Januar 2010

Intermission
Tag 4 im Jahr 2010. Da ich meine früheren Mitbewohner am Samstag dazu gebracht habe, mir Lebensmittel zu bringen, musste ich in diesem Jahr noch nicht einmal vor die Tür. So ist heute bereits der vierte Tag meiner Isolation.
Dass das Telefon hin und wieder klingelt, ignoriere ich. Ich bin nicht in der Stimmung, mich zu unterhalten. Ich schaffe täglich drei Filme und ernähre mich vor allem abends von Süßigkeiten. Dazu trinke ich Weinbrand, Jägermeister oder Pflaumenschnaps. Früher habe ich so etwas nicht getrunken. Aber früher ist lange vorbei. Ich bin jetzt Erwachsen und darf das. Mit zunehmendem Alter darf man nämlich eine ganze Menge, was man früher nicht durfte.
Die vielen Süßigkeiten und der akute Bewegungsmangel verschaffen mir jeden Abend eine gewisse Übelkeit. Doch darauf kann ich keine Rücksicht nehmen. Es ist Winter, es ist kalt und es hat geschneit. Somit habe ich keine andere Wahl als in der Wohnung zu verweilen. Doch um mir nicht vorzuwerfen, dass ich gar nichts tue, produziere ich Samstagnacht eine Schneekugel und stelle sie in eine Ecke meines Balkons.
Sonntagabend stelle ich zwei weitere Kugeln auf die erste Kugel. Seitdem bin ich nicht mehr alleine, sondern habe einen blinden und tauben Freund auf meinem Balkon stehen. Leider kann ich mich nicht so viel um ihn kümmern, da es mir auf dem Balkon zu kalt ist. Der Versuch ihm Augen, Nase und Mund zu spendieren, scheitert an meiner Passivität. Ich denke, nein, ich hoffe, er kommt auch ohne ganz gut zurecht. Es gibt ja auch Menschen, die ohne Verstand zurecht kommen. Da er sich bisher nicht beklagt hat, gehe ich davon aus, dass er mir zustimmt. Außerdem sieht er so aus als würde er auch ohne Mund lächeln.
Wenn ich meinen neuen Freund nicht beobachte, genieße ich die Aussicht. Schneebedeckt sieht alles irgendwie ganz freundlich aus. Man wird förmlich zu einem Spaziergang eingeladen. Ich nehme allerdings derzeit keine Einladungen an. Und so gehe ich an meinen Schrank und nehme die DVDs für mein abendliches Filmprogramm heraus. Kann ein Jahr schöner beginnen? Wohl kaum.


Jobs Jobs Jobs
Mein Vater liebt es, im Lüner Anzeiger nach Jobs für mich zu suchen. Seine Lieblings-Stellenanzeige, die er mir fast jede Woche vorlegt, ist eine Anzeige von dem Finanzunternehmen, bei welchem ich schon eine deftige Karriere hinter mir habe. Wegen dieser grandiosen Karriere, erkläre ich meinem Vater regelmäßig, dass das Angebot Scheiße ist. Doch so leicht gibt mein Vater nicht auf, denn der Stellenmarkt hat so viel mehr zu bieten, weshalb er mit gleich vier weitere Stellenanzeigen für mich rausgesucht hat. All diese Angebote klingen so verlockend, dass mein Vater ganz angetan ist. Um ihm zu beweisen, dass derartige Jobs nur Blödsinn sind, nicht nur, weil nie ein Firmenname aufgeführt ist und die Jobbeschreibungen durchaus als schwammig bezeichnet werden können, erkläre ich mich bereit alle angegeben Telefonnummern unverzüglich anzurufen. So soll er erkennen, dass das alles Schwachsinn ist und seine Euphorie vollkommen unbegründet.

