Nachdem ich zwei Monate nichts von ihr gehört habe, ruft die Brasilianerin an und fragt, ob sie zu uns kommen kann. Ich habe zwar gerade einen Teilnehmer hier, aber darauf kann ich keine Rücksicht nehmen. Also teile ich ihr mit, dass sie natürlich vorbeikommen kann. Sie fragt, ob ich schon gegessen habe. Wenn nicht, will sie etwas mitbringen. Da ich gerade gegessen habe, wird sie nichts mitbringen.
Wenig später ist sie dann auch schon da und sieht wieder brasilianisch gut aus. Eine kurze Jacke, ein T-Shirt mit tiefem Ausschnitt und eine Jeans mit ein paar Löchern trägt sie über ihrer leicht gebräunten Haut. Ich biete ihr einen Tee an, den sie gerne nimmt. Ich setze Teewasser auf und sie geht zur Toilette. Ich wundere mich, wo sie bleibt, und gehe in die Küche, als das Wasser kocht. Sie ist in der Küche, hat aufs Wasser gewartet und gießt es gerade auf. Großartig. Wir setzen uns in mein Büro und lassen den Teilnehmer seine Arbeit machen.
Sie hat viel zu erzählen, ich eher weniger. Alles ist wie immer. Gesundheitlich geht es ihr besser, aber nicht gut. Dafür läuft es im Job gut. Ihr Anblick gefällt mir auch weiterhin und ich bedauere, dass ich so alt bin, obwohl es niemandem helfen würde, wenn ich jünger wäre. Sie erzählt von ihrem Alltag: Arbeiten, nach Hause, schlafen, arbeiten. Gerne würde sie mehr unternehmen, aber sie hat niemanden. Als väterlicher Freund fällt mir dazu spontan nichts ein. Als nächstes zeigt sie mir Fotos ihres Neffen. Frisch geboren und ganz süß. Sie fragt, ob ich bei Instagram bin. Nachdem ich das bejahe, hält sie mir ihr Smartphone hin, damit ich meinen Namen eintippe. Danach schaut sie sich ein paar meiner Fotos an. Dass ich mich auf meinen Fotos stets kopflos präsentiere, findet sie irgendwie merkwürdig. Immerhin gefällt es ihr, dass die Fotos an verschiedenen Orten aufgenommen wurden.
Gleich muss sie nach Recklinghausen, möchte aber nicht allein fahren. Da ich gegen 16.00 Uhr Feierabend habe, könnten wir zusammen fahren, schlägt sie vor. Eine durchaus gute Idee, aber ich muss leider zur Werkstatt, um das Coupé abzuholen, so dass es nicht geht. Glücklicherweise hat sie ihre Jacke so positioniert, dass ein Blick in den Ausschnitt unmöglich ist. Das finde ich vernünftig, weil ich sonst vermutlich immer dorthin schauen würde. Das ist genetisch bedingt und kann mir nicht zum Vorwurf gemacht werden, aber so ist es besser.
Dann muss sie auch schon gehen. Da ich Anfang Juli Urlaub habe und sie im August Urlaub hat, wird sie sich nach ihrem Urlaub wieder melden. Als sie geht, holt sie eine Tafel Schokolade aus ihrer Tasche, die sie mir mitgebracht hat. Ich frage sie, warum sie mir immer was schenkt. „Weil Sie mir immer zuhören“, sagt sie. Das ist niedlich. Ich bringe sie noch zur Tür und ich glaube, eine Abschiedsumarmung wäre durchaus möglich, doch das wäre irgendwie unangemessen und daher gibt es keine Umarmung. Auch ohne Umarmung mag ich sie und freue mich, dass sie so gerne zu mir kommt. Wer hätte gedacht, dass ich mal für zwei junge, attraktive Frauen der väterliche Freund sein würde? Ich jedenfalls nicht. So viel Glück hat man nicht oft. Im Großen und Ganzen habe ich sowieso Glück mit Frauen aller Altersklassen. Und auch das ist nicht selbstverständlich.
Ich finde es immer ärgerlich, wenn man für die Frauen sowas wie ein Freund ist, aber jemand anders sie dann vögelt. Aber wahrscheinlich ist das so im Alter.
Ja. Das gehört wohl zur Entwicklung in Richtung Ende dazu. 🤷