Maßnahmegeschichten 16.23

Zu Beginn der Woche ruft Teilnehmer 19 an, um uns mitzuteilen, dass er es voll daneben findet, dass wir ihm eine zweite Abmahnung geschickt haben. Nachdem er darauf hingewiesen wurde, dass er Fehlzeiten belegen muss, sagt er, dass er keinen Bock auf die Maßnahme hat und ihm Konsequenzen egal sind. Zur Belohnung bekommt er am nächsten Tag die Kündigung. Konsequenzen hat das für den jungen Mann allerdings keine, denn es gibt weiterhin keine Sanktionen, wenn man einfach nicht an Maßnahmen teilnimmt. Da der junge Mann erst 18 ist, wird er sicher noch an vielen Maßnahmen nicht teilnehmen.

Teilnehmerin 1, die eigentlich gute Chancen auf einen Ausbildungsplatz hat, fehlt unentschuldigt. Sollte ich nochmal die Gelegenheit bekommen mit ihr zu reden, muss ich sie fragen, was mit ihr nicht stimmt. Die Frage werde ich natürlich so formulieren, dass sie eines Jobcoaches würdig ist. Ich dachte an: “Was stimmt mit Ihnen nicht?” Dabei lege ich den Kopf leicht schräg, weil das Vertrauen erweckt und Hundewelpen so etwas auch machen. Bin sehr gespannt, was sie darauf antworten wird. Weil ich mir nicht anders zu helfen weiß, bekommt sie aber erstmal ihre erste Abmahnung von mir. Keine Ahnung, was mit ihr nicht stimmt.

Teilnehmer 11, der Bruder vom Dschinn, der Stimmen hört, hat mir zwar in der letzten Woche noch erklärt, dass er endlich wieder arbeiten will, fehlt aber seitdem aus gesundheitlichen Gründen. Vermutlich hat es ihn umgehauen, dass ich ihm sagte, dass ich direkt zwei Arbeitgeber weiß, bei denen er sich vorstellen kann und in dieser Woche Termine mache, damit er seinen Plan in die Tat umsetzen kann. Möglicherweise hat ihn das auch so gerührt, dass er vor lauter Rührung und Begeisterung nicht mehr zu uns kommen kann. Seine Geschichte, dass er unbedingt arbeiten will, habe ich zu Beginn seiner ersten Teilnahme vor ein paar Jahren für ein paar Minuten geglaubt, aber mittlerweile weiß auch ich, dass er gar nicht arbeiten will. Ihn würde ich auch gerne fragen, was mit ihm nicht stimmt und wen er verarschen will. Dazu werde ich vermutlich nicht mehr kommen, was ich sehr schade finde. Vielleicht sollte ich die Frage demnächst direkt beim Erstgespräch stellen, denn viel öfter kommen einige nicht zu uns.

Teilnehmerin 16 bekommt auch ihre erste Abmahnung. Sie würde ich nicht fragen, was mit ihr nicht stimmt, denn sie ist Alkoholikerin und hat vermutlich noch ganz andere Probleme. Sie würde ich fragen, was wir für sie tun können und wie sie sich ihre Zukunft so vorstellt.

Teilnehmerin 20, die wir nicht einmal gesehen haben, wird ersetzt von der neuen Teilnehmerin 20, die seit ihrer letzten Teilnahme im letzten Jahr fast jede Woche hier angerufen hat, weil es irgendwelche Probleme gab. Oft habe ich nicht verstanden, was sie mir erzählt hat, fand es aber toll, dass sie sich am Ende der Gespräche für meine Hilfe bedankte. Im Mai, wenn ihre Tochter für ein paar Tage bei ihren Eltern ist, möchte sie täglich zu uns kommen. Das ist zwar nicht vorgesehen, aber von mir aus. Besser als die ganzen Leute, die nie zu uns kommen und die ich darum auch nicht fragen kann, was mit ihnen nicht stimmt. Mit ihr werden wir richtig viel zu tun haben und zunächst werden die Gespräche weniger mit ihrer beruflichen Zukunft zu tun haben, sondern eher mit ihrem Leben im Allgemeinen. Außerdem vereinbaren wir direkt einen Termin beim sozialpsychologischen Dienst für sie. Alles andere wäre verantwortungslos und verantwortungslose Jobcoaches braucht kein Mensch.

Teilnehmerin 3 erzählt, dass sie letzte Woche krank und deshalb nicht kommen konnte und ich erkläre mal wieder, wie wichtig es ist, so etwas mitzuteilen. Als nächstes fragt sie, ob sie am Freitag frei haben kann, weil ja zuckerfest ist. Ich sage ihr, dass sie schon letzte Woche frei hatte. Findet sie nicht gut, weil sie da ja krank war. Finde ich auch nicht gut, aber so ist das Leben. Weil ich aber der netteste Coach auf dem Planeten sein will, biete ich ihr an, dass sie am Donnerstag zu uns kommen darf und dafür Freitag frei hat. Da freut sie sich. Ich weiß vielleicht doch noch, wie man Frauen glücklich macht.

Teilnehmerin 8 lade ich per Mail ein, weil es nicht geht, dass ich ihr Fehlen auch in dieser Woche entschuldige. Irgendwann kann ich das einfach nicht mehr begründen und bekomme selbst noch Ärger für meine Nettigkeit. Das möchte ich nicht.

Teilnehmer 18, der bisher jeden Monat genau einmal da war, erscheint für uns alle überraschend in diesem Monat zum ersten und vermutlich auch zum letzten Mal. Er ist offensichtlich nicht gesund und hat, abgesehen von ein paar unentschuldigten Fehltagen, seit fast drei Monaten ständig irgendwelche Krankheiten. Da wir ihn nicht einschläfern lassen dürfen, kümmert sich Jörg um ihn und muss den hustenden und schniefenden Mann ertragen. Ich verstehe echt nicht, wie er in dem Zustand zu uns kommen konnte. Vermutlich will er uns verseuchen, was mir kurz vor meinem Urlaub natürlich noch fehlt. Meiner Meinung nach ist jede Minute, die man mit dem Mann verbringt, um ihn in die Spur zur kriegen, Zeitverschwendung, aber das darf man als Coach nicht sagen. Weil mir der Zustand des Mannes zu gefährlich erscheint und es so auch keinen Sinn macht, schicken wir ihn wenig später nach Hause. Damit sollte seine Anwesenheit für diesen Monat durch sein und ich gehe davon aus, dass er am Montag aus gesundheitlichen Gründen fehlen wird. Für den Fall, dass es so ist, bekommt Örge die Anweisung, den Mann aus gesundheitlichen Gründen aus der Maßnahme zu entfernen. Alles andere wäre albern und würde keinem helfen.

Teilnehmer 6 lehnt konsequent fast alle Jobangebote, die wir ihm machen, ab. Ich habe keine Ahnung, wie ich rausfinden kann, wo genau sein Problem liegt und wie ich ihm helfen kann. Bei ihm versage ich leider komplett und zeige deutlich, dass ich als Jobcoach nicht viel drauf habe.

In dieser Woche wurden 24 von 38 Terminen wahrgenommen, was durchaus beachtlich ist. Die Vermittlungsquote liegt bei starken 33,3 Prozent. Tendenz weiter fallend.

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