Angebot 1 ist von einem Unternehmen, welches Außendienstmitarbeiter sucht, die zu Kunden fahren und in deren Wohnungen den Renovierungs- bzw. Sanierungsbedarf ermitteln. Und je mehr man den Kunden verkauft, desto mehr verdient man. Natürlich wird auch ein Festgehalt bezahlt. Das ist allerdings Verhandlungssache und kann nicht am Telefon besprochen werden. Und da ich nicht vorhabe vorbeizukommen, werde ich wohl nie erfahren, welch immense Summen mir da durch die Lappen gehen.
Angebot 2 stammt von einem Personalbüro. Da ich zu spät anrufe, ist die Stelle schon besetzt. Sofort bin ich irgendwie beleidigt und traurig. Das war bestimmt der Topjob unter der heutigen Auswahl, denn sonst wäre der Job nicht so schnell weg gewesen.
Angebot 3 stammt von einem Marketingunternehmen, das für die Telekom arbeitet und Mitarbeiter sucht, die Kunden anrufen, um zu fragen, ob diese mit den Leistungen der Telekom zufrieden sind und eventuell andere Dienstleistungen zukaufen möchten. Meine Frage, ob es sich um Kaltakquise handelt wird bejaht. Ich sage dem Mann, dass Kaltakquise völlig daneben ist und dass ich den Blödsinn während meiner Karriere als Finanzberaterassistent schon gemacht habe. Daraufhin versucht er mir zu erklären, dass es etwas ganz anderes sei, da die Telekom … . Ich unterbreche ihn und verabschiede mich.
Angebot 4 hat etwas mit Kundenbetreuung zu tun. Da bin ich natürlich überrascht als ich das erfahre. Am Telefon sollen die Mitarbeiter den Leuten andere Stromanbieter, andere Energieversorger und großartige Bankangebote machen. Quasi ein Allroundunternehmen. Ich stelle nur eine Frage: “Kaltakquise?! – “Ja.” – “Nein, danke. Tschüss.”

Das hat sich gelohnt und war sehr unterhaltsam. Ich freue mich schon auf die nächsten Stellenanzeigen, die mir mein Vater, der nun allerdings etwas desillusioniert zu sein scheint, geben wird. Dieses Jahr wird bestimmt noch Karriere gemacht.


Die Wunderkapuze
Es ist etwa dreißig Jahre her, dass ich zuletzt eine wärmende Kopfbedeckung trug. Kopfbedeckungen machen meiner Meinung nach nämlich Frisur und Optik kaputt. Doch da ich weder eine Frisur noch eine gute Optik besitze, habe ich somit dreißig Jahre völlig umsonst im Winter gelitten. Damit ist jetzt Schluss. Ich schraube meine Kapuze an meine warme Jacke, setze sie auf und verlasse die Wohnung. Das Abenteuer hat begonnen. Und die Kapuze ist in der Tat ein Teufelsding. Sie sorgt nicht nur für ein angenehmes Kopfklima und hält mein Haupt trocken, sie kann noch viel mehr. Sie macht mich unkenntlich und teilweise sogar unsichtbar. Nachbarn, alte Bekannte und andere Leute, die mich seit Jahren kennen, kennen mich plötzlich nicht mehr. Manche starren mich an, doch sie grüßen nicht. Wenn ich grüße, werde ich zwar zurück gegrüßt, das jedoch nur aus reiner Höflichkeit und nicht, weil man mich erkennt. Verblüffend, was so eine Kapuze für eine Macht hat. Ich denke ernsthaft über einen Banküberfall nach. Mich erkennt ja keiner. Nur schade, dass die Banken heute geschlossen haben. Was mich allerdings ein wenig irritiert ist die Tatsache, dass die Kapuze mich scheinbar zu einem anderen Menschen macht. Nicht wegen der Gedanken an einen Banküberfall, die habe ich öfter, nein, die Kapuze muss mich optisch dermaßen verändern, dass mich ständig Leute grüßen, die mir gänzlich unbekannt sind. Vielleicht sollte ich mit der Kapuze ein neues Leben beginnen. Einfach nochmal ganz von vorne anfangen. Und Erfolg haben. Kaum denke ich über einen Neuanfang mit der Kapuze nach, scheint die Kapuze etwas dagegen zu haben und macht mich unsichtbar. Dummerweise fällt mir das nicht auf und so überquere ich bei grün eine Straße und werde fast überfahren. Nur wenige Zentimeter Luft bleiben zwischen mir und dem Fahrzeug. Erstaunlicherweise lässt mich das völlig kalt. Scheinbar macht die Kapuze mich auch gelassen. Doch ist diese Gelassenheit, gepaart mit den anderen tollen Eigenschaften der Kapuze, die Gefahr der vorübergehenden Unsichtbarkeit wirklich wert? Schließlich scheint die Kapuze darüber zu bestimmen, wann ich unsichtbar bin und wann nicht. Was, wenn mir beim nächsten Mal keine Zentimeter Luft zum Überleben bleiben und ich einfach so überfahren werde? Will ich wirklich ein unsichtbarer, aber vollkommen gelassener Überrollter sein? Nein, ich denke es wird keinen Neuanfang für mich geben. Zumindest nicht mit dieser Kapuze.
Kaum zu Hause angekommen schraube ich die Kapuze von der Jacke ab und lege sie in die hintere Ecke meines Kleiderschrankes. In Zukunft werde ich wieder ohne Kopfbedeckung durch die Gegend spazieren. Mindestens dreißig Jahre lang.


