Juli 2008

Der Rest der vierten Praktikumswoche
Der Dienstag spült relativ viele Kunden in unser Haus. Ich allerdings rede nicht mit denen, weil die eh nur gucken wollen. Ich sitze das jetzt aus. Es ist schweinewarm und ich schwitze völlig unmotiviert vor mich hin.

Irgendwas scheint hier mittlerweile vollkommen falsch zu laufen, denn ich bin nur noch der Postmann, welcher ab und zu einen Wagen umparkt, ein Fahrzeug abmeldet oder eines anmeldet. Seit heute 11.37 Uhr steht ein Jeep Patriot etwa 47 cm weiter links und in einem etwas anderen Winkel vor dem Zaun. Mein Verdienst. Was bin ich bloß für ein fähiger Mann!?!

Bevor ich am Mittwoch meinen Dienst antrete, kaufe ich mir ein paar Leckereien in der Apotheke. Dolormin, Gelomyrtol und Nasic Nasenspray. 26 € für Erkältungskram. Fantastisch. Und das schöne ist, dass ich die Sachen tatsächlich brauche, weil ich seit gestern übel verschnupft bin. Sollte ich endlich die dritte Erkältung des Jahres haben? Und warum muss das hier so heiß sein? Ich will jetzt duschen.

Am Donnerstag beginnt mein Arbeitstag bereits um 06.00 Uhr, denn ich darf einen Kollegen nach Detmold bringen, weil er dort zu einem Lehrgang muss. Zum Glück darf ich ihn mit meinem Wagen bringen. Als Belohnung wird mein Wagen vor der Abfahrt vollgetankt. Da mein Tank ziemlich leer ist, ist es ein ganz gutes Geschäft für mich. Wenn ich nur nicht so müde wäre.
An unserem Ankunftsort gibt es Brötchen und Kaffee für mich. Dummerweise ist auf den Brötchen Remoulade und Kaffee nicht gerade mein Lieblingsgetränk. Dafür ist es umsonst. Nach der schrecklichen Mahlzeit fahre ich zurück ins Autohaus, wo ich bis 16.30 Uhr einfach nur noch dasitze, vor mich hinstarre, schwitze, einen Rüffel bekomme und mich nur mit Mühe und Not wach halten kann. Zu meinem Schnupfen hat sich mittlerweile ein nervender Husten gesellt. Das ist definitiv die dritte Erkältung des Jahres. Hat auch verdammt lange auf sich warten lassen. So wird das daher nichts mit einem neuen Erkältungsrekord.

In der Nacht zu Freitag ziehe ich mich zweimal um. Nicht, weil mir mein Nachtgewand nicht gefällt, sondern weil es vollkommen durchgeschwitzt ist. Ich liebe Erkältungen. Am Freitagmorgen darf ich zwei Autos anmelden und deshalb bereits um 08.15 Uhr meinen Dienst antreten. Die Anmeldungen führen mich nach Lünen und Marl. Ich darf mit einem Hyundai Santa Fe fahren und bin über drei Stunden unterwegs. Meine Erkältung nervt und meine Brote liegen zu Hause im Kühlschrank. Was für ein schöner Tag. Vor Freude kaufe ich mir in der Apotheke Aspecton. Weitere 7,50 € kommen auf das Erkältungskonto. Jetzt fehlt nur noch ein Antibiotikum, dann ist die Erkältung perfekt.
So geht eine deprimierende Praktikumswoche zu Ende. Vielleicht sollte ich mich direkt nach meiner Umschulung einschläfern lassen.

Arbeitszeit in dieser Woche: 48 Stunden und 15 Minuten.


Offene Beziehung oder Ausschließlichkeitsbeziehung?
Ursula und ich schreiben uns regelmäßig Briefe. In ihrem letzten steht, dass sie sehr viel für mich empfindet und ich bin darüber schon ein wenig überrascht. Sie überlegt sogar, ob sie die Sache mit dem anderen Mann beendet. Jetzt bin ich vollkommen überrascht. Als sie dann auch noch sagt, dass sie doch nicht zweigleisig fahren kann, bin ich irritiert. Was bedeutet das nun für unsere Zukunft? Bleibt es bei einer offenen Beziehung oder nicht? Wir vereinbaren, dass erstmal alles bleiben soll, wie es ist. Niemand von uns will eine Ausschließlichkeitsbeziehung, was mich irgendwie erleichtert.

