Vogelschießen

Ich habe diesen
ganzen Schützenfestfetisch nie verstanden. Menschen verkleiden sich außerhalb
der Karnevalszeit, marschieren durch die Straßen zu zünftiger Musik und trinken
anschließend so viel Alkohol, dass das Leben doppelt schön ist. Oder Scheiße.
Oder ganz anders. Was weiß denn ich?
Sobald diese
blöden grünweißen Fähnchen im Ort hängen, wird mir schon ganz anders, weil ich
weiß, es ist wieder soweit. Dieses Jahr findet das traditionelle Vogelschießen
auf dem Marktplatz statt und somit bin ich fast dabei, ohne es zu wollen. Denn
dieser Marktplatz ist in Sichtweite meiner Wohnung. Zum Glück versperren
allerdings Bäume die perfekte Sicht. Den Lärm verhindern sie aber nicht und so
höre ich stundenlang teils gruselige Musik, höre die Schüsse und den Kommentator,
der die Schützen ansagt und geistreiche Kommentare abgibt. Nach etwa drei
Stunden verlasse ich die Wohnung, um ein Eis zu essen und gehe am Marktplatz
vorbei. Da stehen sie in ihren albernen Uniformen. Allerdings weniger Personen
als erwartet und ich frage mich, wie so ein Schützenverein seine Mitglieder
findet. Vermutlich ist es eine Familientradition und wenn Mama und Papa so
alberne Kostüme tragen, möglicherweise gerne auf Holzvögel schießen und
unfassbar lustig sind, vor allem nach ausreichendem Alkoholkonsum, dann werden
die Kinder direkt auch aufgenommen in diesen elitären Club. Oder so
Außenseiter, die wenig Freunde haben und durchaus als merkwürdig bezeichnet
werden können. Die stehen da bei so Festen komisch rum, gucken verstört zu
Boden und werden irgendwann von einem verkleideten Kasper angesprochen. Dann
wird die kleine, durchaus gestörte Kreatur in einen lustigen Anzug gesteckt,
zahlt einen Jahresbeitrag und hat endlich Freunde. Damit wäre sogar die soziale
Komponente abgedeckt. Egal, wie behämmert man ist, hier findet man einen Kreis,
der einen akzeptiert, wie man eben ist.
Ich weiß echt
nicht, woher meine Vorurteile kommen und wieso ich seit Jahren fest davon
überzeugt bin, dass diese Schützenbrüder einen an der Waffel haben. Aber ich
kann einfach keine Menschen ernst nehmen, die sich außerhalb der Karnevalszeit
alberne Uniformen anziehen und Holzvögel abschießen wollen.
Bis 20.00 Uhr
ist die Stimmung jedenfalls bombig und der neue Schützenkönig wird vermutlich
schon in der nächsten Woche durch den Ort gefahren. Dann winken er und seine
Königin in die Menge und die Menge winkt zurück. Alles zu alberner Musik und in
den schönen Kostümen. Und wie immer werde ich es zur Kenntnis nehmen und
hoffen, dass ich eines Tages verstehe, was mir alles entgeht.

2 Kommentare

  1. Schützenfest, tja, hier im Sauerland, wo jedes Dorf mindestens 3 Schützenvereine beherbergt, ist das was ganz Großes.
    Warum? Keine Ahnung.
    Ist es die Party? Das legale Fuchteln mit Waffen? Die Uniformen? Die Rüschenkleider? Die Gemeinschaft? Ich weiß es nicht und werde es auch niemals herausfinden (wollen).

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