Chance des Lebens verpasst
Da habe ich die Chance, endlich Geld zu verdienen und mein armseliges Leben zu beenden und was mache ich? Ich werfe sie in der von mir bekannten Großzügigkeit einfach zum Fenster raus. Was bin ich nur für ein dummer, arbeitsloser Haufen Scheiße? Aber der Reihe nach. Mein alter Ausgehkumpel Sam, der nicht unbedingt viel von mir hält, hat eine Firma gegründet und sucht jemanden, der Zeit hat und Geld braucht, um die Firma auf den Weg zu bringen bzw. erste Aufträge einzuholen. Da ich ein kompliziert denkender, verkorkster Mensch bin, bin ich skeptisch, mache nichts, verfalle in eine Art Totenstarre und warte erst mal ab. Nach ein paar Tagen erhalte ich folgende Mail von ihm:

Da Du ja nichts zu tun hast, könntest Du Dir evtl. auch mal Gedanken über die Firma machen.

Wir müssen noch Briefpapier haben, Internetseite und ähnliches.

Evtl. könntest Du Dir hier auch ein Büro einrichten. Unter mailto:xxx@xxx.com gibt es Ausschreibungen die bearbeitet werden müssen.

Musst Du Dir mal überlegen ob das was für Dich ist.

Geld kannst Du allerdings erst verdienen wenn wir Erfolg haben.

Startkosten übernehme ich natürlich alle.

Weil ich mit den angegebenen Informationen nicht wirklich zufrieden bin, antworte ich auf die Mail in altbekannter Art und Weise:

Hallo,

nun, zunächst einmal müsste ich einen Link haben und keine e-Mailadresse, dann könnte ich nach den Ausschreibungen gucken. Ob das etwas für mich ist oder nicht, kann ich dann eher sagen.

Die Frage ist natürlich, wie viel Geld sich damit verdienen lässt und wie viel Zeit vorher reingesteckt werden muss. Schließlich arbeitet heutzutage niemand mehr umsonst.

Das Briefpapier wird sich aus der Internetseite ergeben, denke ich. Die Internetseite kann ich natürlich nicht kostenlos machen. Das fällt unter Startkosten und kostet 400€. Musst Du Dir überlegen, ob das okay ist oder ob Du jemanden kennst, der das günstiger macht.

Meine Mail bringt mir nicht die notwendigen Informationen, sondern die erwartete Reaktion:

Du hast recht, niemand arbeitet mehr umsonst.

Aber Du hast in Deinem Leben noch nie gearbeitet und denkst so kleinkariert. Als wenn Du irgendetwas zu verlieren hast.

Da teilst Du lieber Prospekte aus…. Oder gammelst vor Dich hin

Ich habe mit einem Kumpel (ist auch Arbeitslos) den ersten Auftrag mit der xxx abgewickelt. Wir haben Hydranten gewechselt.

Auftrag war von der xxx. 15.000,00 €

Nach Abzug von allem sind uns 7.800,00 € übrig geblieben. Da es ein Einzelunternehmen ist, werden keine weiteren Steuern abgezogen.

1000 € sind auf dem Konto geblieben. 3.400,00 € hat jeder bekommen. Jetzt bieten wir rausreißen von Dämmwolle an einer Schule an.

Da er sofort Einsatz gezeigt hat, möchte ich die nächsten Projekte erst mal mit ihm weitermachen.
xxx, kennst Du glaube ich auch.