Am Samstag kommt Ursula vorbei, um den alten Kühlschrank aus der Wohnung meines Onkels abzuholen. Das ist sehr schön, da wir uns eigentlich aus Zeitgründen vier Wochen nicht sehen sollten. Nachdem der Kühlschrank verstaut ist haben wir noch ein wenig Zeit. Und da wir ständig an uns rumfummeln dauert es nicht lange bis unsere Hosen geöffnet sind und runtergezogen werden. Sie möchte, dass ich sie von hinten am Sekretär nehme, was ich selbstverständlich sofort mache. Ich liebe unseren Sex, denn er ist irgendwie wild und frei. Nach der Nummer haben wir noch ein wenig Zeit, welche wir leidenschaftlich auf dem Fußboden verbringen. Irgendwann fragt sie mich, ob wir Notgeil sind. Ich verneine, obwohl ich vermute, dass wir es doch sind. Das ist definitiv die sexuellste Beziehung, die ich jemals hatte und ich bin sehr gespannt, wie es weiter geht. Ich glaube, guter Sex ist eine gute und gesunde Sache.


Fünfte Praktikumswoche
In dieser Woche habe ich das Vergnügen zu erfahren wie es ist, wenn der Chef im Urlaub ist. Einmal im Jahr gönnt er sich diesen Luxus. Und kaum ist er fort ist die Situation viel entspannter. Ein Zustand, den man fast schon genießen kann. Außerdem fehlt der Lagermann für drei Tage, was für weitere Entspannung sorgt, da er definitiv der unbeliebteste Mann im Hause ist.
Wir parken ein paar Autos um, ich erstelle Preisschilder und in dieser Woche ist mein Fahrzeug für Erledigungen ein Subaru Impreza. Gefällt mir gar nicht die unübersichtliche Klapperkiste.

Nachdem ich mich am Montag darüber beschwert hatte, dass hier keine schönen Frauen herein kommen, betritt eine attraktive Osteuropäerin den Laden. Durch Zufall bin ich bei Willi im Büro und sie kommt direkt auf mich zu. Lecker Schnitte. Sie möchte einen Chevrolet Matiz 0.8 S kaufen. Ich bin verwirrt, zeige ihr einen Chevrolet Kalos und sage “Den wollen Sie ja nicht.” Schöne Frauen angucken und zugleich ein Auto verkaufen ist gar nicht so einfach. Wenige Augenblicke später habe ich mich wieder einigermaßen im Griff und nehme sie mit in mein Büro, um sie zu vernaschen. Ich berechne eine Finanzierung und ohne es zu merken verkaufe ich einen Matiz in Orange. Zumindest fast, denn da der Wagen finanziert werden soll, muss die Bank erst zustimmen. Daran wird es vermutlich scheitern. Vernascht habe ich sie natürlich auch nicht. Knapp zwei Stunden später hat sich mein erster Verkauf erledigt, denn die Kundin bekommt keinen Kredit. Ich denke, das ist ein Zeichen. Ich bin hier falsch. Es soll nicht sein. Weil ich traurig bin, spiele ich online ein wenig Bubbles. Von Kunden lasse ich den Rest des Tages die Finger. Die bringen nur Unglück.

Am Mittwoch fahre ich mit einem Kollegen nach Kerpen, um einen Kia Picanto abzuholen. So komme ich wenigstens wieder aus meinem Büro heraus und muss mich nicht mit Kunden, die kein Geld haben, rumärgern. Der Kia ist in der Stadt akzeptabel. Auf der Autobahn ab Tempo 100 vergeht mir jeglicher Spaß. Bei 120 fühle ich mich recht unwohl und mehr als 140 trau ich uns nicht zu, da das Auto meiner Meinung nach auch nicht für mehr gebaut wurde. Man muss nicht alle Grenzen austesten.

Am Donnerstag kehrt der Lagermann zurück. Wie eine Spinne sitzt er auf seinem Platz und beobachtet alles ganz genau. Er wartet nur darauf, dass irgendwo jemand unachtsam ist, dann schnappt er zu. Alle halten ihn für eine linke Petze. Warum er mir heute zum ersten Mal seit ich hier bin zur Begrüßung die Hand gibt, weiß ich nicht. Irgendwie unheimlich. Schnell flüchte ich nach Marl, um ein Fahrzeug anzumelden. Nicht, dass ich mich in seinem Netz verfange. Den Rest des Tages sitze ich einfach nur da und warte, dass es vorbei ist. Herrliches Praktikum.

Der letzte Tag der Woche beginnt mit einer Fahrzeuganmeldung. Danach passiert lange Zeit nichts, bis gegen 14.00 Uhr ein merkwürdiger Mensch den Laden betritt. Er sieht aus wie einer, der noch bei Mama wohnt, Frauen nur aus dem Fernsehen kennt und den weder Frisur noch Kleidung interessieren. Meine Kollegen meinen, dass sie mir diesen großartigen Kunden schenken. Ich will zwar nicht, aber der Typ sieht so kurios aus, dass ich doch ein wenig neugierig bin, wie schräg er am Ende wirklich ist. Seine Haare sehen aus wie angetackert und seine Kleidung verströmt einen muffigen Geruch. Seine Zähne könnten ein wenig weißer sein und ich frage mich, ob er nur hier ist, um sich mit jemandem zu unterhalten. Schnell stellt sich heraus, dass es so ist. Er arbeitet beim DRK, ist Elektriker und macht nebenbei seinen Meister, er ist 38 Jahre und hat fast alles erlebt. Er kennt sich mit zertrümmerten Gelenken ebenso gut aus wie mit schlechter Verdrahtung. Wenn er die Geschichten seines Großvaters aus dem 1. und 2. Weltkrieg erzählt, hat man das Gefühl, er wäre selbst dabei gewesen. Nein, dieser Mann wird kein Auto kaufen. Dieser Mann hat einfach nur viel zu erzählen. Etwa anderthalb Stunden lausche ich seinen Geschichten, dann ist es überstanden. Es war anstrengend, doch es hatte auch einen gewissen Unterhaltungswert. Den zwar erst im Nachhinein, aber immerhin. Scheinbar habe ich ein Händchen für besondere Kunden.

Arbeitszeit in dieser Woche: 45 Stunden und 27 Minuten.


Sechste Praktikumswoche
Noch bevor ich am Montag mein Büro betrete habe ich das Gefühl, dass der Zeitpunkt gekommen ist, mich nach einem anderen Praktikumsplatz umzusehen, denn hier wird es mit Sicherheit nicht besser. Warum also länger bleiben als nötig? Der Chef ist wieder da und Willi, mein siebzigjähriger Arbeitskollege, hat ab heute drei Wochen Urlaub und weiß nicht, ob er noch einmal wiederkommen wird. Georg, meinem jüngeren Kollegen wurde mitgeteilt, dass er seinen Augusturlaub besser nicht fest einplant. Eine Begründung wurde nicht mitgeliefert. Herrliche Informationen am frühen Morgen. Und als Krönung darf ich mit einem Subaru Libero die Post abholen. Wenn das keine Zeichen sind, was dann? Subaru Libero, alleine der Name verströmt einen Hauch von Manni, der Libero und erinnert an Kaiser Franz. Dazu sieht der Wagen einfach nur lustig aus. Wie eine Behinderung, aber auch irgendwie faszinierend. Nach dem Postdienst wird mir eine neue Aufgabe zugeteilt. Ich darf den kompletten Fahrzeugbestand überprüfen, alle Daten abgleichen und in den Autobörsen nach Fehlern in den Auszeichnungen suchen. Klingt zunächst nicht kompliziert, erweist sich aber als eine äußerst undankbare Aufgabe, da hier doch einiges arg durcheinander zu sein scheint. Da werde ich wohl viel Zeit mit verbringen.
Es ist bereits nach 17.00 Uhr als mein Chef mich darauf hinweist, dass ein Kunde zu mir kommt, der ein Auto kaufen wird. Wie unpassend, wollte ich doch gerade eine Kleinigkeit essen. Da der Kunde bekanntlich König ist, bitte ich ihn in mein Büro. Er interessiert sich für einen Chevrolet Lacetti. Sehr interessant, da mir das Auto gänzlich unbekannt ist. Sage ich ihm aber nicht. Und dann mache ich erneut eine neue Erfahrung, denn wir verhandeln über eine Stunde. Knackpunkt ist sein altes Fahrzeug, welches ich nicht haben will. Und er will nicht kaufen, wenn sein Fahrzeug nicht wegkommt. Da eh gleich Feierabend ist, beschließe ich, dass die Verhandlungen zu nichts führen und lasse ihn gehen. Ich begleite ihn selbstverständlich nach draußen. Dort kommen wir allerdings nicht an, da mein Chef uns abfängt, ein wenig plaudert und den Kunden dann anweist mit mir in mein Büro zu gehen, um dort den Vertrag zu besiegeln. Alles deutet darauf hin, dass ich nicht pünktlich hier rauskomme. Der Kunde ist folgsam und folgt mir in mein Büro. Er zögert noch ein wenig und willigt dann in den Kauf ein. Mein Anteil an diesem Verkauf ist immens groß. Ich habe mein Büro zur Verfügung gestellt, ihm ein Glas Wasser gegeben, ihn rauchen lassen und am Ende einen Vertrag gebastelt, den er, nachdem ich ein paar kleine Änderungen vorgenommen habe, unterschrieben hat. Vielleicht werde ich der Verkäufer der Woche. Wenn man bedenkt, dass ich sogar 45 Minuten länger geblieben bin, um dem Kunden ein Auto zu verkaufen, dann kann nur ich der Verkäufer der Woche werden. Ich freue mich schon auf die Auszeichnung.

Der Dienstag beginnt mit einem Besuch bei der ARGE. Dort scheint der Tag der dicken Frauen zu sein, denn im Wartebereich sitzen sechs echte Maschinen. Eine schwerer als die andere. Was für ein herrlicher Anblick am frühen Morgen. Da ich etwas früh dran bin, kann ich obendrein noch drei weiteren Wuchtbrummen dabei zuschauen, wie sie keuchend zur Arbeit kommen. Welch erschütterndes Schauspiel zu so früher Stunde. In einem Zimmer am Ende des Wartebereichs lacht eine dieser fetten Hummeln vollkommen ausgelassen vor sich hin. Wieso müssen so auffällige Frauen eigentlich obendrein noch eine dermaßen auffällige Lache haben? Das ist verdammt gruselig. Hin und wieder wandert eines dieser Trampeltiere über den Flur, um Kopien zu machen oder einfach nur, um mich mit ihrem herrlichen Anblick zu erfreuen. Planschkühe.
Nach einer Weile bittet mich meine Sachbearbeiterin herein. Sie wird auch mit jedem Besuch fetter und unfreundlicher. Ihr wird sicher bei jedem Blick in den Spiegel kotzübel, weshalb sie vermutlich so eine Fresse zieht. Oder sie ist generell frustriert, weil sie so fett und unattraktiv ist. Mir ist das egal, ich will nur meinen halbjährlichen Antrag auf Arbeitslosengeld II abgeben. Dummerweise gefallen ihr meine Kontoauszüge nicht. Der Ausdruck beinhaltet nur die letzten sechs Wochen. Planschi möchte aber Nachweise über die letzten zwölf Wochen. Mein Einwand, dass es bisher immer reichte nur die letzten sechs Wochen vorzulegen, wird sofort damit abgeschmettert, dass ich dann bisher wohl immer Glück hatte. So wie sie aussieht hatte sie schon lange kein Glück mehr. Doch soll ich ihr das sagen, um sie noch mehr gegen mich aufzubringen? Besser nicht. So sage ich ihr, dass ich meine Kontoauszüge immer sofort wegschmeiße und ihr nicht helfen kann. Sie deutet an, dass sie mir dann auch nicht helfen kann und ich besser mit meiner Bank spreche, denn ohne die Kontoauszüge vom Mai 2008 wird es kein Geld geben. Blöde Kuh. Steck Dir doch eine Salatgurke in den Arsch, vielleicht geht es Dir dann besser. Zeit für mich zu gehen, bevor ich ausspreche, was ich denke.

Kaum im Büro angekommen muss ich schon wieder los. Ein Kunde aus Rumänien muss zur Zulassungsstelle gebracht werden, um dort eine Kurzzeitanmeldung zu erhalten. Dummerweise spricht der Mann kein Deutsch und ich kein Rumänisch. Bleibt nur Englisch, was ich seit mindestens zwanzig Jahren nicht mehr sprechen musste. Irgendwie schaffen wir es dennoch alles zu erledigen und ihn glücklich und zufrieden zurück zu bringen. Ein erster kleiner Lichtblick an diesem trüben Tag.
Weiter geht es zur Abholung einer Tafel mit den Kfz-Reparaturbedingungen. Ich gehe in ein Büro und treffe dort auf ein junges Mondkalb. Auch hier scheint der Tag der Übergewichtigen zu sein. Schnell packe ich die Tafel und verschwinde. Langsam wird es unheimlich.
Zurück im Büro darf ich den Kaufvertrag von gestern noch einmal überarbeiten und ausdrucken. Zu viele Kleinigkeiten missfallen dem Chef. Dazu darf ich die bekloppte Arbeit von gestern fortführen und muss mir von der Spinne Scherze über meine verlorene Jungfräulichkeit als Verkäufer anhören. Wenn das kein herrlicher Tag ist, dann weiß ich es auch nicht. Vielleicht ist es jetzt der richtige Zeitpunkt mir den Finger in den Hals zu stecken und auf irgendeine Motorhaube zu kotzen.

Am Mittwoch muss ich bei Staples Toner bestellen. Die Frau an der Kasse gefällt mir. Und so habe ich das Vergnügen sie anzugucken. Toppen werde ich dieses Erlebnis heute mit Sicherheit nicht mehr.
Etwas merkwürdiges ereignet sich am frühen Nachmittag. Ein Mann mit Krücken inspiziert die Fahrzeuge in unseren Ausstellungsräumen. Er spricht unsere Sprache nicht, weshalb er mir sofort zu verstehen gibt, dass er nicht belästigt werden will. Hin und wieder legt er seine Krücken weg, um in oder unter das eine oder andere Fahrzeug zu klettern. Außerdem begutachtet er jeden Motorraum und klopft hier und da, um die Qualität der einzelnen Fahrzeuge besser beurteilen zu können. Wir lassen ihn gewähren. Möglicherweise hat sein Therapeut ihm dieses Verhalten empfohlen oder er hat als Kind nicht mit Autos spielen dürfen. Jedenfalls ist er bei allem was er tut hochkonzentriert und sehr gründlich. Nachdem er unter einem Chrysler 300C gelegen hat ist es Zeit für ein paar Prospekte. Auch diese studiert er unglaublich genau. Ist er am Ende gar ein Spion? Nach über zwei Stunden ist der Spuk vorbei und keiner weiß, was das tatsächlich zu bedeuten hatte.
Kurz vor Feierabend kommt ein Pärchen in den Laden. Sie interessieren sich für einen Chevrolet Kalos. Ich fürchte, ich werde auch heute wieder ein wenig länger bleiben. Ich verkaufe den Wagen zwar nicht, aber immerhin werde ich von den Kunden für die gute Beratung gelobt. Das tut gut. Hätte nicht gedacht, dass ich so etwas eines Tages erleben darf. Um 19.13 Uhr ist mein Arbeitstag beendet.

Am Donnerstag gegen 08.47 Uhr wird der Chevrolet Lacetti geliefert. Ich bin entzückt. Jetzt kann nicht mehr viel schief gehen. Danach passiert einige Zeit nichts.
Gegen 15.00 Uhr kommt der Kunde, wegen dem ich gestern etwas länger bleiben durfte, vorbei. Er hat noch ein paar Fragen und sagt, dass er auf jeden Fall sein Fahrzeug hier kaufen wird. Nachdem mein Chef ihm gesagt hat, dass er schnell zugreifen muss, bevor das ausgewählte Fahrzeug verkauft ist, fährt er seine Frau abholen. Gegen 16.00 Uhr, ich gönne mir gerade eine Schnitte Brot, hat er seine Frau dabei. Wir diskutieren noch ein Weilchen, dann verkaufe ich den beiden einen roten Chevrolet Kalos. Mein zweiter Verkauf in dieser Woche. Langsam wird es unheimlich. Vielleicht sollte ich mich bei Chevrolet bewerben.

Freitag nach dem Postdienst darf ich ein Fahrzeug anmelden. Im Wartebereich des Straßenverkehrsamtes stinkt es nach Pisse. Kurz bevor ich vor Übelkeit vom Stuhl falle setzt sich ein älterer Mann neben mich. Er sieht unauffällig aus, doch sein Mundgeruch ist alles andere als unauffällig. Wieso muss der neben mir sitzen und wieso stellt er das Atmen nicht ein? Ich drehe mich weg, um diesen üblen Gestank nicht weiter ertragen zu müssen. Gibt es denn wirklich keine Gesetze gegen derartige Belästigungen?
Ab 13.00 Uhr bin ich neben dem Chef der einzige Verkäufer im Haus. Und schon klingelt permanent das Telefon, ich habe ständig Kunden, muss eine Probefahrt machen, mich mit einem frustrierten Kunden, der nur Englisch spricht, rumärgern und Fragen beantworten, die ich definitiv nicht beantworten kann. Es wird scheinbar täglich schlimmer und stressiger. Wenn das so weitergeht bekomme ich noch während des Praktikums einen Herzinfarkt.

Da eine Fünf-Tage-Woche nicht genug ist, bin ich am Samstag selbstverständlich auch im Büro und darf nach langer Zeit mal wieder Kaffee kochen. Ansonsten passiert nichts. Es ist Love Parade…

Arbeitszeit in dieser Woche: 53 Stunden und 05 Minuten.


Love Parade
Am Samstagabend bin ich mit Miss Telefon verabredet. Dummerweise habe ich nicht bedacht, dass Dortmund wegen der Love Parade im Ausnahmezustand ist und Miss Telefon wohnt direkt im Krisengebiet, was mir aber erst bewusst wird als ich mit meinem Benz im dicksten Stau lande und umgeleitet werde. Als ich endlich einen Parkplatz finde ist dieser etwa 30 Minuten Fußweg von meinem Zielort entfernt. Glücklicherweise habe ich heute meine unbequemsten Schuhe an. Der Fußmarsch kann beginnen. Vorbei an jungen, ausgelassen, besoffenen oder anderweitig zugedröhnten Menschen wandere ich durch Dortmund. Blaulicht und Sirenen begleiten meine Wanderung. Ich bin leicht irritiert, denn in Fernsehberichten über die Love Parade sieht man meist schöne Frauen mit schönen Körpern. Mir kommen nur Kaputte entgegen. Manche davon sehen aus wie menschlicher Müll. Wo sind die schönen Frauen? Wieso wird so ein Aufwand für Verrückte betrieben? Wer bezahlt den ganzen Scheiß und wozu?

Miss Telefon, die attraktivste Frau, die ich heute zu sehen bekomme, und ich setzen uns etwas abseits des Geschehens in einen Biergarten. Direkt vor uns kotzt ein Arschloch. Mir wird schlecht. Wir trinken aus Pappbechern, da wegen der Verrückten keine Gläser im Umlauf sein dürfen. Was für eine kranke Welt. Gegen 23.00 Uhr machen wir einen kurzen Spaziergang durch die Menschenmassen. Der Boden ist schmutzig und meine Schuhe nach kurzer Zeit auch. Es ist allerdings durchaus interessant all die Verrückten aus der Nähe zu betrachten. Schöne Menschen sieht man selten. Abgesehen von meiner Begleitung natürlich. Vermutlich sind die anderen schönen Menschen an einem anderen Ort. Hier sind nur die Verrückten. Zeit zu gehen. Dies ist nicht meine Welt.


Siebte Praktikumswoche
Seit heute ist ein Praktikant für eine Woche hier und ich darf mich ein wenig um ihn kümmern. Darum muss er sich ein wenig um die Schaufensterwerbung kümmern. Besser er als ich. Unglücklicherweise funktioniert nach kurzer Zeit der Drucker nicht mehr und so kann ich ihn nicht mehr wirklich beschäftigen. Das Leben eines Praktikanten ist kein Zuckerschlecken. Mein Praktikant gehört zur Generation Dick. Er ist zwanzig Jahre und dürfte locker zwanzig Kilo weniger wiegen. Gesünder wäre es jedenfalls, wenn er weniger wiegen würde. Andererseits sind diese gemütlichen Typen ja so knuffig. Ich lach mich schlapp.

Am Dienstag passiert lange Zeit nichts. Ich erledige ein paar Botengänge, beschäftige den Praktikanten und starre vor mich hin. Gegen 14.17 Uhr kommen Kunden. Mein Kollege und ich einigen uns darauf, dass er sich darum kümmert. Dummerweise klingelt sein Telefon und da ich gerade da bin, frage ich die Kunden, ob ich ihnen irgendwas antun kann. Sie interessieren sich für einen roten Chevrolet Matiz. Ich zeige ihnen den Wagen und ohne dass ich etwas dazu kann, kaufen sie ihn. Ich bin mehr als überrascht, denn damit habe ich beim besten Willen nicht gerechnet. Der Tag ist gerettet. Chevrolet und ich, das scheint zu passen. Auch wenn ich nicht wirklich etwas dazu kann, dass die Kunden Fahrzeuge kaufen, obwohl ich sie beraten, beziehungsweise vollgequatscht habe.

Der Mittwoch ist ein blöder Tag. Ich bekomme ein paar Notizen, die Willi, der sich im Urlaub befindet, gemacht hat und soll herausfinden, was die Notizen zu bedeuten haben. Manchmal habe ich nichts weiter als eine Telefonnummer. Das ist wieder eine dieser vollkommen behinderten Aufgaben für Praktikanten. Da mein Praktikant mich heute auf 29 Jahre geschätzt hat, lasse ich ihn zur Belohnung einige Leute anrufen. Er freut sich tierisch, dass er das tun darf und ich freue mich, dass er sich freut, denn mir sind solche Aufgaben zuwider. Wirklich weiter bringt uns diese Aktion nicht, weshalb sie am Donnerstag fortgesetzt wird, da wir eine Menge dieser Notizen auf Willis Schreibtisch gefunden haben. Herrlich sinnloser Schwachsinn, der mir den Tag versaut.

Georg sagt mir am Donnerstag, dass er mich auf höchstens 32 geschätzt hätte. Auch er kann nicht glauben, dass ich schon so alt bin. Nun, ich kann es auch nicht glauben. Mit der Kundin, mit der ich schon letzte Woche eine Probefahrt machen durfte, mache ich heute eine weitere Probefahrt. Nachdem sie beim letzten Mal ihre Tochter dabei hatte, hat sie heute eine Freundin dabei. Ich glaube, die haben Langeweile und wandern von Händler zu Händler, um Probefahrten zu machen. Alles Verrückte. Bin schon gespannt, wen sie nächste Woche mitbringt. Als sich wenig später ein Ehepaar einen Chevrolet Captiva anschaut, frage ich direkt, ob ich den Wagen für die beiden einpacken soll. Die Frau findet den Wagen etwas schmal, worauf ich ihr sage, dass wir bestimmt irgendwo Zubehör finden, um den Wagen ein wenig zu verbreitern. “Sie sind wohl ein Witzbold.” Ich glaube nicht, dass ich ein Witzbold bin, weshalb ich auf ihren Kommentar nicht weiter eingehe. Im Laufe des Gesprächs stellt sich heraus, dass die beiden einfach nur Autos gucken wollen. Sagen sie zwar nicht, doch für mich ist das offensichtlich. So zeige ich ihnen noch ein paar Autos und versuche kein Witzbold mehr zu sein. Nachdem sie alles gesehen haben fahren sie zum nächsten Händler. Vielleicht wartet dort der nächste Witzbold auf sie.

Unser dicker Praktikant taugt auch nichts. Die Hälfte von dem, was man ihm sagt, vergisst er direkt wieder. Er guckt Filme auf seinem Laptop und frisst mir alle Bonbons weg, er lässt sich so lange Zeit mit den Arbeiten anzufangen bis er einen dezenten Einlauf bekommt. Nach knapp fünf Tagen nimmt er sich viel raus und leistet wenig. Nächste Woche kommt ein anderer Praktikant. Danach wird entschieden welcher von den beiden ein drei- oder viermonatiges Praktikum hier machen wird. Wenn der Typ nächste Woche kein Vollidiot ist, dann hat der Praktikant von dieser Woche verloren. Der ist ja noch fauler und unnützer als ich. Außerdem sagt er mir ständig, dass er hier gerne sein Praktikum machen möchte und ich ein gutes Wort für ihn einlegen soll. Der spinnt wohl. Der soll lieber aufpassen, dass er nicht platzt.

Arbeitszeit in dieser Woche: 46 Stunden und 10 Minuten.


Emmas Comebackversuch
Knapp sechs Wochen nach ihrem Ausstieg aus meinem Experiment meldet sich Emma per SMS und möchte wissen, wie es mir geht und wie mein Praktikum läuft. Wir texten ein paar Mal hin und her. Sie schreibt, dass sie noch keinen Mann gefunden hat und ich schreibe ihr, dass ich mich regelmäßig mit Ursula treffe. Sie scheint ihren Ausstieg zu bereuen, denn sie schreibt »Manchmal fragt man sich halt warum man ne Entscheidung so getroffen hat. Aber seis drum.“ – „Du wirst Deine Gründe gehabt haben. Hättest Du doch nur etwas länger durchgehalten.“ – „Tja, hätte ich mal. Aber wie sagt man so schön: Lassen sie mich Arzt, ich bin durch.“ Da ich davon ausgehe, dass es ohne Experiment und mit dem Wissen, dass mit uns nichts laufen wird ein lockeres Wiedersehen geben könnte, schlage ich ihr vor, dass wir uns irgendwann mal auf einen Kaffee treffen können. Sie findet die Idee gut.

Zweimal verabreden wir uns zum Kaffee und zweimal sagt sie kurzfristig ab. Angeblich tut es ihr Leid. Ich teile ihr mit, dass ich sie für ihre Absagen bezahlen lasse. Sie fragt wie und ich schreibe, dass sie sich etwas einfallen lassen soll. „Fällt mir schwer bei der Basis, die da heißt Wir trinken nur noch zusammen Kaffee.“ – „Wir könnten ja mal eine Ausnahme machen, wenn Du Deine goldene Regel brichst.“ – „Ich denk mal darüber nach, aber eigentlich gilt, lieber keine als zweite.“ – „Nun, Du musst ja keine Reihenfolge festlegen. Bringt nämlich nichts und küssen ist gesund. Besser gut geküsst als gar nicht.“ – „Das ist natürlich ein Argument. Küssen ist ja auch super.“ – „Und wir haben beim Küssen sehr gut harmoniert. Das ist ein weiteres Argument.“ – „Ja, war definitiv schön. Zwei gute Argumente.“ – „Also wenn wir uns treffen und Du Lust hast, gib mir ein Zeichen. Oder küss mich einfach. Mir würde es gefallen und Dir auch.“ – „Ich küss Dich dann einfach. Bin ja mutig.“ Und so einigen wir uns darauf, dass wir uns am Sonntag treffen.

Am Sonntag sagt Emma erwartungsgemäß zum dritten Mal ab. Sie hat bis 04.00 Uhr gearbeitet und kann sich deshalb nicht um 14.00 Uhr mit mir treffen. Ich glaube, die hat Angst oder ist verwirrt. Mir ist das allerdings egal, denn so kann ich nach fast fünfwöchiger Pause endlich mal wieder joggen. Ich jogge 31 Minuten, aber ich hätte doch schon gern Emma geküsst.


Achte Praktikumswoche
Was hat man von dem schönen Wetter, wenn man von 09.00 Uhr bis 18.30 Uhr in einem Büro sitzt, welches nicht einmal klimatisiert ist und in dem man selbst dann schwitzt, wenn man sich kein bisschen bewegt? Wie soll man dem schönen Wetter da etwas Gutes abgewinnen? Jedes Jahr gibt es neue Gründe den Sommer zu verfluchen, in diesem Jahr ist es halt ein Praktikum. Verfluchter Sommer. Hau ab, Du nervst.
Unser neuer Praktikant ist Klasse. Ein verpickeltes Bürschchen ohne Führerschein. Was soll man mit so einem anfangen? Den kann man nirgends hinschicken. Außerdem sieht sein verpickeltes Gesicht ziemlich Scheiße aus. Vielleicht wäre eine Gesichtsmaske hilfreich. Oder er lässt sich den Kopf abschlagen. Stopp. Jetzt gehe ich zu weit. Schließlich ist er ein Mensch, der mitten in der Pubertät steckt. Da hat man halt so seine Probleme. Und wer weiß, vielleicht sind wir am Ende der Woche alle von ihm überzeugt. Er ist 20 Jahre alt und wird täglich von seinem Vater zur Arbeit gebracht und auch wieder abgeholt. Er und sein Vater sehen sich ziemlich ähnlich. Sein Vater verzichtet allerdings auf die Pickel. Irgendwie ist es süß, dass er von seinem Vater abgeholt wird, dafür bekommt er spontan ein paar Sympathiepunkte. Einen Führerschein hat er übrigens deshalb nicht, weil es ihm am nötigen Kleingeld fehlt. Armer Kerl. Immerhin scheint er sich Dinge besser merken zu können als der dicke Praktikant der letzten Woche. Überhaupt ist er ziemlich unauffällig. Er ist allerdings auch ziemlich träge, vor allem was seine Bewegungen angeht. Fürs Abstauben der Fahrzeuge hat er einen neuen Langsamkeitsrekord aufgestellt. Wenn er in mein Büro kommt, um mich irgendwas zu fragen, hat das Zeitlupencharakter. Selbst George A. Romeros Zombies bewegen sich schneller. Ist er gar schon tot? Vielleicht hören diese zombieartigen Bewegungsabläufe mit Ende der Pubertät spontan auf und er wird ein Bewegungswunder. Insgesamt ist er jedenfalls ein unglaublich netter Kerl mit chronischem Durchfall. Neben seiner Führerscheinlosigkeit ist sein Durchfall das zweite wichtige Kriterium gegen ein langes Praktikum hier im Haus. Denn wenn man mal zur Toilette muss, nachdem er dort seinen Durchfall losgeworden ist, ist man einer üblen Situation ausgesetzt. Das geht einfach nicht.
Ich soll neben Autos mittlerweile auch Versicherungen und eine Bankkarte verkaufen. Dummerweise habe ich eine üble Abneigung gegen Versicherungen. Und Bankkarten gehören auch nicht unbedingt zu meinen Steckenpferden. Doch wer weiß, vielleicht mutiere ich hier noch zum Gedönsverkäufer. Bin echt gespannt, was ich den Kunden im Laufe meines Praktikums noch alles anbieten muss. Ich glaube Ayurveda-Wellness Produkte würden gut passen, denn was kann es schöneres geben als nach einer ausgiebigen Autofahrt von Ayurveda-Produkten gepflegt zu werden? Oder Autopolitur. Denn der Kunde will sicherlich, dass sein Auto lange schön bleibt. Ich wette, das Angebotssortiment lässt sich noch um einiges erweitern, denn wie heißt es so schön: “Egal ob Autos, Versicherungen oder Häufi-Windeln, ein guter Verkäufer verkauft alles.” Schade nur, dass ich kein solcher Verkäufer bin. Aber wer weiß, vielleicht irgendwann.
Neulich bekam ich einen Strafzettel, weil ich in Marl ohne Parkscheibe geparkt habe. Ich hätte wirklich gerne eine Parkscheibe benutzt, aber im Wagen des Chefs gab oder gibt es eine solche nicht. Und so wurde mir gestern der Strafzettel zum Bezahlen auf meinen Schreibtisch gelegt. Woraufhin ich dem Chef mitteilte, dass ich nicht verstehe, dass in seinem Fahrzeug keine Parkscheibe liegt. Er meinte, dass er nur dort parkt, wo man keine Parkscheibe braucht und ich selber Schuld habe. Dann forderte er mich auf eine Parkscheibe in seinen Wagen zu legen. Selbstverständlich habe ich mich geweigert, da er nur dort parkt, wo man keine Parkscheibe benötigt und deshalb eine Parkscheibe vollkommen überflüssig ist. Vermutlich bin ich der einzige Praktikant, der nicht nur unverhältnismäßig lange arbeiten muss, sondern für sein Praktikum auch noch bezahlt. Ich glaube, ich bin ein hervorragender Praktikant.
Am Dienstag verkaufe ich erstmals keinen Chevrolet, sondern einen Dodge Avenger mit Gasanlage. Weil die Kunden sehr nett sind bekommen sie obendrein demnächst einen Anruf von der Versicherung. Eine Bankkarte hat der Chef ihnen ganz nebenbei auch angedreht. Möglicherweise hätten sie uns auch Häufi-Windeln abgekauft, wenn wir ihnen welche angeboten hätten.

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