht, aber irgendwie haben sich die Verhältnisse komplett geändert. Die jungen Menschen haben Spaß, während ich einfach nur verfalle. Wann hatte ich eigentlich zuletzt wirklich Spaß in dieser Wohnung? Wann habe ich damit aufgehört und warum? Ach ja, weil ich irgendwie mit allem aufgehört habe, was richtig Spaß macht. Fußball, Billard, Bowling, Kegeln, PS3 spielen, Sex, richtig albern sein, joggen, eine Frau zum Lachen bringen und was ein Mann halt sonst so tut, um Spaß zu haben. Alt bin ich geworden, gleichgültig, vielleicht einen Hauch resigniert. Während drüben schon wieder die junge Frau lacht, mache ich mir Gedanken über meine Zähne und diese verwirrende Situation mit meinen verliebten Nachbarn. Während junge Menschen Spaß haben, interessiert mich nur, was für einen Film ich als nächstes gucke. Immer öfter stelle ich fest, dass mir sonst immer mehr egal ist. Die Dinge ändern sich, ich habe mich verändert, die Luft ist längst raus, doch wirklich schlimm ist es auch wieder nicht. Nur eins will ich bitte nicht. Ich will niemals meine Nachbarn hören, wenn sie sich sexuell austoben. So weit bin ich noch nicht. Soweit werde ich nie sein.

Mitte November ist es, als ganz ohne Vorwarnung, ich bin gerade zu Bett gegangen, die junge Frau nebenan damit beginnt zu schimpfen, meckern, zetern. Ihre Stimme durchdringt mein Gehirn, doch was genau sie sagt, verstehe ich nicht, weil sie entweder in der Küche oder im Schlafzimmer außer sich ist. Den jungen Mann höre ich nicht, weshalb ich mich frage, ob sie vielleicht telefoniert oder einfach nur so schimpft. Das finde ich nach einer Weile allerdings unwahrscheinlich, weshalb ich davon ausgehe, dass der junge Mann ihren Unmut hervorgebracht hat und jetzt etwas zu hören bekommt. Ich weiß ja, dass wir Männer gelegentlich klare Ansagen von Frauen brauchen, damit wir wieder einigermaßen ordnungsgemäß funktionieren, aber das geht über mein erträgliches Maß heraus. Dieses zu lang andauernde Gemäcker geht mir rasch auf die Nerven, die Stimme der Frau wird zur Qual. Zu laut, zu schrill, zu prägnant. Unerotisch, abstoßend, zermürbend. Das will ich nicht hören, da bluten maximal meine Ohren von. Da wünscht man sich einen Schalter oder eine Fernbedienung um das abzuschalten. Spätestens jetzt würde ich flüchten aus der Beziehung, denn so etwas wiederholt sich meist und das kann keiner wollen. Ich will so etwas nicht einmal hören, wenn ich nicht selbst betroffen bin. Schrecklich.

Am nächsten Abend wird allerdings wieder gekichert und “Hör auf!” gesagt. Gelacht, gekichert und immer so fort. Vielleicht war der Mann gestern bei der Meckerei ja doch nicht anwesend. Wer weiß das schon? Die Stimme der Frau geht mir mit jedem Tag mehr auf die Nerven, dringt in meine Gehörgänge, wirbelt alles durcheinander und verschafft ein unangenehmes Gefühl in meinem Kopf. Ich will das nicht hören, das ist nicht nötig. So stopfe ich mit Ohrenstöpsel rein, um schlafen zu können. Dieses sich stets wiederholende Balzverhalten, diese junge Glückseligkeit, sind einfach zu viel für einen alternden Mann, der nur noch verfällt und schon lange keine Frau mehr richtig zum Lachen gebracht hat.

4 Kommentare

  1. Guten Morgen Dr. Schwein!
    Den letzten Satz können Sie getrost streichen, denn mit vielen Ihrer Texte bringen Sie sehr wohl eine Frau zum lachen!!
    Ihre bedenken und Gedanken zur Nachbarschaft kann ich sehr nachfühlen, hier ist ähnliches am Werk…

    • Na gut, dann bringen meine Texte eine Frau zum lachen. 🙂
      Vielleicht sollten alle Pärchen in speziellen Wohngebieten untergebracht werden.

      • Ja, gute Idee! Ab in die Brüllsiedlung mit extrastarken Wände!
        Es sind nicht nur junge Pärchen, die diese Anschreikultur pflegen.
        Hier wird sogar im Wechseljahrzeitalter solchiges betrieben. Ich dachte, dann werden die Gemüter ruhiger…

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