Bezgl. der HP melde ich mich noch mal. Rechnungen kannst Du noch nicht schreiben oder?

Wann gehen wir mal Mittwochs ins ??? (alternative zum FZW)

Nun habe ich es schriftlich. Ich bin kleinkariert, faul und gammle einfach so dahin. Vielleicht rieche ich deshalb manchmal nach Gammelfleisch. Ich fand unsere Kommunikation, was meine Einstellung zur Arbeit angeht, schon immer sehr erquickend. Und die hohe Meinung, die er von mir hat, war mir auch schon bekannt. Hätte ich doch nur eine andere Einstellung, dann hätte ich mittlerweile ganz viel Geld und könnte mir fast alle Wünsche für 2010 erfüllen. Jeder kann sich jetzt sicher vorstellen, wie sehr ich mich für meine nicht vorhandene Arbeitsmoral verachte. Ein weiterer Beweis dafür, dass ich da bin, wo ich hingehöre. Um die Anschuldigungen und seine hohe Meinung von mir zu bestätigen, antworte ich folgendes:

Holla,

ich denke, kleinkariert ist an dieser Stelle nicht das richtige Wort. Verqueres Verhalten oder Borniertheit würde ich bevorzugen.

Nichtsdestotrotz freut es mich, dass Du scheinbar das richtige Händchen gehabt hast und Deine neue Firma ein Erfolg zu werden scheint. Ist doch prima, dass xxx passt.

Der Name kommt mir bekannt vor, kann ihn aber nicht wirklich zuordnen.

Natürlich kann ich keine Rechnungen schreiben. Bin doch kein Geschäftsmann.

Wo man anstatt des FZW am Mittwoch hingehen kann, weiß ich noch nicht. Das Strobels war ja nicht wirklich überzeugend. Ist gar nicht so einfach einen passenden Laden zu finden. Hast Du Ideen?

Es tut mir so leid, dass ich ein solch hoffnungsloser Fall bin. Ich werde bei Gelegenheit mal ernsthaft darüber nachdenken. Aber nicht jetzt. Jetzt muss ich mir ein kleines, kariertes Sofa bestellen, um dort standesgemäß kleinkariert vor mich hinzugammeln. Ist das Leben nicht schön? Und dabei obendrein noch so vorhersehbar.


Das Geld muss raus
Da ich meine Zähne nicht genügend pflege, sitze ich erneut beim Zahnarzt. Zwei über zwanzig Jahre alte Füllungen sind nicht mehr akzeptabel und müssen gegen etwas Modernes ausgetauscht werden. Da ich mich nicht für die Materialien, die von der Krankenkasse bezahlt werden, begeistern kann, lasse ich etwas einbauen, was eine geringe Zuzahlung erfordert. Ich rechne mit sechzig bis siebzig Euro. Doch rechnen war noch nie meine Stärke und so erhalte ich eine Rechnung, die trotz Nachlass, leicht darüber liegt. Aber zum Glück wirklich nur ganz knapp. Der von mir zu zahlende Betrag beläuft sich auf 108 Euro. Das ist wirklich nicht viel für einen Arbeitslosen. Und wenn ich bedenke, dass ich im letzten Jahr über 2000 Euro für Zahnrenovierungen bezahlt habe, dann ist der Betrag wirklich nicht der Rede wert. Zusammen mit den anderen Kosten, die der Januar so mit sich bringt, kann ich mich echt nicht beklagen. Schließlich kann ich nun bis mindestens Ende Februar zu Hause bleiben und muss die Wohnung nicht mehr verlassen. Es sei denn, irgendwer ist so bescheuert mir Geld zu spenden oder einen Job, den ich aber natürlich ablehnen werde, anzubieten. Dennoch ist der Gedanke, irgendwann tatsächlich arbeiten zu müssen, ein furchtbarer Gedanke, könnte es doch bedeuten, dass ich dann gezwungen wäre, meine gemütliche, zugegeben etwas kalte Wohnung, verlassen zu müssen und täglich etwas zu tun, was mir so gar nicht behagt. Doch Glücklicherweise habe ich es in den letzten Tagen perfektioniert, lukrative Jobangebote eiskalt abzulehnen. So kann ich sicher auch in Zukunft zu Hause und ganz ich selbst bleiben.
Sollte ich im März wieder etwas Geld übrig haben, gehe ich erneut zum Zahnarzt. Der kann sicher mehr mit meinem Geld anfangen als ich. Und noch einen Vorteil hat diese ganze Zahnarztbesucherei. Nie waren meine Zähne schöner. Und ich denke, sie können sogar noch schöner werden. Ich wusste doch, dass das Jahr 2010 gigantisch geil werden wird. Der Anfang ist jedenfalls gemacht.


Arme
Zum ersten Mal sehe ich beim Training jemanden, der keine Frau ist und trotzdem dünnere Arme hat als ich. Doch als ich sehe, dass er mit den dünnen Armen bei jeder Übung mindestens 50% höhere Gewichte stemmt als ich, bin ich entsetzt. Wieso können meine Arme das nicht? Als ich mir meine Oberarme genauer anschaue, stelle ich fest, dass sie, wenn sie weniger Haare hätten und an einer Frau angebracht wären, recht sexy wären. Dummerweise gehören sie aber zu keinem Frauenkörper, sondern zu mir. Irgendwie habe ich das Gefühl, dass mich das Training heute deprimiert. Schnell weg hier, bevor ich anfange zu weinen.


Ein weiteres Treffen mit Luisa
Sonntag, 17. Januar 2010. Ich sitze mit Luisa im Las Salinas und bin zufrieden. Gleich der erste Ausflug des Jahres findet mit einer attraktiven jungen Frau statt. Ich wusste doch, dass dieses Jahr super wird.
Luisa ist nicht nur attraktiv, sie ist auch keineswegs langweilig oder nervig, was es sehr angenehm macht, Zeit mit ihr zu verbringen. Sie hat immer was zu erzählen und es ist nichts dabei, wovon einem schlecht wird oder was einen einschläfert. Sehr interessant. So gefällt mir das. Ich habe allerdings das Gefühl, dass ich heute irgendwie nicht in Topform bin. Ich sollte wieder öfter weggehen, denn ich bin irgendwie eingerostet und finde mich langweilig. Luisa scheinbar auch. Und so ist es wenig verwunderlich, dass sie gegen 22.00 Uhr ihr Glas Cola in meine Richtung umstößt. Vermutlich irgendein Wink mit dem Zaunpfahl. Während ich überlege, wie ich etwas unterhaltsamer werden kann, betrachte ich sie und bin ganz angetan. Wäre ich fünfzehn Jahre jünger, wäre sie was für mich. Doch vor fünfzehn Jahren, so viel steht fest, wäre ich nichts für sie gewesen und heute bin ich viel zu alt. Vor fünfzehn Jahren haben derart attraktive Frauen nicht einmal mit mir gesprochen, was ich gerade sehr bedauere. Andererseits sitze ich nun hier mit ihr, wir verstehen uns, ich darf sie anschauen und fühle mich gut. Vielleicht besteht ja die Möglichkeit, dass wir öfter ausgehen. Vielleicht schaffe ich es irgendwann noch, unterhaltsamer zu werden. Während ich meinen Gedanken freien Lauf lasse, ist die Cola aufgewischt und wir setzen unsere Unterhaltung fort.
Gegen 23.20 Uhr ist es Zeit zu gehen. Da ich es auch heute unangebracht finde, sie mit der Straßenbahn nach Hause fahren zu lassen, fahre ich sie natürlich nach Hause. Weil eine Ausfahrt gesperrt ist, müssen wir einen Umweg fahren und so habe ich die Gelegenheit mich zu verfahren und die Zeit mit Luisa zu verlängern. Passend zur Stadtrundfahrt zeigt die Tankanzeige an, dass ich tanken sollte. Doch dafür habe ich jetzt keine Zeit, ich muss Luisa zeigen, wo der Zoo ist, welch schöne Orte es in der Umgebung gibt und ihr beweisen, dass ich ein erstklassiger Chauffeur bin. Ich hoffe, sie ist schwer beeindruckt von der nächtlichen Stadtrundfahrt.
Nachdem alle Sehenswürdigkeiten angefahren wurden, setze ich sie zu Hause ab. Sie steigt aus und ich bin noch immer ganz angetan von ihr. Warum nur bin ich so alt und sie so jung? Bevor ich wirklich traurig werde, nehme ich die Banane aus dem Seitenfach, schäle sie, beiße rein und genieße die Heimfahrt. Ich bin zufrieden und hatte einen guten Abend.


Avatar
Mittwoch. 19.15 Uhr. Da es der Film des Jahres sein soll und bisher noch keiner den Film nicht gut fand, sitze ich mit Petra im Kino und kann es kaum erwarten, dass der Film beginnt und hoffentlich bald vorbei ist, denn außer den 3D-Effekten interessiert mich Avatar nicht wirklich. Schon allein der Gedanke, mindestens drei Stunden im Kino zu sitzen, ist mir unangenehm. Wenn ich an die komischen blauen Viecher denke, die in dem Film eine große Rolle spielen, bin ich vollends deprimiert. Die sehen dermaßen unsympathisch aus, dass ich mich frage, wie ich das aushalten soll. Blöde Blauköpfe. Wenn ich jetzt noch bedenke, dass der Spaß 11,10€ für den Film und 2,60€ für ein V+ gekostet hat und hier neben mir überall fremde Leute sitzen, die ich nicht kennen möchte, wird mir schlecht.
Brille auf, der Film beginnt. Nach kurzer Zeit tauchen die ersten blauen Plattnasen auf. Wie kommt man nur auf solche Ideen? Wider Erwarten vergeht die Zeit dann doch recht schnell. Plötzlich geht das Licht mitten im Film an. Pause. Meine erste Kinopause. Und Zeit für ein erstes Fazit. Bisher ein guter Film, abgesehen von den blauen Plattnasen und den nicht immer überzeugenden 3D-Aufnahmen. Ich finde das Bild manchmal etwas unscharf und die 3D-Effekte nicht immer überzeugend. Außerdem wirkt vieles dadurch künstlicher und die Brillen verdunkeln meiner Meinung nach das Bild etwas zu sehr. In der Pause kippt eine Frau um. Ich vermute, dass sie von den vielen 3D-Effekten umgefallen ist. Petra meint, dass sie vermutlich zu wenig getrunken hat und deshalb umgefallen ist. Finde ich unlogisch, dann einfach umzufallen, weil sie so noch länger auf etwas zu trinken warten muss. Nach ein paar Minuten steht sie plötzlich wieder auf. Vermutlich hat sie nur ein spontanes Nickerchen gemacht, um verloren gegangene Energien aufzutanken. Als ich nach der Pause zurück auf meinen Platz gehe, trete ich einer Frau auf den Fuß. Warum macht sie auch keinen Platz, wenn ich vorbei will? Auch die zweite Hälfte des Films ist gelungen. Das ist schade, hatte ich doch gehofft, dass ich der Erste sein könnte, der unzufrieden ist. Selbst an die blauen Plattnasen habe ich mich inzwischen gewöhnt. Aber begeistern können die mich nicht, die großen, blauen Plattnasen. Ich hoffe, dass der 3D-Wahnsinn im Kino bleibt und nicht eines Tages in jedem Haushalt Einzug hält. Zumindest nicht mit diesen Brillen. Warum müssen Brillenträger eigentlich zwei Brillen tragen, um die Filme in 3D genießen zu können? Das finde ich etwas unangemessen und optisch wenig überzeugend.


Die Frau(en?) im gelben VW Beetle
Als ich so die Straße entlang schlendere kommt mir ein gelber VW Beetle entgegen. Es ist der Wagen der Frau, die ich letztes Jahr im Fitnessstudio angelächelt habe. Ich schaue genau hin. Sie sitzt auf dem Beifahrersitz. Auf dem Fahrersitz sitzt sie allerdings auch. Ich bin verwirrt. Was ist denn nun los? Auf dem Beifahrersitz sieht sie entzückend aus. Auf dem Fahrersitz irgendwie älter. Gibt es sie zweimal? Sind das Geschwister? Mutter und Tochter? Lesben, die sich ähnlich sehen? Können die nicht kurz stehen bleiben und es mir erklären oder mir wenigstens Zeit geben genau hinzusehen? So geht das nicht. Welche ist denn nun die Frau, die ich im Fitnessstudio sah? Ich tippe auf die Beifahrerin, zumindest wünsche ich es mir, aber wie kann ich mir sicher sein? Müsste nicht sie auf dem Fahrersitz sitzen, wenn sie es ist? Beide können es jedenfalls nicht sein. Habe ich so schlechte Augen? Sehen die beiden sich überhaupt ähnlich oder liegt es an dem Wagen, dass ich glaube, sie sehen sich ähnlich? Was mach ich denn jetzt? Wie kann ich mit der Ungewissheit weiter leben? Und will ich jetzt noch weiter leben? Ich glaube, ich muss demnächst wieder Samstagsnachmittags ins Fitnessstudio. Vielleicht taucht sie auch da auf. Und vielleicht erkenne ich sie. Dann frag ich sie, ob sie die Frau vom Fahrer- oder Beifahrersitz ist. Hoffentlich weiß sie die Antwort.


Der sinnlose Gewinn
Nachdem ich seit Tagen die Wohnung nur im äußersten Notfall verlassen und mein Auto seit acht Tagen nicht mehr gesehen habe, gewinne ich ausgerechnet jetzt zwei Eintrittskarten für die Ü30 Party in den Westfalenhallen. Zu einem blöderen Zeitpunkt kann ein Gewinn nicht eintreffen. Nicht, dass ich da nicht hin wollte, sonst hätte ich nicht an dem Gewinnspiel teilgenommen. Doch bei dem Wetter ist meine Motivation wie weggeblasen. Außerdem weiß ich nicht, wie ich da hinkommen soll. Mit dem Auto fahre ich nicht. Es schneit ja ständig und man kann sich nicht darauf verlassen auf schneefreien Straßen ans Ziel zu gelangen. Ich würde nicht einmal mit Winterreifen mit dem Auto fahren. Ist mir alles viel zu riskant.
So bleibe ich heute zu Hause und muss die Eintrittskarten verfallen lassen. Der Winter ist ein Arschloch. Ich werde mir nächste Woche eine Playstation kaufen. Dann habe ich eine sinnvolle Aufgabe, nehme nicht mehr an Gewinnspielen teil und werde glücklich alt. Das ist mein Jahr. Das spüre ich ganz deutlich.


ABC Wärme-Pflaster
Ich bin ein großer Fan dieser ABC Wärme-Pflaster und klebe sie mir seit längerer Zeit regelmäßig auf, um meine ständigen Nackenschmerzen zu lindern. Kein anderes Wärmepflaster wärmt so langandauernd wie die ABC Wärme-Pflaster. Die Anwendungshinweise, die Pflaster nur bis zu 12 Stunden auf der Haut zu belassen und dann mindestens 12 Stunden zu warten, bevor man ein neues aufklebt, habe ich bisher wenig beachtet und die Pflaster gerne mal länger als 12 Stunden auf meinem Körper belassen, was mir in diesem Moment ziemlich blöd erscheint, weil die Haut auf meinem Rücken nicht nur sehr gerötet ist, sondern auch verbrannt aussieht und sich nicht gut anfühlt. Deshalb beschließe ich, ein paar Tage ohne Pflaster zu leben.
Nachdem einige Tage um sind, habe ich noch immer das Gefühl, dass ich ein Pflaster trage. Besonders dann, wenn ich die roten und vertrockneten Stellen auf meinem Rücken mit Feuchtigkeitscreme behandle. So kann ich kurzzeitig die Wirkung des Pflasters spüren, ohne mir ein solches aufkleben zu müssen. Das ist faszinierend und erschreckend zugleich. Die Verbrennungen oder Verätzungen auf meinem Rücken sieht zum Glück keiner. Das wäre echt peinlich. Jetzt spüre ich schon wieder dieses kribbeln und brennen. Das ist schon Wahnsinn. Die Frage, ob ich mir morgen wirklich neue Pflaster besorgen und mir auf den Rücken kleben soll, kann ich allerdings mittlerweile beantworten. Die Antwort ist ein klares nein, weil ich mittlerweile sogar glaube, dass diese Pflaster verboten gehören, weil sie dem Körper, zumindest meinem, eher schaden als nützen.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert