Die ersten zehn Tage im Februar 2019

Es hatte sich schon Ende Januar in diese Richtung entwickelt und leider fortgesetzt, so dass ich schon wieder untergewichtig bin. Genauso untergewichtig war ich im Dezember schon mal. Theoretisch kann ich mich sogar damit trösten, dass ich im November sogar noch weniger gewogen habe. Die deutsche Leiche wandert wieder und sieht Scheiße dabei aus. Kann ein Monat besser beginnen?

Derzeit habe ich nicht wirklich das Bedürfnis auszugehen und möglicherweise am Leben teilzunehmen. Zumeist bin ich mir einfach selbst genug. Mein Desinteresse an Kontakten ist nicht einmal böse gemeint, ich bin derzeit einfach lieber in meiner eigenen Welt und finde, dass ich nach der Arbeit nicht unbedingt soziale Kontakte brauche, weil ich ja während der Arbeitszeit schon an meine sozialen Grenzen gehe, so rein vom Teilnehmerkontakt und vom Gefühl her. Allerdings hoffe ich, dass ich, wenn das Wetter eines Tages besser wird, wieder öfter die Wohnung verlasse, weil die Wohnung zu klein ist, um darin dauerhaft nicht durchzudrehen. Manchmal ist meine Wohnung nämlich wie ein Hemd, das am Kragen zu eng ist und einem scheinbar die Luft abschnürt. Nur gibt es keinen oberen Knopf, den ich öffnen kann, um besser Luft zu bekommen. Ein Fenster zu öffnen hilft leider gar nicht. Mitunter engt mich diese Wohnung regelrecht ein. Doch scheinbar noch nicht genug, um sie öfter zu verlassen.

Ich schaue weiterhin zu viele Serien und Filme und fühle mich in dieser durchaus fiktiven Welt wohler als in der Realität. Ich weiß bei Serien oft mehr über die Charaktere als über Leute des realen Lebens. Das ist schon irgendwie krank. Dafür spiele ich weniger, was auch daran liegt, dass ich nur noch eine Mission zu erfüllen habe, um das Spiel zu beenden. Wenn ich doch mal spiele, hoffe ich, dass es noch andere Nebenmissionen gibt, um das Ende hinauszuzögern. Wenn das mit dem hinauszögern in anderen Bereichen auch so klappen würde, wäre ich zufrieden. Dennoch gehe ich davon aus, dass ich diesen Monat mit dem Spiel durch sein werde und frage mich, wie ich die Leere, die dadurch entsteht, füllen kann. Red Dead Redemption wird das nicht können, weil ich keine Lust habe immer nur sinnlos hin und her zu reiten, ohne wirklich weiter zu kommen.

Obwohl ich es mir eigentlich verboten habe, mache ich mir gelegentlich Gedanken über meinen Arbeitsplatz nach dem Ende der Maßnahme. Wo wird man mich einsetzen und was mache ich da? Und wann wird man endlich bemerken, dass ich keine Ahnung habe? Mittlerweile, auch das ist etwas verwirrend, gehöre ich zu den Mitarbeitern, die länger hier angestellt sind als die meisten. Die Fluktuation ist wahrlich enorm. Sollte ich mir deshalb wirklich Gedanken machen? Ich weiß es nicht, mache mir aber trotzdem Gedanken, weil ich mir scheinbar gerne Gedanken mache. Aber ich versuche das echt in den Griff zu kriegen und es ist auch schon besser geworden. Vom vielen Gedanken machen bekommt man nämlich nur schlechte Laune.

Die beiden neuen Kollegen in der Maßnahme nebenan verfügen über eine Menge Wissen und ich frage mich, wieso ich so verblödet bin mittlerweile, denn ich weiß so gut wie nichts, bilde mich aber auch in keiner Weise weiter und verlasse mich voll darauf, dass sich die Dinge schon irgendwie von selbst regeln, was sie zumeist auch tun. Ich habe so gar keinen Ehrgeiz und werde sicher früher oder später damit ganz schön auf die Nase fallen. Wie meine Therapeutin damals schon bemängelte, mache ich immer nur das Minimum und schlängle mich so durchs Leben. Irgendwann wird der Minimalismus sicher nicht mehr reichen, aber andererseits habe ich mich damit fast ein halbes Jahrhundert durchgemogelt, warum sollte es nicht bis zu meinem Tod so weitergehen? Also kann ich vermutlich noch eine Weile vor mich hin verblöden und mich durchmogeln. Darin bin ich echt gut.

Als ich erfahre, dass der neue Mitarbeiter, nennen wir ihn „Der Vermittler“, seine zahlreichen Kontakte hat spielen lassen und mehrere Teilnehmer aus zwei Maßnahmen erfolgreich vermittelt hat, frage ich mich, was das wohl für Konsequenzen für mich hat. Und während ich darüber nachdenke, ich denke echt lange darüber nach, obwohl ich das eigentlich nicht will, hat der Vermittler schon wieder zwei weitere Vorstellungsgespräche und einen Praktikumsplatz für seine Teilnehmer organisiert. Für das, was er in nur vier Tagen auf die Beine gestellt hat, brauchen Deppen wie ich mehrere Monate. Am Freitag gibt es die aktuellen Zahlen und diese sind durchaus schockierend. 16,7%. Zahlen lügen nicht. In nur einer Woche katapultierte der Vermittler die Quote in eine völlig neue Dimension und steigerte die Vermittlungsquote um 16,7%. Jung, dynamisch, erfolgreich. Und nächste Woche kommen weitere zwei Vermittlungen dazu. So ist das wohl, wenn einer seinen Job beherrscht. Vielleicht sollte ich ihn in Zukunft Vermittlungsorkan nennen.

Am Wochenende muss ich mich von dem Vermittlungsschock erholen, daher liege ich Samstagnachmittag völlig ermattet, fast schon Bewegungsunfähig, in meinem Bett, bevor ich am Abend mittelmäßige Filme schaue. Weil mittelmäßige Filme mich mitunter langweilen, messe ich währenddessen zum x-ten Mal meine Wohnung aus, um zu überlegen, wie ich es mir gemütlicher machen kann, doch die Wohnung ist einfach zu klein für echte Gemütlichkeit.

Problematisch ist es, ständig in Supermärkten an allen möglichen Süßigkeiten vorbeigehen zu müssen. Zweimal habe ich es nicht geschafft. Einmal waren es Haferkekse, denen ich nicht widerstehen konnte, ein anderes Mal gebrannte Erdnüsse. Das muss besser werden, ist aber noch nicht dramatisch. Ansonsten gibt es im Schrank außer Müsliriegeln, die ich schon im letzten Jahr gekauft habe, keinen weiteren Süßkram mehr. Am Samstag habe ich mir die erste Cola des Jahres gegönnt. Ein Glas Cola zum Essen ist durchaus mal erlaubt.

Ich war noch immer weder beim Arzt, noch beim Friseur, habe meinen zweiten Urlaub auch noch nicht gebucht und weiß nicht, ob das in den nächsten zehn Tagen passieren wird. Vermutlich nicht. Läuft.

Was ich allerdings übermäßig hasse, sind Dinge und Situationen, die ich nicht beeinflussen kann. Und meine Nachbarn sind auch Scheiße, denn sie haben schon seit Wochen den Flur nicht gewischt. Die Nachbarin behauptet sogar, dass ich nicht wische. Dreckspack.

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