Dezember 2007

Frau ohne Namen
Wenn man am Vortag einen derart lustigen ersten Schultag hinter sich gebracht hat und die gute Laune einfach nicht verschwinden will, dann sollte man ausgehen. Danach ist man meistens wieder zurück in der Realität. Deshalb mache ich mich gegen 23.00 Uhr auf den Weg in die Live Station. Meine gute Laune macht mir nämlich nach so vielen Stunden irgendwie Angst und es ist Zeit für einen Dämpfer. Als ich im Auto sitze, bemerke ich, dass ich meine Banane vergessen habe. Es ist das erste Mal seit Monaten, dass ich das Haus ohne Banane verlasse. Ob das ein Zeichen ist? Und wenn ja, wofür?

Die Idee, ihren Abend in der Live Station zu verbringen, haben heute unheimlich viele Leute und ich frage mich, ob die auch alle so einen guten Tag hatten und ebenfalls testen wollen, ob es so weiter geht, oder ob diese Menschen heute unterwegs sind, weil es auf Weihnachten zugeht und sie ihre letzte Chance nutzen wollen, noch jemanden kennen zu lernen, bevor es zu spät ist und sie alleine unter dem Weihnachtsbaum sitzen und die eine oder andere Träne verdrücken. Es dauert fast dreißig Minuten bis ich endlich meine Jacke abgegeben habe. Trotzdem bin ich weiter gut gelaunt. Es ist so verflucht voll, dass man sich kaum bewegen kann. Einige Männer machen einen aggressiven Eindruck. Die scheinen mächtig unter Druck zu stehen. Ich stehe auch, und zwar mitten in einer überfüllten Disko. Und wie immer, wenn es so voll ist, kann ich wunderbar ganz zufällig den einen oder anderen Frauenhintern berühren. So muss es im Himmel sein. Da ich unbedingt einen Dämpfer brauche, beschließe ich etwas zu tun, was ich schon seit ewigen Zeiten nicht mehr getan habe und spreche eine Frau an. Weil ich in dem Gedränge nicht weit komme, muss die Frau, die links neben mir steht dran glauben. Mehr als drei Sätze werden es zwar nicht, aber immerhin lacht sie und versucht nicht zu entkommen. Ich bin weiterhin zufrieden. Zeit die nächste Frau anzusprechen. Ich entscheide mich für die Freundin von der, mit der ich die drei Sätze gewechselt habe. Sie scheint irgendwas auf dem Stuhl unter dem Tisch zu suchen. Ich frage sie, ob sie dort nach ihrer Freundin sucht. Sie findet die Frage scheinbar witzig. Für ein Gespräch reicht es aber nicht. Kurze Pause. Zweiter Versuch. “Du siehst nicht gerade so aus, als ob die viel Spaß hast.” – “Du siehst auch nicht so aus, als ob Du viel Spaß hast.” Guter Konter. Auch der zweite Versuch bringt mich allerdings nicht weiter. Dummerweise geht sie nicht weg und so starte ich den nächsten Versuch. Einen echten Klassiker. “Bist Du öfter hier?” Jetzt habe ich sie. Die Klassiker sind doch die besten. Fast zwei Stunden dauert unser Gespräch. Ihren Namen vergesse ich rasch wieder, den Namen ihrer Freundin, Leonetta, komischerweise nicht. Als es Zeit ist zu gehen, schaue ich sie mir zum ersten Mal etwas genauer an. Nicht wirklich schlank, aber durchaus attraktiv. Dennoch gibt es keinen Grund, dass wir uns wiedersehen. Sie verabschiedet sich und sagt, dass sie mal ins FZW gehen möchte und sich freuen würde, wenn wir uns dort treffen. Ach man, jetzt wird es doch noch kompliziert. Warum ist sie nicht einfach gegangen? Nun wäre es albern, es dabei zu belassen, sich mal zufällig über den Weg zu laufen. Also schlage ich vor, dass wir uns verabreden. Eigentlich doof, weil ich mich doch nicht mehr mit intelligenten Frauen verabreden wollte, weil dass nämlich zu nichts führt und das Leben nur komplizierter macht. Hinterher stellt man noch fest, dass man sich mag und dann steht man da. Das ist nicht gut. Ich hätte an die möglichen Folgen denken sollen, bevor ich sie angesprochen habe, dann würde das hier nicht passieren. So schreibe ich ihr meine Telefonnummer auf einen Bierdeckel und sie verabschiedet sich mit den Worten “Wir werden da aber nicht rumknutschen.” von mir. Einen so schönen Schlusssatz habe ich noch nie gehört. Irgendwie witzig, die Kleine. Trotzdem wäre es besser, wenn sie sich nicht bei mir meldet. Auf der Fahrt nach Hause würde ich gerne eine Banane essen, doch ich habe keine. Das deprimiert mich beinah, aber nur beinah. Dass mein Höhenflug vorbei ist, spüre ich ganz deutlich als ich mich um 05.00 Uhr in mein Bett lege. Wenn ich aufwache wird alles wieder so sein, wie es sein muss. Da bin ich mir ganz sicher. Gute Nacht.


