Automatisierungstechniker

26. Oktober 1995. Beginn meiner Fortbildung zum Automatisierungstechniker. Zu dem Zeitpunkt kann ich noch nicht ahnen, dass damit meine Karriere als Arbeitsloser, der regelmäßig irgendwelche Schulungsmaßnahmen vom Arbeitsamt zu absolvieren hat, beginnt.

Die Mitschüler und die Unterrichtsinhalte sind alles andere als nach meinem Geschmack, und so dauert es nicht lange, bis es den ersten ärger gibt. Zunächst sind es nur ein paar Mitschüler, denen ich tierisch auf die Nerven gehe. Später sind einige Mitarbeiter der Firma, welche uns unterrichten müssen, von meinem ständigen Gemecker total genervt und zum Schluss hat selbst der Chef die Nase dermaßen voll von mir, dass er mich vom Unterricht ausschließen will. Aber der Reihe nach.

In den ersten drei Monaten ist noch alles recht harmlos. Wir haben einen kompetenten Lehrer und der Unterricht läuft einigermaßen organisiert und sinnvoll ab. Nach etwa drei Monaten wird unser Lehrer allerdings irgendwo im Betrieb benötigt und deshalb vom Unterricht abgezogen. Für ihn stellt die Firma einen Polen ein, der weder richtig Deutsch kann, noch je zuvor als Lehrer gearbeitet hat. Leider merkt man ihm beides sehr schnell an. Da ich mich leider oftmals nicht unter Kontrolle habe, fange ich an, mich über diesen Lehrer zu beschweren. Ich beschimpfe den Chef, dass er nur Kohle verdienen will mit dem Kurs und es ihm völlig egal sei, einen unfähigen Lehrer eingestellt zu haben, Hauptsache, er macht seine Kohle. Anfangs lässt er mich meckern, doch da ich von Tag zu Tag unerträglicher werde, sagt er mir eines Tages, dass er mich am nächsten Tag nicht mehr sehen will und ich mich beim Arbeitsamt melden soll, um dort mitzuteilen, dass ich im Unterricht nicht länger erwünscht sei. Ich finde seinen Vorschlag völlig behindert, weshalb ich ihm mitteile, dass er mir das schriftlich mitteilen müsse, ansonsten werde ich am nächsten Tag wieder da sein. Er reagiert nicht wirklich auf meinen Vorschlag.

Am nächsten Tag sitze ich, wie versprochen, wieder im Unterricht und meckere weiter. So kommt es, dass ich zum Chef zitiert werde. Er erklärt mir, dass mein Verhalten nicht länger zu ertragen sei, und dass ich, wenn ich nicht unverzüglich mit dem Blödsinn aufhöre, aus dem Kurs geworfen werde. Da ich ein netter Mensch bin und weiß, dass ich kurz davor bin zu weit zu gehen, erkläre ich mich damit einverstanden, mich bis zum Ende des Kurses etwas zurück zu halten. Am Ende sind der Chef und ich zufrieden mit dem Verlauf des Gesprächs. Fortan meckere ich weniger über den unfähigen Lehrer und den beschissenen Unterricht, stattdessen beleidige ich meine Mitschüler ein wenig mehr. Die haben es auch nicht besser verdient. Zwischendurch will der Chef mich immer wieder mal testen, und so habe ich während des Praktikums das Vergnügen, nur Scheißarbeiten, von denen ich nicht die geringste Ahnung habe, aufs Auge gedrückt zu bekommen. Ich schimpfe wie ein Rohrspatz, finde es aber irgendwie auch korrekt, wie der Chef mich behandelt, um mir zu zeigen, wer der Boss ist. Glücklicherweise bin ich nicht zu allen Mitschülern schlecht und so habe ich das Glück, mit jemandem zusammenarbeiten zu dürfen, der die Scheißarbeit für mich erledigt. Ich kann manchmal echt toll delegieren.

Während des Praktikums leiste ich allerdings sogar etwas Großartiges. Ich überzeuge einen Mitschüler davon, dass es nicht gut für ihn wäre, alles hinzuschmeißen und dafür mit einer Sperre vom Arbeitsamt belegt zu werden. Er ist zunächst nicht davon zu überzeugen, doch als ich ihm verspreche, dass wir zusammen arbeiten und ich mich um ihn kümmere, ist er bereit den Kurs bis zum Ende durchzustehen. Manchmal bin ich ein feiner Kerl.

Wir haben sogar einen echten Alkoholiker im Kurs. Anfangs hält er sich noch zurück, später verliert er allerdings mehr und mehr die Kontrolle über seinen Alkoholkonsum. Einmal fällt er ein paar Meter vor der Schule um und kann von uns nicht geweckt werden. Wir bestellen daraufhin einen Krankenwagen für ihn. Diese Aktion führt dazu, dass unser Alki aus dem Kurs geworfen werden soll. Als einige von uns dagegen protestieren, überlässt der Chef uns die Entscheidung darüber, ob unser Alki bei uns bleiben darf. Nach einer kurzen Diskussion können wir alle davon überzeugen, dass wir mit dem Besoffski weiter machen. Dieser bedankt sich herzlich bei uns, und ich fühle mich wie ein Samariter, der etwas Brillantes geleistet hat.

Als der Kurs am 22. August 1996 zu Ende geht, bin ich sehr erleichtert. Ich bekomme ein wundervolles Zertifikat mit hervorragenden Noten. Elektronische Datenverarbeitung: ausreichend, Automatisierungstechnik: ausreichend, Mess- und Regeltechnik: ungenügend. Besser als gedacht. Dass ich mit diesem Zertifikat keinen Job bekommen werde, beunruhigt mich in keiner Weise, denn diese Art von Job ist sowieso nicht für mich gemacht.

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