Fünf Tage noch, um die Quote anzuheben. Fraglich, ob es mir gelingen wird.
Montag. Der Mann, der letzte Woche Mittwoch gefehlt hat, gibt mir die AU-Bescheinigung für den Fehltag. Auch hat er, wie vereinbart, bei zwei Unternehmen wegen einer Ausbildung nachgefragt. Man verstand ihn nicht, er verstand auch nichts, selbst ich werde aus seinen Ausführungen nicht schlau.
Dann zeigt er mir eine Mail, die er an zwei Unternehmen geschickt hat. Ich sage ihm, dass er das künftig bitte unterlässt und Bewerbungen nur noch gemeinsam mit den Coaches schreibt. Weil ich das ganze Durcheinander nicht verstehe, kläre ich das mit seinen Zeugnissen und der Anerkennung auch. Um den Termin für seine Sprachprüfung kümmere ich mich ebenfalls. Mit so einem Chaos kann ich nicht arbeiten, und delegieren bringt hier nichts. Vielleicht muss ich auch nur an meiner Ungeduld arbeiten. Aber nicht heute, heute wird das hier geregelt.
Später gebe ich einem neuen Teilnehmer den Namen Nackenmann. Ich könnte ihm auch einen anderen Namen geben, aber da er ständig über Nackenschmerzen klagt und seinen Kopf wie ein Vogel verdreht, bleibt es bei Nackenmann.
Dienstag. Der Teilnehmer, dem letzte Woche ein Stundenlohn von 14,53 € zu niedrig war, findet einen Stundenlohn von 16,16 € lächerlich, und rät einem anderen Teilnehmer, der 16,16 € für viel hält, davon ab, sich dort zu bewerben. Immerhin haben die beiden einen gewissen Unterhaltungswert.
Mittwoch. Ein Teilnehmer bringt seine Frau mit, da sie Fragen zu ihrer Bewerbung hat. Ich kann schlecht nein sagen kann, wenn man mich um Hilfe bittet. Keine Ahnung, was ich erwartet habe, aber sicher nicht, dass er eine so attraktive Frau hat. Besonders gut gefallen mir ihre Augen. Da präsentiere ich mich natürlich von meiner besten Seite. Attraktive Frauen finde ich toll.
Bei einem anderen Teilnehmer komme ich absolut nicht weiter. Er weiß nicht, was er beruflich machen will, und immer, wenn ich ihm etwas vorschlage, sagt er, dass er sich das anguckt. Selbst wenn die Antwort nicht passt, sagt er: „Ich schau’s mir an.“ Fragt man ihn, ob er irgendwas gefunden hat, antwortet er, dass er noch schaut. Schauen alleine hat noch nie zum Erfolg geführt. Ich bin ratlos, weiß nicht, wo ich ansetzen soll. Mir fällt nur der Sozialpsychiatrische Dienst ein. Ziemlich einfallslos. Ich weiß.
Ich werde es mit seiner IFK besprechen und Jörg fragen, wie er den Mann einschätzt. Wieder einmal stoße ich an meine Grenzen.
Einen Mann schicke ich zur Schuldnerberatung, weil es so nicht weitergehen kann mit ihm.
Der Nackenmann ist wieder sehr gesprächig. Er hatte offenbar mehr Ex-Freundinnen, als ich Frauen kenne. Zumindest klingt es so. Herrlich. Seine aktuelle Ex hat gestern angerufen, aber er ging nicht dran, weil er sonst schwach geworden wäre. Das möchte er nicht, und gibt folgenden Grund an: “Auf dem Weg nach oben zieht sie mich nur runter.” Allein für den Satz hätte er Applaus verdient.
Wie er da so sitzt, redet und seinen Kopf verdreht, erinnert er mich an Norbert Blüm, obwohl es gar nicht so viele Ähnlichkeiten gibt. Nackenmann Norbert. Eine Bewerbung versenden wir, voller Ideen steckt er. Ich soll ihm aber nicht sagen, dass manches nicht geht. Er will nicht demotiviert werden. Ich verspreche ihm, dass ich nur etwas sage, wenn es zu abstrus wird mit seinen Jobwünschen. Er ist wie eine kleine Unterhaltungsshow. Und klein ist er wirklich. Ich vergesse glatt, dass hier noch ein anderer Teilnehmer sitzt. Nacken-Norbert verlangt meine ganze Aufmerksamkeit. Ich bin sehr gespannt, wie es nächste Woche mit ihm weitergeht, wenn Jörg sein Coach wird. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Jörg die One-Man-Show auch so witzig findet.
Donnerstag. Der Teilnehmer, der 16,16 Uhr zu niedrig findet, holt Minibrötchen und bietet sie an. Ich nehme ein Mohnbrötchen und sage, dass ich seine heutige Verspätung nun aus dem Bericht lösche, weil ich bestechlich bin. Ich wiederhole das auch nochmal für die anderen Anwesenden, damit sie wissen, wie man bei mir Pluspunkte sammelt.
Während die drei sich unterhalten, erfahre ich, dass der Brötchenmann ein eigenes Haus in der Türkei hat. Kühe hat er auch. Es scheint ihm gut zu gehen. Als er mich auf 39 schätzt, sammelt er weitere Pluspunkte. Ein anderer schätzt mich auf 65. Dem sage ich, dass er gehen kann und auch nicht mehr wiederkommen braucht. Unverschämter Kerl.
Die Frau, die mich nicht als Coach wollte, hat sich in einen 18 Jahre jüngeren Mann verliebt. Der Brötchenmann gibt Beziehungstipps. Es werden Fotos herumgezeigt. Fast wie im Ferienlager. Vermutlich sollte ich den Unsinn unterbinden, aber mir gefallen die Gespräche. Wenn Jörg zurück ist, werden hier andere Seiten aufgezogen. Solchen Unsinn gibt es bei ihm nicht. Da greift er sofort ein. Was bin ich nur für ein Coach, dass ich nicht einschreite?
Der ungarische Teilnehmer, dem ich letzte Woche noch kurzfristig zu einem Arbeitsplatz verhelfen konnte, kommt vorbei und teilt mit, dass der Chef des Unternehmens, in dem er eingesetzt wurde, ihn heute nach Hause geschickt hat. Ich weise ihn darauf hin, dass er einen Vertrag mit dem Personaldienstleister hat und sich unverzüglich dort melden soll. Ich fürchte, das wird ihm auch nicht helfen.
Am Nachmittag geht das fröhliche Geplapper mit anderen Teilnehmern weiter. Wenn man schon die Quote in den Keller drückt, dann sollte man wenigstens Spaß dabei haben.
Freitag. Dem Teilnehmer mit den elf Kindern schreibe ich die Kündigung, obwohl Jörg sicher war, ihn zum Nachdenken gebracht zu haben. Ich hatte nach Jörgs Rede meine Zweifel, aber da ich mich oft irre, habe ich nichts gesagt. Nach der Ansprache kam der Mann nie wieder. Nun ist er raus. Gut für ihn, schlecht für die Quote.
Drei von mir Betreute scheiden ebenfalls aus, weil ihre Zeit abgelaufen ist und ich sie nicht vermitteln konnte. Ich könnte nun natürlich argumentieren, dass einer noch nie gearbeitet hat und wohl auch nicht arbeitsfähig ist. Oder dass einer seit Jahren einen Minijob macht und daran nichts ändern will. Oder dass eine Teilnehmerin zunächst mit einem Minijob begonnen hat, der eventuell aufgestockt wird. Aber das wären nur Ausreden. Fakt ist, dass ich die Quote auf 38,98 % gesenkt habe. Fakt ist: Ich habe die Quote auf 38,98 % gesenkt. Die Mindestquote von 35 % ist nicht mehr weit.
Und es spricht nicht für mich, dass die Quote fast immer sinkt, wenn Jörg Urlaub hat. Es wird nicht mehr lange dauern, bis es dazu eine Mail der Chefin gibt, die Erklärungen für unser, also mein Versagen verlangt. Nur gut, dass ich bald zwei Wochen Urlaub habe. Vielleicht hebt Jörg die Quote dann ein wenig an. Ansonsten könnte es ungemütlich werden.
Gegen Mittag besucht mich die neue Teilnehmerin aus der Ukraine. 31 Jahre, ein schöner Anblick. Wie ich es Jörg schon vor Monaten versprochen habe, wird sie seine Teilnehmerin. Da wird er sicher aus dem Häuschen sein und sich freuen, wenn sie nächste Woche zu ihm kommt. Ich werde da schon im Urlaub sein und seine Freude leider erst nach meiner Rückkehr mitbekommen. Fast schade, aber unvermeidbar.
Kaum ist sie weg, steht die nächste attraktive Frau vor der Tür: die Brasilianerin. Sie hat Donuts mitgebracht, da ich gerade Pause habe. Ich finde das ganz entzückend. Immer bringt sie etwas mit. Zu den Donuts serviere ich Tee. Sie erzählt viel und sieht dabei so gut aus, wie Männer sich eine 25-jährige Brasilianerin vorstellen. Nachdem sie zum zweiten Mal erwähnt, dass sie am Wochenende noch nichts vorhat, schlage ich vor, dass wir morgen essen gehen, weil ich das ja während meiner Reha angekündigt hatte. Sie ist einverstanden. Alles andere hätte mich auch gewundert.
Ich mag es, dass ich immer wieder mit interessanten und attraktiven Frauen Zeit verbringen darf. Selbst meine miserable Frisur schreckt die Frauen offensichtlich nicht ab.
Heute amüsiert sie sich darüber, dass Jörg es wohl nicht so toll fand, dass sie immer nur nach mir fragte, wenn er ihr die Tür geöffnet hat. Ich kann ihn gut verstehen, aber ich finde es großartig. Ich kann auch nichts dafür, dass ich so großartig bin. Auch dieser Satz spiegelt meine gelegentliche Überheblichkeit wider. Was hätte ich nur für ein geiler Typ werden können, wenn ich nicht so einen an der Waffel hätte? Nicht auszudenken.
Noch ein Arbeitstag bis zum Urlaub. Wenn ich Quotenkiller weg bin, geht es sicher wieder bergauf, und die Quote sollte bei meiner Rückkehr wieder über 40 % sein. Alles andere würde mich sehr wundern.
Der Dienstag erschüttert mich noch als letzte Woche. Was ist da los?
Sinnierte beim Lesen über die Brasilianerin und schon folgte ihr Auftritt. Bunte Streusel sind ganz entzückend.
Vielleicht hast Du keinen an der Waffel und es ist einfach großartig (<- das gefühlt in letzter Zeit häufigste Wort übrigens).
Da kennt einer seinen Wert. 😉
Warum sinniertest Du über die Brasilianerin?
Vielleicht sollte ich auch nur öfter Waffeln essen. 🧇
Ich sollte echt über einen Lebenswandel nachdenken.
Die habe ich nach der langen Zeit in der Erzählung vermisst.
Da habe ich Dir heute 2 🧇 voraus. 😎
Ein guter Lebenswandel ist was feines.
Zum Glück ist sie wieder aufgetaucht. 🙃
Zwei 🧇 esse ich im halben Jahr. So ungefähr.