Erster Unterrichtstag
06.30 Uhr. Eine ziemliche beschissene Zeit, um aufzustehen. Es ist noch völlig dunkel und ich bin noch im Schlafmodus. Kaum vorstellbar, dass ich ab jetzt jeden Morgen um diese Uhrzeit aus dem Bett klettern muss, um aus mir einen Automobilkaufmann machen zu lassen.

Ich erkämpfe mir einen Platz in der letzten Reihe. Das gefällt mir. Was mir weniger gefällt ist die Tatsache, dass die Fenster hinter mir sind. So muss ich mich ständig umdrehen, um aus dem Fenster zu gucken. Unterrichtsthema heute: WISO. Schnell stelle ich fest, dass ich davon keine Ahnung habe. Das wird hart für mich. Teilnehmer Nummer 21, der Grieche, ist heute übrigens nicht da. Er ist im Urlaub. Das nenne ich konsequent. Ich bin gespannt, wann er sich zurück meldet.
In den Pausen sorge ich dafür, dass der Unterrichtsraum gelüftet wird. Kaum bin ich da, schon übernehme ich Verantwortung. Ich glaube, ich bin auf einem guten Weg. Die Frauen in meiner Klasse beobachte ich etwas genauer und entscheide, dass ich keine von denen in meinem Auto haben möchte. Ich möchte nicht einmal, dass die in die Nähe meines Autos kommen. Die gehen einfach nicht. Die sechs Frauen, die links von mir sitzen, sind die Krönung. Sie stören mich ständig in meiner Konzentration und reden fast ununterbrochen. Ich mache mir einen Vermerk in mein Beschwerdeheft. Die werde ich melden, wenn die sich nicht zusammenreißen in den nächsten Tagen. Die beiden Russinnen werde ich gleich doppelt melden, da sie doch tatsächlich ein Gespräch in ihrer Heimatsprache führen. Auch das wird notiert. Die Damen leben sehr gefährlich.
Im Laufe des Tages machen wir einen Test, der so auch in der Abschlussprüfung vorkommen kann. Dreißig Fragen. WISO – Rechtliche Grundlagen. Auch während dieses Tests plappern die geschwätzigen Weiber permanent miteinander und tauschen die Antworten aus. So kann ich nicht arbeiten. Auch das wird notiert. Trotz dieser massiven Störungen erreiche ich 80%. Kein wirklich überzeugendes Ergebnis, aber guter Durchschnitt. Darauf lässt sich aufbauen. Simulierte Prüfung bestanden. Nebenbei schaffe ich es tatsächlich, den ganzen Tag lang jegliche Kommunikation mit meinen Mitschülern und Mitschülerinnen zu vermeiden. Genau wie bei der Vorstellung am Freitag, rede ich mit niemandem von denen. Das macht mir gar nichts aus. Kurz vor Unterrichtsschluss höre ich ganz deutlich wie der Typ, der unmittelbar vor mir sitzt, furzt. Schöner kann ein Unterrichtstag nicht enden.


Zweiter Unterrichtstag
06.30 Uhr. Genau wie gestern finde ich es unmöglich, um diese Zeit aufzustehen. Dazu kommt, dass ich in der Nacht nicht wirklich geschlafen habe, weil ich mal wieder unter Halsschmerzen leide.

Als ich, im Gegensatz zu einigen faulen Fettärschen, die Treppen hinaufsteige, um in den Unterrichtsraum in der 4. Etage zu kommen, verwickelt mich eine der Teilnehmerinnen, welche ebenfalls die Treppen bevorzugt, in ein kurzes, belangloses Gespräch. Nach der kurzen Konversation beschließe ich, dass ich heute keine weiteren Gespräche führe. Thema heute: Rewe. Das ist noch schrecklicher als WISO. Ich kapiere nichts von dem, was der Dozent zu sagen hat. Ich glaube auch, dass es mich nicht wirklich interessiert. Alles viel zu kompliziert und ich habe keine Lust mich 19 Monate damit zu beschäftigen. Der Tag zieht sich und meine Halsschmerzen sind einfach nur lästig. Nur mit Mühe schaffe ich es nicht einzuschlafen. Wo soll das nur enden?
Mittlerweile gehen mir acht der zehn Frauen dermaßen auf die Nerven, dass ich sie am liebsten vom Unterricht ausschließen würde. Die sind einfach viel zu laut. Während des Unterrichts sorgen sie permanent für Unruhe und in den Pausen drehen sie erst richtig auf. Das Gegacker macht mich wahnsinnig. Ich kann nicht einmal in Ruhe eine Zeitschrift lesen. Das muss ich alles in meinem Beschwerdeheftchen notieren. Die werden schon noch sehen, was sie davon haben. Mit mir ist nicht zu spaßen. Weil sich die beiden Russinnen auch heute nicht daran halten, dass bei uns nur deutsch gesprochen wird, notiere ich Datum, Zeit und Länge des Gesprächs. Die zwei können bald ihre Sachen packen, da bin ich mir ganz sicher. Bald wird es viele freie Plätze in unserem Klassenraum geben. Dafür werde ich schon Sorgen. Bis zum Ende des Schultages rede ich, so wie ich es mir vorgenommen habe, mit niemandem mehr. Ich kann verdammt konsequent sein.


Dritter Unterrichtstag
Gleich zur Begrüßung bekommen wir eine neue Mitschülerin, welche tatsächlich wie eine recht gut gelungene Frau aussieht. Sie hat sogar eine richtig gute Figur. Dummerweise ist sie verheiratet und so brauche ich nicht darüber nachdenken, wie ich sie ansprechen könnte. Sie setzt sich in die erste Reihe. So kann ich sie mir wenigstens angucken. Da ich nicht als schweigendes Arschloch des Jahres in die Geschichte eingehen will, spreche ich meinen Sitznachbarn, Lutz, an. Er ist sehr überrascht, dass ich ihn anspreche. Er hat sicher nicht damit gerechnet, dass ich überhaupt sprechen kann. Ich denke, wir werden uns gut verstehen. In der Pause gesellen sich zwei weitere Außenseiter zu uns, der Tänzer und die Schweigsame aus der Ukraine. Es dauert nicht lange, bis wir über die Frauen-Achtergruppe lästern. Wir alle finden die Gruppe ziemlich nervig. Zum Kopf der Gruppe machen wir die Jüngste. Sie ist in der Tat die schlimmste der acht, da sie ein permanenter Unruheherd ist. Lange bleiben unsere Witze und Lästereien nicht unbemerkt und so entstehen erste Risse in der Klassengemeinschaft. Da muss man aufpassen, dass es nicht irgendwann eskaliert. Die neue Mitschülerin stammt offensichtlich aus Russland, denn sie unterhält sich mit einer der anderen Russinnen. Dummerweise reden sie in ihrer Muttersprache. Schon wird die Neue in meinem Beschwerdebuch vermerkt. Das geht ganz fix bei mir. Gegen 14.00 Uhr bekomme ich plötzlich meine traditionellen Sehstörungen, weshalb ich beschließe, dass es besser ist mich zu verabschieden. Die Dozentin scheint etwas irritiert als ich einfach so den Unterricht verlasse. Sie sagt mir, dass ich, wenn ich nichts sehe, auf keinen Fall Auto fahren soll. Ich sage ihr, dass es keine andere Lösung gibt. Dass ich heil zu Hause ankomme, ist nicht selbstverständlich und ich frage mich, wie ich das geschafft habe. Und natürlich hatte die Dozentin Recht, in dem Zustand hätte ich nicht fahren dürfen.


Vierter Unterrichtstag
Als ich am Donnerstag den Unterricht betrete, sitzt die neue Mitschülerin in der letzten Reihe. Sehr verdächtig. In den Pausen unterhält sie sich mit der Schweigsamen. Beide sprechen russisch. Beide werden unverzüglich notiert. Langsam wird es knapp für die Damen. Lutz und ich lästern währenddessen erneut über die Gruppe der Quasseltanten. Wir sollten uns allerdings etwas zurückhalten, denn sonst haben wir recht bald verschissen. Wieso bin ich nur so ein Arschloch? Da ich kein Arschloch sein will, unterhalte ich mich während der letzten Pause mit zwei weiteren Teilnehmern. Einer von ihnen ist ein netter Kerl und auch gar nicht doof. Optisch ist er allerdings weniger gelungen. Ich kann gar nicht glauben, dass ich älter bin als er. Im Vergleich zu ihm sehe ich echt gut aus. Das gefällt mir. Wir nennen ihn ab sofort Alter Mann. Später stelle ich fest, dass nur der Tänzer älter ist als ich. Das bedeutet, dass ich ab sofort mehr Verantwortung übernehmen und mich besser um meine Klassenkameraden kümmern muss. Schließlich hat man als Zweitältester eine Vorbildfunktion. Ab morgen werde ich ein fleißiger und vorbildlicher Schüler sein. Ich werde keine Witze mehr machen und alle mit Respekt behandeln. Dann werden mich alle lieben und ich komme in den Himmel.


Supervision verlängert
Normalerweise geht man dreimal zu der kostenlosen Supervision und ist dann entweder repariert oder wird in eine Gruppe gesteckt, was allerdings Geld kostet und für mich sowieso nicht in Frage käme. Bei mir läuft es allerdings anders. Ich darf noch ein paar Mal an der kostenlosen, offenen Sprechstunde teilnehmen. Irgendwie habe ich es der Supervisorin wohl angetan mit meiner komischen Art und scheine ein interessanter Fall zu sein. Oder sie hat so etwas noch nie erlebt und Mitleid mit mir. Ich finde es jedenfalls ausgesprochen großzügig, obwohl ich nicht verstehe, dass jemand einfach so nett zu mir ist. Sicherlich rede ich manchmal und bin nicht durchgehend verschlossen und abweisend, aber kooperativ bin ich vermutlich noch immer nicht. Ich kann jedoch versichern, dass ich mich nicht aus böser Absicht so verhalte. Ich bin einfach ziemlich schräg im Kopf und rede nicht gerne über mich, obwohl ich gerne rede und im Mittelpunkt stehe. Alles eher verworren und vermutlich auch verwirrend und möglicherweise ein Grund dafür, dass ich an weiteren kostenlosen Sprechstunden teilnehmen darf.


Mittendrin statt nur dabei
Als ich mich um kurz vor 08.00 Uhr auf meinen Platz setze, kann ich noch nicht ahnen, dass ich heute sehr viel Spaß haben werde. Unterrichtsthema heute: EDV. Das macht Sinn, wenn kein einziger PC im Klassenraum steht. Es gibt folglich niemanden, der sich nicht langweilt.
Irgendwann kommen wir über das Thema Tamagotchis auf das Thema Kinder. Unsere Jüngste, Bröckelchen, regt sich kurz darüber auf, dass Kinder ihr zu laut sind. Dennoch will sie eigene Kinder. Ich sage, dass das einzige was für sie in Frage kommt, eine Totgeburt ist. Ich weiß, das ist völlig geschmacklos, dennoch wird sehr laut gelacht. Damit ist das Eis gebrochen. Jetzt bin ich im Spiel. Als unsere Dozentin nach der Pause für eine Stunde verschwindet, wird es richtig nett. Berta sage ich, dass ich neidisch auf ihren Sitznachbarn Virus bin, weil sie ihn ständig berührt und acht Minuten lang den Arm um ihn gelegt hatte. Ich glaube, das gefällt ihr. Die habe ich im Sack.
Bröckelchen sage ich, dass ich es sehr gut fände, wenn sie sich neben mich setzen würde. Natürlich ist es genau das, was sie hören will. Das sehe ich ganz deutlich an ihrer Reaktion. Ich kann so charmant sein, dass es kaum auszuhalten ist. Weil es gerade so gut läuft, reiße ich einen Witz nach dem anderen. Ich kann mich nicht erinnern, wann ich das letzte Mal so viele Leute zum lachen gebracht habe. Selbst ich muss ständig lachen, allerdings fast ausschließlich über meine eigenen Witze. Lediglich Lutz kann mit meinem Gagfeuerwerk einigermaßen mithalten. Wir sind das Witzigste, was unseren Mitschülern passieren konnte. Weil ich in Topform bin, nehme ich mir als nächstes die Russin Esmi vor, die zu ihrer Sitznachbarin “Stell mal das Flasche dahin” sagt. “Das heißt: Die Flasche” – “Hömma, ich habe das dreizehn Jahre nicht gelernt, da werd ich das jetzt auch nicht lernen.” – “Hömma, geht schon mal gar nicht. So sprichst Du mich nicht mehr an und es ist mir egal, was Du bisher gelernt hast oder nicht. Hier heißt es Die Flasche, das werden wir Dir in den nächsten Monaten schon beibringen. Was glaubst Du eigentlich, wo wir hier sind?” Ihrer Sitznachbarin, Frau Klein, erteile ich den Auftrag, ihr jedes Mal, wenn sie Hömma sagt oder Probleme mit der Grammatik hat, eine Flasche auf den Kopf zu schlagen. Ich glaube, Frau Klein findet das witzig. Ich finde mich heute auch ausgesprochen witzig. Als mich wenig später der alte Mann darauf hinweist, dass ich älter sei als er, sage ich ihm, dass er dafür aber älter aussieht. Der hat gesessen. Alle lachen. Es läuft. Wenn man weiß, wie er aussieht, dann weiß man wie gemein ich zu ihm war. Aber ich kann schließlich nichts dafür, dass er Haarausfall hat, einen dicken Bauch und auch sonst ziemlich alt für sein Alter aussieht. Da er solche Sprüche vermutlich oft zu hören kriegt, steckt er es locker weg. Es folgen ein paar deftige Witze über den Tänzer, bevor ich einen Gang zurückschalte und Bröckelchen sage, dass sie in Zukunft nicht alles alleine essen soll, weil sich so etwas nicht gehört. Einen Witz über ihre Figur verkneife ich mir. Man soll es nicht übertreiben. Insgesamt dauert mein Auftritt etwa eine Stunde. Erstaunlicherweise habe ich das Gefühl, dass mich die meisten nun in ihr Herz geschlossen haben. Wenn ich will, dann kann ich echt gut mit Menschen.


Alle Umschüler im Überblick
Nachdem ich mir meine Mitschüler nun ein paar Tage angeschaut und auch irgendwie beobachtet habe, konnte ich einen ersten Eindruck davon bekommen, mit wem ich es zu tun habe in den nächsten Monaten.

Der coolste, abgesehen von mir, scheint Lutz zu sein. Er sieht ein bisschen aus wie Axel Stein. Wer Spaß haben will oder ein anspruchsvolles und trotzdem unterhaltsames Gespräch sucht, der ist bei uns am besten aufgehoben.

DG, der, passend zu seinen Initialen, am liebsten Kleidung von Dolce & Gabbana trägt, scheint ebenfalls in Ordnung zu sein.

Der Türke aka Mr. Autozeitschrift aka Toilettenmann liest jede Autozeitschrift, die es gibt und kann sich fast alles merken, was er da liest. Er kennt Preise und unheimlich viele Details von fast allen PKWs und sitzt oft auf der Toilette. Vielleicht eine Art Fetisch von ihm.

Der alte Mann. Optisch hatte er nicht ganz so viel Glück, zu groß, zu schwer und ein Großteil seiner Haare ist bereits geflohen. Aber dafür gehört er zu den klugen Köpfen unserer Klasse. Er kann über sich lachen und ist ein ziemlich gutmütiger Typ.

Der Tänzer. Ein leicht skurriler Typ, der unsere Witze sehr schätzt und immer viel Spaß mit uns hat, selbst wenn die Witze auf seine Kosten gehen. Er meint, ich solle besser Komiker als Automobilverkäufer werden. Er hat ständig irgendwelche merkwürdigen Ideen und ist einer der Intelligentesten in unserer Klasse. Seine Ansichten Frauen betreffend werden mich sicher im Laufe der Umschulung noch das eine oder andere Mal zum Lachen bringen.

Berta, die sich häufig bei uns aufhält ist eine der beiden dicken Frauen, die ich gleich am ersten Tag erblickte und von der ich hoffte, dass sie nicht in meiner Klasse ist. Die ist ganz witzig, kann viel einstecken und ist nur dann beleidigt, wenn ich sie als alte Frau bezeichne. Nun, sie ist 36, jung ist das nicht. Zumindest nicht für eine Frau.

Einen Hacker haben wir natürlich auch. Er liebt Computer und will immer alle Computersysteme knacken. Mal schauen, wozu der uns noch nützlich sein kann. Außerdem scheint er eine Vorliebe für Alkohol zu haben.

Dann gibt es noch Esmi, die sehr sauer wird wenn ich sie Esmiralda nenne. Ich habe ihr gesagt, dass ich ihren Namen einfach zu doof finde und sie deshalb nicht mit ihrem Namen ansprechen kann. Meine Erklärung scheint ihr nicht zu gefallen.

Frau Klein ist passend zu ihrem Namen die Kleinste in unserer Klasse. Niedliche Figur, nettes Wesen und sie ist sogar attraktiv. Ich glaube, sie werde ich mögen.

Der Gigant. Unser Schwergewicht. Bis zu 150n kg bringt er mit Sicherheit auf die Waage. Niemand, mit dem man sich anlegen sollte. Ebenfalls ein guter Schüler.

Der Albaner. Unter 25 und bei den meisten Frauen nicht so wirklich beliebt, da angeblich zu nervig. In Wirklichkeit ein feiner und unterhaltsamer, aber definitiv vollkommen durchgeknallter Typ, der ständig im Unterricht einschläft.

Virus. Ihn nennen wir so, weil er gleich zu Beginn der Umschulung wegen eines Magen- Darmvirus fehlte und wir seitdem jeglichen Kontakt zu ihm meiden. Er ist der Typ, der am ersten Tag mit den beiden dicken Frauen zusammen stand. Scheint aber ganz nett zu sein.

Miss Nasenhaar. Sie heißt so, weil ihre Nasenhaare nur so aus ihrer Nase heraus sprießen. Teilweise wirken die Nasenhaare sogar etwas bedrohlich. Nasenhaare sind unerotisch.

Die jüngste Frau in unserer Klasse hat irgendein Problem, was sie unter ihren Haaren versteckt. Die einen sagen, dass es aussieht wie die Narbe von Frankenstein, einer sagt es sieht aus wie Gürtelrose und ich vermute, dass man an der Stelle regelmäßig ihren Kopf öffnet, um etwas von dem Müll zu entfernen, den sie den ganzen Tag so redet. Ich werde sie jedenfalls im Auge behalten und versuchen herauszufinden, wer am Ende Recht hat mit seiner Vermutung. Sie nennen wir ab und zu Bröckelchen, weil es scheint als würde ihr Kopf zerbröckeln.

Der Ballon. Auf die Frau, die einen größeren Körperumfang hat als ein Sumo Ringer, möchte ich zu diesem Zeitpunkt nicht weiter eingehen. Sie wird vermutlich während des Lehrgangs platzen.

Russin 1. Sie scheint irgendwie verklemmt und sieht durch und durch alt aus, wenn sie mal lacht. Dafür sitzt ihre Jeans sehr gut und es macht Spaß ihr auf den Arsch zu schauen.

Russin 2. Sie redet insgesamt sehr wenig und wenn, dann meist nur in ihrer Muttersprache. Ich vermute, sie ist eine verwöhnte Frau, die einen gutverdienenden Kerl zu Hause hat. Zumindest hat sie eine tolle Figur. Sie wollte allerdings schon nach zwei Tagen die Umschulung abbrechen.

Die Bauchtänzerin. Sie redet wie ein Wasserfall und viel von dem, was sie so redet ist irgendwie bescheuert. Mit mir redet sie bislang eher wenig, was ich allerdings nicht schlimm finde, da es verdammt anstrengend, fast schon tödlich ist, ihr zuzuhören. Wie die meisten Frauen unserer Klasse ist sie nicht schlank. Angeblich hat sie mal Bauchtanz gemacht. Ich kann mir nicht vorstellen, dass das bei ihrem dicken Bauch ein schöner Anblick ist, wenn der Bauch tanzt, aber ich muss zugeben, dass ich von Bauchtanz ebenso wenig Ahnung habe, wie von Frauen im Allgemeinen.

Der Schläfer ist unser Sorgenkind. Ständig ist er müde und will schlafen. Ich habe noch kein Wort mit ihm gewechselt und ich weiß auch nicht, ob sonst schon jemand mit ihm gesprochen hat. Falls ich nächste Woche Zeit habe, werde ich mal mit ihm reden. Nicht, dass er von allen gemieden wird und sich am Ende noch umbringt. Mal gucken, ob man ihn irgendwie und irgendwo integrieren kann.

Ace, milde Bleiche. Sie ist einfach nur da. Eine Mischung aus Whoopie Goldberg und Grace Jones, zumindest farblich.


Kelly
Als ich mir bei freenet einige Profile angucke, entdecke ich Kelly. Sie hat kein Foto, ist 38 und schreibt, dass sie keine billige Alternative zu Professionellen ist. Ich schreibe ihr, dass ich eine solche Alternative auch nicht suche. Sie antwortet. In ihrer dritten Nachricht teilt sie mir mit, dass es sie freut, dass ich in ganzen Sätzen kommunizieren kann, bezeichnet mich als wohltuende Ausnahme und fragt, was wir nun daraus machen. Da ich keine Lust auf Schreiborgien habe schlage ich vor, dass wir uns treffen. Sie teilt mir mit, dass sie genau aus diesem Grund hier ist und schreibt, dass wir uns treffen können, wenn ich größer als 1,80m bin. Interessant. Weil ich Angst vor Monstern habe und auch kein weiteres Treffen mit einer unter den Armen behaarten und obendrein zahnlosen Frau wünsche, verlange ich ein Foto. Sie schickt mir gleich zwei Fotos. Kleidung clever kaufen bei kik. Das ist mein erster Gedanke beim Betrachten des ersten Fotos. Auf sein Aussehen hat man ja nicht wirklich Einfluss, aber auf seine Kleidung schon. Hätte sie doch nur jemanden gefragt, der sich mit Kleidung auskennt. Ein Jutesack wäre sicher eine günstige und durchaus schicke Alternative zu dem Zeug, was sie trägt. Sollte sie echt mal drüber nachdenken. Da ein Schock niemals genug ist, schaue ich mir auch das zweite Foto an. Oh, Gott. Für eine 38jährige sieht sie verdammt alt aus. Mir bleibt nix anderes übrig als ihr mitzuteilen, dass es kein Treffen zwischen uns geben wird. Anschließend gehe ich ins Kino. Ich will schöne Menschen sehen und muss mich von dem Schock erholen.


Eine ganz normale Unterrichtswoche
Zweimal in dieser Woche werden wir von Werner Lorant unterrichtet. Natürlich nicht von dem echten, denn der ist ja Fußballtrainer. Wir haben eine Kopie, die versucht uns etwas beizubringen. Bei mir wird es allerdings schwer für ihn, denn ich habe keine Ahnung wie man Kalkulationsfaktoren und Bezugspreise ausrechnet. Ich weiß nicht einmal, wozu diese Dinge überhaupt gut sind. Rechnen ist mir sowieso zu kompliziert. Dumm nur, dass der Türke es voll raus hat. Irgendwie deprimierend, dass ich ihn ständig fragen bzw. ständig bei ihm abschreiben muss. Auch sonst bin ich irgendwie überfordert von dem ganzen Kram, den man mir beizubringen versucht. Irgendwie langweilt mich das auch alles, weil es mich nicht wirklich interessiert. In der nächsten Woche werde ich ein paar Bewerbungen schreiben, dass ist vermutlich besser für mich.
Meine Mitschülerinnen geben mir auch zu denken. Wenn ich in den Pausen zu denen gehe, höre ich schon von weitem “Achtung, da kommt er wieder.” Irgendwie finde ich das verdächtig. Warum reagieren die so?

Am Dienstag unterhalte ich mich erstmals kurz mit dem Schläfer. Komischer Kauz. Mich findet er scheinbar auch Sonderbar. Er meint ich sei jemand, der sich gerne reden hört. Da mag er wohl Recht haben. Der Türke sitzt gerne auf der Toilette. Direkt nachdem er morgens zum Unterricht erscheint, schnappt er sich den Toilettenschlüssel und verschwindet für eine ganze Weile. Das gleiche Spiel folgt nach der Mittagspause. Darum nennen wir ihn auch immer öfter den Toilettenmann.

Am Mittwoch habe ich das Vergnügen vier Automobilkaufmänner kennen zu lernen, die im Januar ihre Abschlussprüfung haben. Die gehen mir tierisch auf die Nerven. Voll die Spinner. Brüsten sich, was für tolle Autos sie fahren und wie geil sie sind und dass sie nach der Umschulung erstmal drei Monate nicht arbeiten wollen. Einer von ihnen nimmt deshalb angeblich einen Job nicht an. Er muss sich erst ausruhen. Die haben echt voll den Kopfschuss. Da kriegt man direkt Lust sie mit ihren eigenen Autos zu überfahren.

Am Donnerstag plant unser Damenkränzchen eine Weihnachtsfeier für Freitag. Da freu ich mich so sehr drauf, dass ich der Einzige bin, der sich bereit erklärt nichts mitzubringen. Als Begründung gebe ich an, dass ich keine Zeit habe extra für so einen Quatsch einkaufen zu gehen. Da sinkt mein Beliebtheitsgrad direkt. Darauf kann ich allerdings keine Rücksicht nehmen.

Am Freitag sitzen fast alle um den Frühstückstisch. Lediglich Lutz und ich nehmen nicht an dem Tisch Platz. Wir verbringen die Zeit am Fenster, unterhalten uns, machen blöde Witze und gehören einfach nicht dazu. Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich uns für Arschlöcher halten. Nach einiger Zeit kommt Berta zu uns. Sie mag uns, soviel ist schon mal klar. Und wie fast jeden Tag sagt sie, dass ich sie zum Bahnhof fahren soll. Ich sage ihr, dass das nicht geht, da alle Frauen, die bei mir im Auto landen irgendwann mit mir knutschen wollen und ich noch nicht bereit bin mit ihr zu knutschen. Sie meint, ich solle mich nicht so anstellen. Knutschen geht immer. Das hätte sie wohl gerne. Nicht mit mir.
Auf dem Weg zum Parkplatz unterhalten wir uns kurz mit Miss Nasenhaar. Ich kann echt nicht verstehen, dass eine Frau sich mit derart langen Nasenhaaren wohl fühlt. Irgendwie habe ich Angst, dass diese Haare nach mir schnappen. Ich versuche mir vorzustellen, wie die Haare in ihrem Gesicht umherwehen, wenn es mal windig ist. Kein schöner Gedanke. Die Ferien werde ich brauchen, um mich von dem Schock zu erholen. Ich fürchte ich kann nie wieder Sex haben, weil sich der Anblick der wehenden Nasenhaare in mein Gehirn eingebrannt hat. Scheiße, ich bin verloren.


Jaqueline
Anstatt etwas halbwegs Sinnvolles zu tun, melde ich mich ein paar Tage nach dem Schock mit Kelly in einem anderen Chat an. In meinem Profil mache ich mich fünf Jahre jünger, da man mit siebenunddreißig einfach zu alt ist, um beachtet zu werden. Ich klicke viele Profile an, um zu sehen, wie alt die Frauen sind, die sich hinter zum Teil ziemlich bescheuerten Nicknamen verbergen, und um zu sehen, woher die Frauen kommen. Jaqueline ist 25 Jahre, kommt aus Dortmund, dem Foto nach ist sie Übergewichtig, nicht wirklich attraktiv und ihre Augen gucken in verschiedene Richtungen. Da es spät ist und ich keine Lust mehr habe noch weiter zu suchen, schreibe ich sie an. So erfahre ich, dass sie öfter ins Bierhaus Stade und in Antons Bierkönig geht. Soweit ich mich erinnere sind Frauen, die dort hingehen, leicht zu haben. Zumindest der Legende nach. Bestätigt hat sich das bisher für mich noch nie. Weil ich nicht so viel Zeit habe, teile ich ihr mit, dass wir uns demnächst im Bierkönig sehen. Sie fragt, wie sie mich erkennen soll. Ich teile ihr mit, dass sie sich eine Blume ins Haar stecken soll, dann werde ich sie erkennen. Sie will sich keine Blume ins Haar stecken. Weil ich meinen Schlaf brauche, mir das Ganze irgendwie zu kompliziert wird und sie sich keine Blume ins Haar stecken will, muss ich die Kommunikation beenden. Vorher frage ich sie noch, wie wir in Kontakt bleiben. Sie gibt mir ihre Telefonnummer. Das ist ziemlich sinnlos, kann sie aber nicht wissen, da ich mit Telefonnummern einfach nichts anfangen kann. Damit hat sich das Thema Jaqueline auch schon erledigt. Chatten ist einfach vollkommen sinnlos für mich.


Silvester mit Gisa
Den Jahreswechsel verbringen Gisa und ich spontan zusammen. Wir wandern durch Dortmund, trinken hier und da etwas und um Mitternacht verzichten wir darauf uns ein Frohes Neues Jahr zu wünschen. Und aufs umarmen verzichten wir auch, was ich schade finde, weil ich sie echt gerne umarmt hätte. Wir sind echt komisch, besonders ich. Trotzdem ist es ein durchaus gelungener und entspannter Jahreswechsel und vor allem, war es überraschend für mich, weil ich damit nicht gerechnet hätte, dass wir zwei einmal zusammen den Silvesterabend verbringen würden. Irgendwie habe ich eine Schwäche für intelligente und attraktive Frauen, so viel steht jedenfalls fest.


Jahresrückblick 2007
mit mehr als einer Frau Sex gehabt – mehr Frauen geküsst als ich für möglich gehalten hätte – 3 Mal im Kino gewesen – 6 Erkältungen gehabt – nur 7 Mal joggen gewesen – Brusthaare wachsen lassen, dafür die Achselhaare rasiert – Ein Wochenende in Holland verbracht (mit einer Frau) – Augenbrauen und Wimpern färben lassen – für Sex nach Gummersbach gefahren – gesagt bekommen, dass ich schlecht im Bett bin – ständig pleite gewesen – erklärt bekommen, dass ich naiv bin – fremde Frauen angesprochen – Umschulung begonnen – nicht einen Tag gearbeitet – für kurze Zeit kein Single gewesen

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert