Maßnahmegeschichten 26.23

Oma Sheriff möchte Örge sprechen und noch bevor ich das Telefon weiterreichen kann, sagt sie mir, dass sie heute nur Jeans und T-Shirt trägt, was mich irgendwie gedanklich in eine ganz falsche Richtung denken lässt, dabei wollte sie mir nur mitteilen, dass sie heute nichts von “Die Moderne Hausfrau” trägt, weil ich ihr immer wieder mal hässliche Kleidung von da empfehle. Wenn mich schon Jeans und T-Shirt verwirren, muss es echt schlecht um mich bestellt sein.

Teilnehmer 6 spricht wirklich nicht gut deutsch. Er sagt zwar ständig, er habe verstanden und wirkt dabei auch recht glaubwürdig, doch nach einer Stunde ist plötzlich seine Tochter da, um zu übersetzen. Offensichtlich hat er so gut wie nichts verstanden. Sechs Jahre lebt er in Deutschland, aber weil er nur selten deutsch sprechen muss, hat er nicht viel gelernt bisher. Nachdem alles geklärt ist, organisiere ich ein Vorstellungsgespräch für ihn. Nachdem ich ihm alles aufgeschrieben hat, fragt er, ob er da anrufen soll. Schwer vorstellbar, dass er wirklich morgen beim Arbeitgeber auftauchen wird. Zeit ihn für heute zu entlassen.

Am Mittwoch kommt Teilnehmerin 5 mit einem Arbeitsvertrag zu uns. Ich habe sie wirklich falsch eingeschätzt. Zum Abschied sage ich ihr, dass ich die lustigen Gespräche vermissen werde, worauf sie erwidert, dass ich ja ihre Nummer habe und sie anrufen kann. Mache ich natürlich nicht, weil ich grundsätzlich keine Teilnehmerinnen privat anrufe, ich rufe auch sonst keine Frauen an. Wo kämen wir denn da hin? Besonders schade ist, dass ich keine Pizza von ihr bekommen werde. Teilnehmer 2 hat einen Arbeitsvertrag unterschrieben. Befristet auf zwei Tage mit der Option, sich für einen unbefristeten Vertrag zu empfehlen. Ich weiß zwar nicht, was ich davon halten soll, aber für die Quote ist es gut. Teilnehmer 6 möchte das auch beim gleichen Arbeitgeber tun, aber bis zum Ende des Arbeitstages bekomme ich keine Rückmeldung, ob es klappen wird.

Teilnehmerin 167 ist 55 Jahre, hat noch nie gearbeitet, trägt die traditionelle türkische Kleidung mit Kopftuch und langem Mantel, trocknet sich ständig das schwitzende Gesicht ab und hat überhaupt keine Ahnung, was mal aus ihr werden soll. Das wird mehr als nur eine Herausforderung mit ihr und ich glaube nicht, dass sie hier richtig ist, denn sie kann nicht einmal alleine nach Stellen suchen. Sie wirkt, als wäre sie aus einer anderen Welt gefallen und ist sichtlich nervös. Vermutlich überfordert sie die Situation einfach nur. Nach dem Gespräch bin ich auch völlig ratlos, was ich für sie tun kann. Immerhin hat Teilnehmer 6 mittlerweile auch den Arbeitsvertrag für zwei Tage unterschrieben.

Ein Arbeitgeber hat einen ehemaligen Teilnehmer nach sechs Wochen gekündigt. Das kann passieren, allerdings hat er dem Teilnehmer bisher sein Gehalt nicht überweisen und auf Nachfrage unsererseits teilt er nur mit, dass er das Geld vielleicht überweisen wird, vielleicht aber auch nicht. Man kann ja mit seinen Mitarbeitern unzufrieden sein, aber das Gehalt nicht zu zahlen, ist eine einzige Frechheit. Dieser Arbeitgeber kommt direkt auf unsere Arschlochliste.

Teilnehmerin 12 hat keine Muffins gebacken, es aber nicht vergessen und will sie nächste Woche backen und uns mitbringen. Sofort teile ich ihr mit, dass ich Urlaub habe. Sie erwidert, dass ich dann wohl Pech habe. “Dann machen sie halt nochmal Muffins, wenn ich wieder da bin.” Obwohl sie nicht antwortet, denke ich, dass sie weiß, was ihre Aufgabe ist.

Drei Neulinge erwarten wir am Freitag. Da Örge sich um Teilnehmerin 15 kümmert und ich keine Teilnehmer erwarte, bin ich für die Neuen zuständig. Teilnehmer 162 ist schwer einzuschätzen, aber ich denke, ich werde mit ihm klarkommen, doch da er Örges Teilnehmer ist, muss ich das nicht. Er möchte, weil er Kinder hat und Ferien sind, direkt Urlaub. Das muss er mit seiner IFK, die er nicht erreichen kann, klären. Von mir aus kann er gerne Urlaub machen, denn wegen seiner vielen Schulden will er eher nicht arbeiten, weil man ihm das Geld sonst zum Teil wieder wegnehmen würde. Er lebt mit Frau und drei Kindern in einer Wohnung, für die er 1.600€ Miete zahlt. Den größten Teil zahlt selbstverständlich das Jobcenter, aber nicht alles, weil die Wohnung einfach zu teuer ist. Damit ist seine Miete in etwa gleich hoch, wie das Einkommen, welches er hätte, wenn er den Job, den ich ihm anbieten kann, annimmt. Das wird nicht funktionieren und das teilt er mir direkt mit. Schauen wir mal, was aus ihm wird. Teilnehmerin 168 vorverurteile ich direkt, als ich sie sehe, was natürlich für einen Jobcoach nicht zu akzeptieren ist. Sofort überlege ich, ob ich sie an Örge abtrete und dafür lieber Teilnehmer 162 betreue, aber das Gespräch ganz locker verläuft, will ich der jungen Frau und mir eine Chance geben. Vor allem mir, damit dieses gemeine verurteilen nicht noch überhandnimmt. Ein Coach muss sich auch mal schwierigeren Aufgaben stellen, wobei die schwierigste Aufgabe sicherlich Teilnehmerin 167 ist, aber man wächst ja bekanntlich an seinen Aufgaben. Oder heißt es mit seinen Aufgaben? Der nächste neue Teilnehmer war erst kürzlich bei uns und ich nun zurück. Ich muss zugeben, dass ich Gefallen an Erstgesprächen gefunden habe und frage mich, ob ich in Zukunft nicht alle Erstgespräche führen sollte. Dann weiß ich, mit wem wir es zu tun haben und kann dementsprechend irgendwelche Pläne machen. Ich muss mal schauen, ob das eine Option ist.

Teilnehmerin 3 bringt uns ihren Arbeitsvertrag. Sie wird bei UPS als Teilzeitkraft eingesetzt. Einfache Helfertätigkeit für 17,31€ brutto. Damit hat sie einen höheren Stundenlohn als ich, was mich irgendwie deprimiert. Wenn ich nur etwas mehr Ehrgeiz hätte, könnte ich vielleicht auch bei UPS anfangen. Später bringt Teilnehmer 6 eine Erweiterung des Arbeitsvertrages. Er hat sich in den zwei Tagen gut präsentiert und wird die Zusammenarbeit fortsetzen. Gleiches ist für Teilnehmer 2 geplant. Läuft.

25 von 38 Terminen wurden wahrgenommen und die Quote ist auf sensationelle 34,21% gestiegen. Wir befinden uns in einer Art Vermittlungsrausch, der hoffentlich während meines Urlaubs einfach fortgesetzt wird, obwohl es natürlich besser für mich aussieht, wenn während meiner Abwesenheit nichts passiert.

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