Juli 2013

Salzgrotte
Anfang Juli ist es an der Zeit, etwas zu tun, was durchaus als gesundheitsfördernd zu bezeichnen ist. Zusammen mit Agnes geht es in eine Salzgrotte nach Dortmund, um dort zu entspannen und meinem Körper Gutes zu tun. Begrüßt werden wir von einer attraktiven und sympathischen, jungen Frau mit roten Fingernägeln. Nachdem die Formalitäten geklärt sind, führt sie uns in den Raum, der die Salzgrotte ist. Es befinden sich zwölf Stühle, besser gesagt Liegestühle, in dem Raum. Mit uns zusammen nehmen ein weiteres Pärchen und eine ältere Frau in Begleitung ihrer Tochter dort Platz. Unschwer zu erkennen ist, dass die anderen keine Neulinge, sondern eher regelmäßig hier sind. Wir suchen unsere Plätze aus. Die Luft ist irgendwie komisch. Mir ist es zu warm, zu schwül und ich habe das Gefühl, dass ich hier nicht atmen kann. Eine Decke liegt gefaltet auf meinen Knien. Es ist zu warm für eine Decke. Die Mitarbeiterin bringt Agnes eine zweite Decke. Erscheint mir unsinnig, weil es hier viel zu warm ist. Ich weiß nicht, was ich mit meiner Decke anstellen soll. Die Mitarbeiterin interpretiert das falsch, kommt zu mir, nimmt meine Decke, breitet sie etwas aus und legt sie über meine Beine. Völlig unnötig und peinlich. Ich komme mir etwas behindert vor. Nun wünscht sie uns gute Entspannung und verlässt den Raum.
Mein linkes Nasenloch ist verstopft, die Luft schlecht, ich liege neben fremden Leuten und fühle mich unbehaglich. Ich sehe mich in dem Raum um und glaube, dass ich hier nicht atmen kann. Aus den Lautsprechern kommt merkwürdige Musik. Soll vermutlich entspannen. Ich kann nicht entspannen, denn ich bekomme kaum Luft. Alle anderen im Raum scheinen keine Probleme zu haben. In fünf Minuten werde ich hier raus müssen, sonst ersticke ich. Die Musik verstummt und Meeresrauschen erfüllt den Raum. Besser atmen kann ich davon nicht. Nach einigen Minuten stelle ich zu meiner Überraschung fest, dass meine Nase frei ist. Ich kann doch hier atmen. Die bunten Lampen an der Decke wechseln fröhlich ihre Farben, ich schließe meine Augen und entspanne tatsächlich. Nach einer Weile wird das Rauschen des Meeres von einem Schnarchen begleitet. Die alte Frau ist sanft entschlummert und reißt mich unsanft aus meiner Entspannung. Ich sehe mich um. Alle wirken entspannt, vielleicht schlafen sie sogar. Jemand sollte die alte Frau anstupsen. Ich finde die Situation durchaus befremdlich. Da bezahlen Menschen zwölf Euro, um sich in einen Raum setzen zu lassen und ein Nickerchen zu machen. Verrückte Welt. Kurioserweise muss ich gestehen, dass ich es auch entspannend finde und mich sehr freue, dass meine Nase frei ist und ich atmen kann. Das habe ich anfangs nicht für möglich gehalten. Die Zeit vergeht und schon geht das Licht an und wir müssen den Raum verlassen. Draußen wartet eine andere Mitarbeiterin, um sich von uns zu verabschieden. Sie hat ebenfalls rot lackierte Fingernägel, was ich komisch finde. Ob hier alle Mitarbeiterinnen den gleichen Nagellack tragen müssen? Ich muss gestehen, dass mir die Mitarbeiterin, die uns vorher hier begrüßt hat, besser gefiel.

Die Aufmerksamkeit, welche ich der Mitarbeiterin, die uns anfangs begrüßt hat, geschenkt habe, blieb natürlich nicht unentdeckt und daher fragt mich Agnes, ob mir die Mitarbeiterin gefallen hat. Ich kann es nicht verneinen. Agnes sagt, dass sie das gemerkt hat an meinem grenzdebilen Grinsen, während ich mit der Mitarbeiterin sprach. Dieses grenzdebile Grinsen ist immer erkennbar, wenn ich mit einer Frau spreche, die mir gefällt. Erscheint mir unrealistisch, denn dann müsste ich bei Agens ja permanent grenzdebil grinsen. Grenzdebil klingt schon etwas hart, bedeutet es doch, dass ich mich wie jemand, der nur über schwache Geisteskräfte verfügt, verhalte. Grenzdebile Menschen sind dumm. Ich weiß nicht, was ich sagen soll, versuche das Gespräch in eine andere Richtung zu lenken und sage, dass ich die Mitarbeiterin, die uns verabschiedet hat, nicht so attraktiv fand und es komisch finde, dass in der kurzen Zeit die Mitarbeiterinnen getauscht wurden. Ich muss etwas Komisches gesagt haben, denn Agnes wirkt sehr amüsiert, was ich nicht verstehe. Sie sagt, dass es gar keine andere Mitarbeiterin war, sondern die gleiche wie am Anfang. Diese hat sich nur die Haare hochgesteckt. Agnes amüsiert sich köstlich und ich bin verwirrt, denn für mich waren das zwei völlig unterschiedliche Frauen. Die zweite war definitiv kleiner und die erste definitiv schlanker. Das habe ich genau gesehen. Doch vermutlich grinse ich nicht nur grenzdebil, sondern bin es auch.

Rückenschmerzen. Eine Kopfsache.
Die angespannte Situation der letzten Tage, weil meine Mutter noch immer in einem sehr fragwürdigen Zustand im Krankenhaus liegt, sorgt vermutlich auch dafür, dass meine Rückenschmerzen mich morgens fast umbringen. Zumindest fühlt es sich so an. Mehr als fünf Stunden Schlaf sind kaum möglich, dann werde ich von dieser Plage geweckt. Da ich es derzeit nicht schaffe, mehr als zweimal in der Woche zu trainieren, bin ich meinem Rücken keine große Hilfe. Im Gegenteil. Ich tue auch sonst nicht wirklich etwas, was ihm hilft.

Als Agnes mich besucht, geht es meinem Rücken dennoch einfach so besser. Natürlich wache ich nach fünf Stunden Schlaf auf und spüre ihn, aber im Gegensatz zu den Tagen, an denen Agnes nicht hier ist, ist der Schmerz nebensächlich und ich schlafe wieder ein. Ich muss gestehen, dass ich das so nicht erwartet habe. Sicherlich weiß ich, dass es mir sehr gut tut, wenn Agnes bei mir ist, dass sie aber eine derart gesundheitsfördernde Wirkung hat, hätte ich nicht gedacht. Doch kaum ist sie wieder weg, macht mein Rücken wieder richtig Ärger. Ausschlafen ausgeschlossen. Früher war ich absolut überzeugt davon, dass es für mich niemals in Frage kommt, mit einer Frau zusammen zu leben. Heute bin ich mir, nicht nur aufgrund der gesundheitsfördernden Wirkung einer guten Partnerschaft, nicht mehr davon überzeugt, dass es gut für mich ist, dauerhaft alleine zu leben. Ich bin also doch in der Lage, meine festgefahrenen Meinungen zu ändern und mich weiter zu entwickeln. Das lässt hoffen. Doch weil eine geänderte Meinung keine erkennbaren Eigenschaften, die meine Rückenschmerzen lindern, vorzuweisen hat, muss ich zum Training fahren. Alles andere wäre mir und meinem Rücken gegenüber unverantwortlich.

Er ist wieder da
Eine erstaunlich lange Zeit, ungefähr eine Woche, haben wir nichts von ihm gehört, dann meldet sich Marco, der Mann, der einen Teil seines Gehirns verloren haben muss, erneut bei Agnes. Er schreibt: Solltest Du sauer sein, weil ich mich nicht gemeldet habe, kann ich zu meiner Verteidigung sagen ich bin krankgeschrieben. Erneute Nierenbeckenentzündung mit einem Haufen Arztterminen und Untersuchungen. Die Hoffnung, er könnte endlich verschwunden sein, war, wie erwartet, unbegründet. Er ist wie ein Mittel gegen das es keine Medizin gibt. Eine moderne Seuche in Menschengestalt. Und kaum ist er zurück, geht es weiter mit seinem Mitteilungswahn. Er schreibt, dass er sich zusammen mit Ursula ein gebrauchtes Fahrrad gekauft hat und schickt direkt ein Foto mit. Ein, wer hätte etwas anderes erwartet, rotes Fahrrad, welches meiner Meinung nach viel zu klein für einen ausgewachsenen Erwachsenen ist. Dafür hat er auch nur 350 Euro bezahlt. Als Taxifahrer verdient man anscheinend nicht so schlecht, wie ich es befürchtet hatte. Oder liegt es daran, dass er keine Miete zahlen muss, weil er in einem Haus wohnt, welches seinen Eltern gehört. Vermutlich ist das der Grund, festlegen mag ich mich aber nicht. Ich gehe allerdings davon aus, dass er das Fahrrad selten benutzen wird. Er ist einfach zu groß für ein solches Fahrrad. Kaum ist er diesen Mist losgeworden, teilt er weiteren Schwachsinn mit. Ursula ist sehr glücklich mit mir weil ich kein Mann bin der jede Frau betrügt wie ihr ex. Welchen Ex meint er denn nun schon wieder? Vermutlich mich. Er scheint einfach nicht zu kapieren, dass man in einer offenen Beziehung, die ich nun einmal mit Ursula hatte, mit anderen Frauen irgendwelche Abenteuer eingeht. Außerdem sollte er nicht vergessen, dass er, als er noch verheiratet war, seine Frau mit Ursula betrogen hat. Und ebenfalls nicht vergessen sollte er, dass Ursula sich erst von mir getrennt hat, nachdem er signalisiert hatte, dass die beiden eine echte Beziehung eingehen werden. Also wirft das kleine Äffchen wieder im Glashaus sitzend mit Steinen um sich. Ein Schelm, wer böses dabei denkt.

Café Max
Es muss eine Ewigkeit her sein, dass ich am Wochenende abends aus war. Zumindest kommt es mir so vor und ich kann mich beim besten Willen nicht daran erinnern, wann es war. Umso erstaunlicher ist es, dass es heute Abend soweit ist und ich ausgehe.

Um 19.30 Uhr hole ich Petra ab und wir fahren nach Dortmund. Nach einer kurzen Runde durch die Fußgängerzone, die gut besucht ist, landen wir im Café Max, welches nicht so gut besucht ist, was mir aber ganz gut gefällt. Wir setzen uns an einen Platz, von dem aus wir einen guten Überblick über das Geschehen haben und ich bestelle einen Orangensaft. Wir unterhalten uns, ich beobachte die Leute und die Trinkhalle, die direkt neben dem Café Max ist. Ich erinnere mich, dass ich hier vor einiger Zeit schon mal saß und das Geschehen beobachtet habe. Aber wann war das? Und mit wem war ich hier? Mit Petra vielleicht? Vielleicht. Ich bestelle Bluna. Die freundliche Bedienung sagt mir, dass sie keine Bluna haben und schlägt mir eine Mirinda vor. Da ich die Bedienung sympathisch finde, grinse ich sie blöd, vermutlich sogar grenzdebil, an und bestelle eine Mirinda. Dabei will ich lieber Bluna. Ich genieße es dennoch, einfach hier zu sitzen und Leute, besonders die Frauen, zu beobachten. Die Frauen haben sich den Temperaturen entsprechend luftig angezogen und zeigen viel Haut. So gibt es durchaus Schönes zu sehen. Fast wie in alten Zeiten, nur dass ich viel entspannter bin. Zumindest gehe ich davon aus, weil ich mich nicht bewusst daran erinnern kann, dass ich früher so entspannt war. Weil ich mich auch nicht erinnern kann, wann ich zuletzt abends aus war, kann ich nicht wirklich wissen, ob ich früher nicht doch mal so entspannt war. Ist vermutlich auch scheißegal. Später bestelle ich einen Rooibuschtee, weil ich unter Heuschnupfen leide und ständig niesen muss. Rooibuschtee soll gut bei Heuschnupfen sein. Der Keks, den es zum Tee gibt, macht Lust auf weitere Kekse. Neben uns sitzt eine junge Frau, die irgendwas isst, was ich zwar nicht wirklich erkenne, was mir aber ebenfalls Appetit macht. Mir fällt ein, dass ich keine Banane im Auto habe. Früher hatte ich fast immer eine Banane dabei. Wenn man lange nicht aus war, dann vergisst man tatsächlich oft die wichtigsten Dinge. Ich bin traurig und will eine Banane.
Es ist fast 23.00 Uhr und ich werde immer müder. Normalerweise würde ich mich nun langsam darauf vorbereiten ins Bett zu gehen, aber mein Bett ist weit weg und jetzt ist eher die Zeit, um in eine Disko zu gehen. Ich gehe allerdings davon aus, dass ich das nicht mehr tun werde in diesem Leben. Bin viel zu müde für so etwas. Ob ich alt geworden bin? Ich muss zur Toilette. Die Toiletten für das jeweilige Geschlecht liegen dicht nebeneinander und die Türen stehen auf bzw. sind nicht vorhanden. Wer Lust hat, kann von draußen den Männern beim pinkeln zusehen, was ich irgendwie uncool finde. Die Toiletten selbst könnten in einem besseren Zustand sein. Moderner wäre auch schön. Da ich nicht dabei beobachtet werden möchte, wenn ich mich erleichtere, gehe ich in die Kabine fürs große Geschäft. Irgendwer hat hier tatsächlich sein großes Geschäft erledigt und seine Spuren ordentlich bis zum Rand verteilt. Vielleicht wollte er sein Revier mit Scheiße markieren. Ist ihm gelungen. Mit dem Fuß hebe ich den Klodeckel an und erleichtere mich. Schön ist das hier nicht. Anschließend wasche ich mir ausgiebig die Hände, weil ich Angst habe. Angst vor Keimen und ansteckenden Krankheiten und bin nun plötzlich froh, dass es keine Tür am Eingang gibt. So muss ich mit meinen gewaschenen Händen nichts mehr anfassen. Dann wird es Zeit zu gehen. Petra bezahlt die Rechnung und wir schlendern durch die Fußgängerzone zurück zum Auto. Noch immer sind sehr viele Leute unterwegs und ich beschließe, dass der Sommer genauso bleiben darf und ich unbedingt demnächst wieder einen Abend so verbringen werde. Ob ich mich, wenn ich das nächste Mal ausgehe, noch an diesen Abend erinnern kann? Und werde ich daran denken, eine Banane mitzunehmen? Und wann wird das sein?

Erkältung
Fünfzehn Monate nach meiner letzten Erkältung scheint es mich nun doch erwischt zu haben. Meine Hoffnung, dass es sich nur um eine aggressive Form meines Heuschnupfens handelt, scheint sich nicht zu bestätigen. Eher eine Kombination aus beidem. Meditonsin, Greep-Heel, Nasenspülungen und das Gurgeln mit einer Teebaumöl-Kochsalzlösung scheinen nicht zu helfen. Mitten im Sommer schwächelt mein Körper plötzlich. Meine Begeisterung hält sich sehr in Grenzen. Was soll denn das?

Am nächsten Tag scheint es zunächst besser zu sein, doch gegen Mittag spricht nichts mehr für eine Besserung. Eher im Gegenteil. Der Hals kratzt und die Nase läuft und läuft und läuft. Und wenn es gut läuft, dann muss ich auch Niesen. Nach kurzer Zeit brennt die Nase und ich fürchte, nun ist die erkältungsfreie Zeit tatsächlich vorbei. Was für ein Dreck. Den ganzen Tag nehme ich meine Mittel, am Abend mache ich zum ersten Mal ein Dampfbad. Kopfüber hocke ich über einer Schüssel mit heißem Wasser, Salz und einem Teebeutel. Flüssigkeit tropft aus meiner Nase. Das ist alles vollkommen unangenehm. Dreimal täglich Lymphdiaral Basistropfen, Ibuprofen und regelmäßig Nasenspray, runden mein Erkältungsprogramm ab. Bis auf das Nasenspray und Ibuprofen benutze ich nur homöopathische Mittel und fühle mich gut dabei. Zumindest im Moment. Die Nasenspülung vor dem Schlafengehen klappt leider nicht. Die Salzlösung kann nicht richtig fließen und meine Nase tut dermaßen weh, dass es kaum zu ertragen ist. Nach fünfzehn Monaten Pause hat mich eine scheinbar aggressive Erkältung erwischt. Obwohl ich nachts mehrfach aufwache, geht es mir allerdings erstaunlich gut. Das war früher oft anders. Das Nasenspray sorgt dafür, dass ich durch die Nase atmen kann. Nasenatmung ist eine feine Sache. Nach dem Aufwachen erwarte ich, dass der Tag im Großen und Ganzen wie der gestrige Tag sein wird. Allerdings mit erkennbarem Behandlungserfolg. Alles andere wäre einfach zu deprimierend.
Mein Vater sagt, die Erkältung kommt von meiner Klimaanlage im Benz und ich soll zum Arzt gehen, damit er mir richtig was aufschreibt. Ich erkläre ihm, dass der Arzt nicht wirklich was tun kann, außer ein Antibiotikum zu verschreiben und ich will kein Antibiotikum. Er schlägt vor, dass ich zur Apotheke gehe, um mir Sinupret zu holen. Denn Sinupret ist gut. Ich weiß nicht, ob ich noch ein weiteres Präparat einnehmen will. Mein Vater, bei dem Erkältungen meist rasch vorbei sind, kann nicht verstehen, dass eine Erkältung bei mir so viel Zeit in Anspruch nimmt. Ich kenne das ja eigentlich nicht anders, weshalb ich der Meinung bin, dass eine Erkältung nun mal nicht in ein paar Stunden durch ist. Außer bei ihm, da geht das immer schnell. Ich werde nachher den Heilpraktiker fragen, was er mir rät. Bis dahin versuche ich es mit einer Nasenspülung. Vielleicht klappt es ja besser als gestern Abend. Und tatsächlich klappt die Nasenspülung. Anschließend geht es zum Heilpraktiker. Dieser erweitert die Bioresonanztherapie um ein paar Minuten. Es gibt extra ein Programm gegen Erkältungen. Unglaublich, was es alles so gibt. Er gibt mir noch Engystol und Angocin mit.
Zu Hause angekommen, muss ich mir erstmal einen Plan machen. Zu jeder vollen Stunde gibt es Greep-Heel. Um halb gibt es statt Meditonsin nun Engystol. Nasenspray bei Bedarf. Nach dem Essen, mindestens dreimal täglich, Angocin. Dazu inhalieren mit Soledum, welches ich mir auf Empfehlung von Agnes gerade aus der Apotheke besorgt habe. Dreimal täglich inhalieren muss schon sein. Dreimal täglich Lymphdiaral Basistropfen sowieso. Nicht zu vergessen die regelmäßigen Nasenspülungen und natürlich gesunder Tee für die Atemwege. All das droht mehr Zeit in Anspruch zu nehmen als ein echter Arbeitstag und natürlich vergesse ich ständig irgendwas. Mal die Einnahme eines Präparates, dann Tee zu trinken oder die Nasenspülung. Ich bin überfordert, weil ich zwischendurch einkaufen gehe oder auf dem Balkon sitze, um ein Buch zu lesen. Wenn Agnes mich nicht gelegentlich auf meine Aufgaben hinweisen würde, wäre ich vollkommen verloren. Jetzt fällt mir auch noch ein, dass ich vielleicht noch einen Hustensaft oder Hustentropfen gebrauchen könnte. Vielleicht wäre ein Kombipräparat die einzig wahre Lösung. Vielleicht aber auch nicht. Ibuprofen zu nehmen, vergesse ich nicht, weil ich das immer dann nehme, wenn mein Kopf vor Schmerzen zu platzen droht. Ich brauche halt deutliche Zeichen, um ordentlich zu funktionieren. Für eine Weile fühle ich mich nach jeder Inhalation besser, spüre aber auch ganz deutlich, dass meine Erkältung mehr und mehr von einem Husten begleitet wird. Darauf kann ich wirklich verzichten. Andererseits bedeutet Husten, dass man sich in der letzten Phase der Erkältung befindet. Später wird mir kalt und ich begebe mich ins Bett. Eine Wärmflasche soll die Kälte erträglich machen und kaum liege ich im Bett, schlafe ich ein. Zu meiner Überraschung schlafe ich auch in dieser Nacht recht gut. Schön.

Am nächsten Morgen, es ist der vierte Tag, den sich die Erkältung Zeit für mich nimmt, habe ich natürlich Kopfschmerzen und der Schleim bzw. der Auswurf hat sich entschieden, dass er nun grün ist. Grüner Schleim bedeutet oftmals eine bakterielle Infektion und macht die Einnahme von einem Antibiotikum erforderlich. Habe ich zumindest mal so gelernt. Da muss ich wohl tatsächlich gleich zum Arzt, aber vorher gönne ich mir eine Nasenspülung. Interessanterweise habe ich es gestern geschafft, meinen Oberkörper mit der Wärmflasche zu verbrennen. Das ist natürlich blöd.
Nach einem Gespräch mit Agnes, und dem Lesen von Artikeln über die Notwendigkeit der Einnahme eines Antibiotikums, beschließe ich, nicht zum Arzt zu gehen. Das muss auch ohne Chemie weggehen. Lediglich die verdammten Kopf- und Gliederschmerzen muss ich weiter mit Ibuprofen bekämpfen. Den Rest des Tages verbringe ich in meiner Wohnung, nehme meine Mittelchen ein und frage mich, wie meine Erkältung verlaufen würde, wenn ich gar keine Mittel nehmen würde. Ich glaube, das frage ich mich bei jeder Erkältung, die so wie diese verläuft. Ich glaube, dass ich ohne Medikamente Halsschmerzen hätte, stärkeren Schnupfen und stärkeren Husten. Die ganzen Dinge, die ich fast pausenlos zu mir nehme, lindern die Symptome, denke ich. Und weil ich das denke, bin ich zu feige, bei der nächsten Erkältung auszuprobieren, wie sie verläuft, wenn ich nichts einnehme. Ich glaube übrigens nicht, dass die Medikamente Einfluss auf die Dauer der Erkältung haben. Der grüne Auswurf ist scheinbar auf den Morgen beschränkt, was ich prima finde. Insgesamt geht es tagsüber besser und ich kann sogar wieder ein wenig riechen und schmecken. Deutet das nicht darauf hin, dass die Erkältung ihren Zenit überschritten hat? Erst am Abend wird es wieder unangenehmer. Vor allem die Verspannungen machen mir zu schaffen. Und ich friere. Zeit für eine Wärmflasche. Das tut gut.

Mit einer Nasenspülung beginnt der fünfte Tag meiner Erkältung. Leider funktioniert die Spülung nur in eine Richtung. Anschließend gurgel ich mit der Teebaumöl-Kochsalzlösung. Nasenspray soll das Atmen erleichtern und Ibuprofen die Schmerzen mildern. Es geht mir besser, glaube ich. Dennoch werde ich heute nicht ins Büro gehen, sondern einen weiteren Tag damit verbringen nichts zu tun, außer regelmäßig irgendwelche Präparate zu schlucken und zu hoffen, dass die Erkältung sich verzieht. Echt gut, dass ich so gut nichts tun kann. Bevor der Tag weitergeht, nehme ich mir die Zeit, um große grüne Schleimhaufen abzuhusten. Das war gestern nicht so viel. Aber was ich abhuste, kann in mir keinen Schaden anrichten. Also ist es gut.

Am sechsten Tag fühle ich mich gut, bin entspannt und mag es, wie ich lebe. Dabei mache ich nichts anderes als sonst, ich mache sogar noch weniger, doch es fühlt sich richtig an. Ich bin zufrieden mit den wenigen Dingen, die ich derzeit mache. Medizin nehmen, Fernsehen, inhalieren, onanieren, telefonieren, lesen und essen. Ich frage mich, wie es sein kann, dass ich das jetzt so entspannt akzeptieren kann, wo ich doch sonst immer eher unzufrieden und getrieben bin, wenn ich vor mich hingammle. Das System scheint definitiv gestört. Oder bin ich’s der gestört ist? Ich sitze auf dem Balkon und es interessiert mich nicht im Geringsten, wer oder was gestört ist. Warum kann es nicht immer so sein?

Samstag. Tag Sieben. Der Husten macht da weiter, wo er gestern aufgehört hat. Er nervt und ich bin ratlos. Also gehe ich in die Apotheke und hole mir Aspecton. Nun habe ich bereits etwa 50 Euro für die Erkältung bezahlt. An der Erkältungsdauer ändert das alles nichts. Allerdings ist es mit den ganzen Präparaten bisher eine ziemlich erträgliche Erkältung. Doch sind 50 Euro angemessen, um eine Erkältung angemessen zu überstehen?. Scheint so. Weil ich auf Nummer sicher gehen will, nehme ich nicht nur Aspecton, sondern auch Soledum-Kapseln, um mich besser zu fühlen. Ich habe allerdings komplett den Überblick verloren, wann ich was einnehmen muss. Vielleicht wäre ein Studium hilfreich.

Was im Laufe des achten Tages steigt, ist meine Unzufriedenheit, denn ich denke, dass es nun genug ist mit der Erkältung. Ich will nicht mehr. Ich will raus, laufen, Frauenärsche sehen und nach Lünen oder Dortmund. Ich bin jetzt unzufrieden, da hilft es auch nicht, dass ich Schlager höre. Oder bin ich jetzt deprimiert, weil ich Schlager höre? Oder habe ich nur zu viele homöopathische Mittel genommen? Weil ich den Überblick über meine Präparate verloren habe, entscheide ich, dass ich ab sofort auf die Einnahme von Engystol verzichte. Krank sein überfordert mich.

Der neunte Tag beginnt recht verhalten, doch dann ist der schleimige Husten zurück. Das Soledum Balsam zum Inhalieren ist aufgebraucht und ich werde stattdessen japanisches Minzöl zum Inhalieren nehmen. Auch das Greep-Heel wird im Laufe des Tages aufgebraucht sein. Ich werde es nicht ersetzen, denn ich habe genug Tabletten eingenommen und so langsam muss ich meinen Körper entwöhnen. Außerdem nehme ich ja noch die Soledum Kapseln, Angocin, Lymphdiaral und Aspecton ein. Damit sollte ich eigentlich ausreichend zu tun haben.

Der zehnte Tag beginnt mit der Inhalation mit Minzöl. Das Minzöl ist viel stärker als das Soledum und brennt mir fast das Gesicht weg. Dennoch denke ich, dass es gut für mich ist. Insgesamt betrachtet waren wohl alle Präparate gut für mich, denn ich fühlte mich ja nie so krank wie bei früheren Erkältungen. Vor allem konnte ich nachts recht gut schlafen. Besonders in den letzten Tagen. Nun wird es langsam Zeit mich von der Erkältung zu verabschieden.

Café Bistro
Meine Freunde vom Café Bistro scheinen in diesem Jahr etwas leiser zu sein. Oder ich bin abends immer zu müde, um wahrzunehmen, dass sie gar nicht leiser sind. Agnes findet die Menschen vom Café Bistro übrigens sehr nett. Liegt vielleicht daran, dass sie eine entzückende Frau ist und von den lustigen Leuten gegrüßt wird. Agnes sagt, dass es daran liegt, dass sie immer freundlich zu den Leuten ist und nicht so grimmig guckt, wie ich es zu tun pflege. So wie ich gucke, kann ich nicht erwarten, dass ich freundlich zur Kenntnis genommen werde. Daher rät Agnes mir dazu, auch mal freundlich zu grüßen, dann werde ich feststellen, dass sie nett sind. Dann sind es eben nette, laute Störenfriede, die zurzeit nicht ganz so laut sind. Was soll mir die Erkenntnis bringen?

Da ich gelegentlich höre, wenn Agnes mir was sagt, grinse ich seitdem fast immer, wenn ich an den Leuten vom Café Bistro vorbeigehe. Ich komme mir aber doof dabei vor. Weil Grinsen alleine keine Lösung sein kann, fange ich irgendwann an zu grüßen, wenn ich mit meinem Benz auf den Hof fahre. Und so passiert etwas, was mich völlig verwirrt. Einige der Leute grüßen freundlich, beinahe euphorisch, zurück. Manchmal müssen sie nur sehen, dass ich angefahren komme, da werden sie ganz aufmerksam und scheinen sich regelrecht zu freuen, dass gleich gegrüßt wird. Seitdem fahre ich freundlich grüßend in den Hof und werde freundlich, manchmal fast überschwänglich, zurückgegrüßt. Ich komme mir vor wie ein kleiner Prinz. Natürlich grüßen nicht alle zurück. Und weil ich mir Gesichter nicht merken kann, kommt es vor, dass mein Grüßen gelegentlich unerwidert bleibt, weil ich Nichtgrüßer grüße. Dann werde ich innerlich sehr böse und möchte unverzüglich alle Leute vom Café Bistro verfluchen, denke aber daran, dass Agnes das nicht gut finden würde und tue einfach so, als wäre nichts geschehen. Ob ich irgendwann noch mit den Leuten rede? Oder mit ihnen zusammen vor dem Café sitze? Ich denke nicht.

Neue und alte Nachbarn
Seit Jahren stand die Doppelwohnung über dem Café Bistro leer. Neulich wurde sie verkauft und sollte vermietet werden. Nun haben sich offensichtlich neue Mieter für die Doppelwohnung gefunden. Es ist mir nicht möglich zu erkennen, wer die neuen Mieter sind, weil zu viele Leute beim Einzug helfen und somit alle als neue Mieter in Frage kommen. Auf der Fußmatte steht Köln, einer der Helfer, oder auch Mieter, trägt ein T-Shirt mit der Aufschrift “Big Brother”. Ich vermute deshalb, dass die Leute aus Köln kommen. Ich kann erkennen, dass sie Kinderspielzeug in die Wohnung tragen. Wie kann man einem Kind so etwas nur antun? Haben die sich vorher nicht informiert? Oder hatten sie keine andere Wahl und mussten hier einziehen? Was mögen das wohl für Menschen sein und wieso ziehen sie hier ein? Von Köln in dieses Dorf. Nur schwer nachvollziehbar. Als ich das Sofa der neuen Bewohner sehe, bin ich etwas angewidert. Es ist beige mit Flecken. Allerdings keine Designerflecken, sondern dreckige Flecken. Nun fühle ich mich wie in einer schlechten Doku-Soap und bin sehr gespannt, ob die neuen Nachbarn auch Probleme mit dem Café Bistro haben werden. Insgeheim hoffe ich, dass sie kein Auto haben, denn hier sind eh schon viel zu wenige Parkplätze für mich und meinen Benz.
Später treffe ich die alte Hausmeisterin. Sie sagt, dass in die Wohnung eine Mutter mit vier Kindern zieht. Die Kinder sind 18, 10, 9 und 1,5 Jahre alt. Am Briefkasten stehen drei Namen. Muss wohl seine Art Patchwork-Familie sein. Die alte Hausmeisterin sagt, dass die Frau wohl Hartz IV bezieht. Ich sage, dass das nicht schlimm ist, denn so geht es doch vielen hier im Haus. Was das angeht, passen die prima her. Hauptsache, die haben kein Auto. Nun lästert die alte Hausmeisterin noch etwas über die dicke Frau mit dem Hund. Seit dem Einzug der dicken Frau ist an ihrem Fenster Vogelscheiße und anstatt die wegzumachen, schminkt sich die dicke Frau nur, labert und lacht den ganzen Tag. Es scheint so, als würde die alte Hausmeisterin die dicke Frau nicht mögen. Kann ich irgendwie nachvollziehen. Dabei ist die dicke Frau in Wirklichkeit bestimmt sehr nett und umgänglich. Manchmal höre ich ihr kleines Schweinchenlachen und weiß, dass ich ein verdorbener Mensch mit grässlichen Vorurteilen bin. Ich notiere mir auf meinem internen Notizzettel, dass ich etwas gegen meine Vorurteile unternehmen muss. Als ich später das Lachen der dicken Nachbarin höre, habe ich diese Notiz längst vergessen und habe schon wieder negative Gedanken. Sie nervt mich und ich muss gegen meine bösen Gedanken ankämpfen, weiß ich doch, dass negative Gedanken nicht gut für mich sind. Ich glaube, dieser interne Notizzettel bringt gar nichts. Etwas gibt mir zusätzlich zu denken. Bisher war es so, dass schon eine Woche bevor die Mülltonnen geleert wurden, kein Platz mehr war, um weiteren Müll zu entsorgen. Wie soll es erst ein, wenn fünf weitere Personen ihren Müll loswerden wollen? Muss ich dann schon nach zwei Wochen meinen Müll im Keller lagern und am Tag der Leerung in die Tonne werfen? Oder muss ich, wie es viele Mitbürger zu tun pflegen, meinen Müll einfach irgendwo entsorgen? Manchmal sind es die kleinen Dinge, die das Leben so aufregend und unberechenbar machen.

Invasion
Friedlich lesend sitze ich auf dem Balkon, als die Invasion beginnt. Zunächst bin ich nur mäßig beunruhigt, als kurz hintereinander acht fliegende Ameisen auf meinem Balkon landen. Ich finde das zwar irgendwie unangenehm, zumal es ja auch die großen Ameisen sind, bekomme Gänsehaut, bleibe aber dennoch einigermaßen ruhig. Als dann fünf der Ameisen wegfliegen, denke ich, dass ich nun entspannt weiterlesen kann. Doch weit gefehlt. Plötzlich wird mein Balkon zu einer Landebahn für weitere große Ameisen. Die meisten landen, ruhen sich kurz aus und fliegen dann weiter. Manche laufen suchend umher, bevor sie endlich weiter fliegen. Ich fühle mich nicht wohl bei der Sache. Dennoch schaffe ich es nach einer Weile, mich wieder auf mein Buch zu konzentrieren. Leider hört die Invasion nicht auf, was mir nur deshalb auffällt, weil die Ameisen nun aus unerklärlichen Gründen meine Beine ansteuern. Ich beschimpfe sie, was so wenig Sinn macht, wie einem Toten zu sagen, dass er aufstehen soll. Eine Ameise setzt sich auf die Balkonbrüstung neben mir und im Gegensatz zu allen anderen macht sie keine Anstalten wieder abzuheben. Wo sind nur die Spinnen, die überall auf meinem Balkon wohnen? Die haben bestimmt auch Angst.
Nach einer Weile sehe ich eine weitere große Ameise, wie sie über meinen Balkon wandert. Ich beobachte sie eine Zeit lang, frage sie, was sie sucht, bis ich bemerke, dass sie keine Flügel hat. Wie kommt sie denn hier rauf? Ob die anderen Ameisen sie hier abgeworfen haben? Und warum tun sie sowas? Während ich mich frage, was die wohl hier bei mir planen, entdecke ich eine zweite Ameise, die ebenfalls nicht fliegen kann. Ich erinnere mich, dass hier früher schon viele Ameisen umherwanderten. Manchmal sogar in meiner Wohnung. Von solchen Gedanken bekomme ich eine Gänsehaut. Das ist entsetzlich. Ich will doch nur hier sitzen und ein Buch lesen. Da müssen keine Ameisen kommen und meinen Balkon bevölkern.
Nach einer ganzen Weile verschwindet die Ameise, die die ganze Zeit neben mir auf der Brüstung saß. Ich vermute, sie hat mich studiert und muss nun ihren Vorgesetzten berichten, was sie gesehen hat. Ich frage mich, was die dann wohl mit mir vorhaben? Sind das vielleicht außerirdische Ameisen, die regelmäßig die Menschen kontrollieren, um zu sehen, wie wir Menschen immer weiter verblöden? Oder was wollen die? Dummerweise juckt es mich nun überall und ich habe das Gefühl, dass die Ameisen überall an mir herum klettern. Das macht mich fertig und ich schlage nach nicht vorhandenen oder unsichtbaren Ameisen. Meine Verblödung ist definitiv sichtbar. Ob die mich jetzt auslachen? Wollen die vielleicht später, wenn ich schlafe, durch meine Ohren in mein Gehirn eindringen und Besitz von mir ergreifen? Damit das nicht passiert, sollte ich heute besser mit verschlossenen Ohren schlafen. Aber was nützt das, wenn sie dann durch meine Nase kommen? Während ich mir Gedanken mache, erforscht die große Ameise, die nicht fliegen kann, weiter meinen Balkon. Damals habe ich die Ameisen immer vom Balkon geworfen. Ob das auch heute eine Option ist?

Als mein Balkon später fast vollständig im Schatten liegt, sind alle fliegenden Ameisen verschwunden. Lediglich die zwei, die sich ihre Flügel noch verdienen müssen, untersuchen weiter meinen Balkon. Nach einer Weile zieht die eine weiter Richtung Nachbarin, die andere verschwindet spurlos in der Nähe meiner Balkontür. Ich fürchte, sie hat einen Weg ins Innere gefunden und bereitet dort alles für die endgültige Invasion vor. Ich schätze, ich bin verloren.

Dortmund à la carte
Zusammen mit Petra fahre ich am Abend nach Dortmund, um ein wenig ziellos durch die Stadt zu schlendern. Kaum dort angekommen, sind wir auch schon mittendrin. Es ist Dortmund à la carte und ich hatte nicht damit gerechnet, dass ich dieses Ereignis je wieder besuchen würde. Wir schlendern durch die vollen Gänge, auf der Suche nach einem freien Platz. Freie Plätze gibt es aber nicht, dafür aber viele Menschen. Attraktive Menschen, solche, die es mal waren, solche, die glauben, attraktiv zu sein und die, die vielleicht eines Tages wirklich attraktiv sein werden. Alle sind sie hier vertreten. Während Petra nach einem freien Platz Ausschau hält, halte ich nach optischen Leckereien Ausschau. Da ich mich bei den vielen Menschen nicht wirklich konzentrieren kann, leide ich unter der Reizüberflutung und bin froh, als wir tatsächlich irgendwann einen Platz finden, der auch noch außerhalb der großen Menschenmengen ist. Zeit durchzuatmen. Ich bestelle eine Bionade Cola und Bauernbrot mit Dip. Doch statt der Bionade Cola bekomme ich Bionade Holunder. Früher hätte mich das völlig fertig gemacht und ich vermutlich gar nichts getrunken, doch mittlerweile habe ich mich so weit entwickelt, dass mich solche Begebenheiten nicht umhauen. Trinke ich halt meine erste Bionade Holunder. Dazu das köstliche Brot. Herrlich. Als Petra am Ende bezahlt, bin ich vollends zufrieden. Das ist echt fast wie in alten Zeiten. Nur besser. Wir schlendern noch durch die Stadt, Richtung U und sehen eine Gruppe Jugendlicher, die lauter sind als alles, was ich je von einer solch kleinen Gruppe erwartet hätte. Sie quatschen alle Frauen an, manchmal zieht sich einer von denen sein T-Shirt aus, um seinen jungen und noch fettfreien Körper zu präsentieren. Das ist zwar alles irgendwie peinlich und wirkt auf mich alles andere als normal, doch ändern kann ich es nicht, weshalb ich es einfach so hinnehme. Vielleicht sind Jugendliche mittlerweile so. Was weiß denn ich? In der Zwischenzeit hat es sich so sehr abgekühlt, dass ich mein Hemd und meine Jacke über mein Shirt gezogen habe. Interessanterweise scheine ich der Einzige zu sein, der das nötig hat. Werde ich alt oder bin ich einfach nur ein Weichei? Noch bevor ich mir darüber weitere Gedanken machen kann, fällt mir ein, dass ich auch heute keine Banane dabei habe. Ich würde schon gerne eine Banane auf der Rückfahrt essen. Wollte ich nicht, bevor ich losgefahren bin, Bananen kaufen? Natürlich wollte ich. Nur warum habe ich es nicht getan? Und wieso gibt es hier keinen Verkaufsstand mit Bananen? Verdammt. So muss ich auch heute meine Heimreise ohne Banane antreten. Ich bin einfach noch nicht wieder drin in dem Rhythmus, der eine für mich artgerechte Vorgehensweise beinhaltet. Daher hoffe ich auf den nächsten Ausflug, bei dem ich sicher eine Banane dabei haben werde. Oder?

Café Bistro. Nächste Runde
Nachdem der Sommer in den letzten Tagen zeigt, was er kann, bin ich gezwungen, abends das Schlafzimmerfenster zu öffnen. Und kaum ist es geöffnet, muss ich feststellen, dass meine neuen Freunde vom Café Bistro keineswegs ruhig geworden sind. Möglicherweise sind sie nicht mehr so extrem laut, wie sie es früher waren, aber immerhin laut genug, um meinen Schlaf zu stören. Bei geöffnetem Fenster hilft mir auch keine große Müdigkeit. Das Fenster muss zu, wenn ich schlafen will und ein paar Ohrenstöpsel können auch nicht schaden.
Die dicke Frau mit Hund, die in der zweiten Etage über dem Café Bistro wohnt, fühlt sich ebenfalls durch den Lärm belästigt und hat deshalb mit dem Chef vom Café Bistro gesprochen. Es sieht ganz so aus, als hätte sie sich das sparen können und ich bin wirklich gespannt, wie die Frau mit ihren vier Kindern es finden wird, direkt über dem Café Bistro zu wohnen. Schulpflichtige Kinder brauchen nämlich ihren Schlaf. Ob die sich durch den Lärm vom Café Bistro gestört fühlen werden? Und wie lange wird es wohl dauern, bis sie erkennen, dass der Lärm nicht abzustellen ist und genervt umziehen? Oder stört sie der Lärm am Ende gar nicht? Oder zwingen sie am Ende das Café Bistro in die Knie? Ich vermute, dass sie resignieren und früher oder später wegziehen werden. Ich hoffe jedenfalls, dass mich meine neuen Freunde vom Café Bistro und die genervten Mieter bis dahin gut unterhalten werden.

Vorladung
Als ich in meinen Briefkasten sehe und einen Brief der Polizeidirektion Dortmund vorfinde, bin ich direkt erschrocken. Beim letzten Mal, als ich Post der Polizeidirektion Dortmund hatte, begann nämlich meine Karriere als Volksverhetzer und ich frage mich, was ich diesmal angestellt habe. Sofort fühle ich mich schuldig, doch leider weiß ich nach dem Öffnen des Briefes nicht wirklich mehr. Ich werde in einer Ermittlungssache wegen falscher Verdächtigung als Zeuge geladen. Also scheine ich ja nicht beschuldigt zu sein. Oder? Ich soll gestern um 13.00 Uhr bei der Kripo in Lünen vorsprechen. Das ist blöd, weil gestern ja definitiv vorbei ist und es mir nicht möglich ist durch die Zeit zu reisen. Da muss ich wohl anrufen und fragen, was ich nun für Konsequenzen zu tragen habe. Weil unter der angegebenen Nummer niemand zu erreichen ist, versuche ich es in der Zentrale, schildere mein Problem und soll morgen früh den zuständigen Sachbearbeiter anrufen. Hoffentlich werde ich am Ende nicht dafür bestraft, dass mir der Brief erst heute zugestellt wurde. Das wäre echt blöd.

Pflichtbewusst wie ich bin, rufe ich am nächsten Morgen um 08.03 Uhr beim zuständigen Sachbearbeiter an. Entweder hat er frei oder er beginnt seinen Tag erst später, denn er geht nicht ans Telefon. Um 08.20 Uhr ebenfalls nicht. Hat das nun Folgen für mich? Bei besonders merkwürdigem Verlauf, werde ich am Ende eine Strafe bezahlen müssen oder wegen irgendwas verurteilt. Sowas geht ja schnell. Außer man beruft sich auf seine künstlerische Freiheit. Das würde in diesem Fall aber gar keinen Sinn ergeben. Also versuche ich es später nochmal. Und wenn er dann nicht ans Telefon geht, soll er mir einfach erneut einen Brief schreiben. Meine Adresse hat er ja und schließlich will er ja was von mir. Nicht umgekehrt. Um 09.00 Uhr erreiche in den zuständigen Sachbearbeiter. Er sagt, dass er sich wundert, dass die Post erst gestern gekommen ist. Die Unterlagen zu dem Fall hat er schon verschickt. Da ihn der Fall aber persönlich interessiert, soll ich am Montag um 09.00 Uhr zu ihm kommen. Er will sehen, was er noch tun kann. Für mich klingt das alles sehr rätselhaft, zumal die Sache, um die es geht, wohl tatsächlich hier im Ort stattgefunden haben soll. Um was mag es sich da wohl handeln?

Obwohl mein Termin erst um 09.00 Uhr ist, bin ich schon um 06.40 Uhr wach. Kann es sein, dass ich etwas aufgeregt bin? Ich fürchte, so ist es. Diese Ungewissheit, völlig ahnungslos zu einem solchen Termin zu müssen, ist nicht gut für mich. Gar nicht gut.

Mein Gefühl, dass ich nicht als Zeuge, sondern als Beschuldigter hier bin, bestätigt sich nach den ersten Fragen des Kriminalhauptkommissars. Es geht um einen Brief, den ich im Mai an Ratiopharm geschrieben habe. Da der Kriminalhauptkommissar davon ausging, dass jemand mich mit diesem Brief verunglimpfen und mir Schaden wollte, war ich zunächst als Zeuge geladen. Da ich ihm aber gestehe, dass der Brief von mir verfasst wurde, hat sich die Sachlage dahingehend verändert, dass ich nun der Beschuldigte bzw. der Täter bin. In dem Brief an Ratiopharm schrieb ich, dass ich als Arbeitsloser den ganzen Tag nichts zu tun habe und deshalb Medikamente an einer 86 jährigen Nachbarin teste. Der Brief war dermaßen überzogen, dass man durchaus hätte erkennen können, dass es um einen nicht ganz ernst gemeinten Brief geht. Eine kurze Befragung zu dem Brief hätte sicherlich auch Sinn machen können, wenn man tatsächlich von einer Straftat, was das Erproben von Medikamenten an älteren Menschen zweifellos ist, ausgegangen wäre. Stattdessen leitete Ratiopharm diesen Brief an die Polizei weiter und diese ihn an die Staatsanwaltschaft. So wurde eine Sache, die sich hätte einfach klären lassen können, zu einer großen Sache und nun sitze ich hier, mache meine Aussage zu dem Vorfall und darf mit einer Geld- oder sogar Haftstrafe rechnen. In meiner Erklärung zu dem Vorfall muss ich tatsächlich darum bitten, von einer Haftstrafe abzusehen. Hier wird meiner Meinung nach etwas zu sehr aufgebauscht. Vielleicht ist es auch der humorlose Kriminalhauptkommissar, der etwas übertreibt. Normalerweise würde ich davon ausgehen, dass diese Sache damit für mich erledigt ist, da ich aber vor einigen Jahren wegen Volksverhetzung verurteilt wurde, gehe ich erstmal nicht davon aus sondern erwarte eine empfindliche Geldstrafe, weil man mir schon klar meine Grenzen aufzeigen muss. Und natürlich werde ich mich nicht auf künstlerische Freiheit berufen können, da ich ja kein anerkannter und mit Preisen ausgezeichneter Künstler bin. Ich unterschreibe meine Aussage und der Kriminalhauptkommissar bringt mich zum Ausgang zurück. Er sagt, er wundert sich über gar nichts mehr. Ich sage ihm, dass es mir genauso geht und glaube, dass er mich ziemlich merkwürdig findet. Ich ihn, das muss ich allerdings gestehen, auch.

Hausmeisterin der Zukunft
Die dicke Frau, die hier im Haus wohnt, hält sich für eine ganz große Nummer. Als im Hausflur ein paar Lampen defekt sind, sagt die alte Hausmeisterin zu ihr, dass sie die Lampen gerne wechseln darf. Die dicke Frau sagt, dass sie das nicht macht, weil dafür der Hausmeister zuständig ist. Da wir aber, seit die alte Hausmeisterin nicht mehr offiziell unsere Hausmeisterin ist, keinen Hausmeister haben, kann der Hausmeister auch keine Lampen wechseln. Die dicke Frau sagt, dass sie das nur macht, wenn sie Hausmeisterin wird. Außerdem wird sie dann, wenn sie Hausmeisterin ist, den einen oder anderen Mieter rauswerfen. Da überschätzt Dickerchen sich und die Tätigkeit einer Hausmeisterin wohl mächtig. Dafür, dass sie sich für so klug hält, hat sie doch recht wenig Ahnung, aber vermutlich ist das nicht so wichtig. Wichtig ist, dass man an sich glaubt und allen erzählt, was man alles kann und macht. Und wer weiß, vielleicht wird sie ja die erste Hausmeisterin des Hauses, die darüber entscheidet, wer hier wohnen darf und wer nicht.

Leben um zu sterben
Ein Menschenleben erstreckt sich über einen gewissen Zeitraum. Ob dieser nun lang oder kurz ist, hängt nicht nur von den Umständen, sondern auch davon ab, wie man kurz oder lang definiert. Doch egal, wie man es interpretiert, es ist eine begrenzte Zeit, die dummerweise nicht immer schön ist. In dieser Zeit steckt immer auch sehr viel Leid. Sei es durch Krankheit oder andere Umstände. Kaum jemand kann am Ende wohl behaupten, dass immer alles super war und er durchgehend alles genossen hat. Beneidenswert, wer so ein Leben hat oder zumindest glaubt, ein solches Leben gehabt zu haben.

Menschen lassen sich viele Dinge einfallen, um die begrenzte Zeit schöner zu gestalten. Urlaub, Sex, häusliche Gewalt, Krieg und andere Verbrechen, um nur einige der vielfältigen Möglichkeiten zu nennen, die so ein Menschenleben bietet. Dennoch scheint die schönste Zeit die zu sein, in der man nichts davon weiß, dass Menschen sterben, die Zeit endlich und das Leben oft grausam ist. Die Zeit, in der man seine Unbeschwertheit noch hat. Die Zeit der Kindheit. Grausam wird das Leben dann mit den Jahren und man muss sehen, wie man damit klarkommt. Die einen schaffen es ganz gut, andere nicht. Manche genießen, was sie tun, haben Spaß, viele Freunde und noch mehr Ziele, andere haben nichts davon. Manche sind gesund, andere sind es nicht. Manche Dinge lassen sich beeinflussen, andere nicht. Am alt werden lässt sich nichts beeinflussen. Der Mensch wird alt, oft auch krank, und stirbt dann irgendwann. Wenn es gut für ihn läuft, fällt er einfach um oder wacht nicht mehr auf, nachdem er sich zum Schlafen gelegt hat. Glück für ihn, Leid für seine Angehörigen. Blöd wird es, wenn vor dem Tod Krankheit und Leid stehen. Dann ist dieser Mensch angeschissen, ebenso wie seine Angehörigen. Trotz dieser Endlichkeit, trotz dieser vielen Möglichkeiten ein furchtbares Leben zu leben, was man niemandem wünscht, setzen die Menschen wieder und wieder neue Menschen in die Welt und vermehren sich weiter. Aber warum? Sex macht auch dann Spaß, wenn dabei kein Nachwuchs entsteht. Also warum tun Menschen sich und anderen das immer wieder an? Um eine Aufgabe zu haben? Um nicht alleine zu sein? Weil Kinder so süß sind? Weil ein richtiger Mann ein Kind gezeugt haben muss? Warum denkt niemand an das Leid, welches nun ein weiterer Mensch zu ertragen hat? Irgendwann muss dieser neue Mensch mit ansehen, wie die Eltern sterben, seinen eigenen Verfall ertragen. Und das alles nur, weil zwei verantwortungslose Erwachsene entschieden haben, dass sie Nachwuchs wollen. Wer hat denn den Nachwuchs gefragt, ob er überhaupt will? Und wer würde schon wollen, wenn er wüsste, was im Leben für schreckliche Dinge passieren? Und Nachwuchs zum Fortbestehen der Menschheit zu zeugen, ist doch Schwachsinn. Wozu soll eine Rasse, die so viel Schaden anrichtet, fortbestehen? Wer hat einen Nutzen davon? Die Welt ganz sicher nicht. Die Welt wäre ohne den Menschen sicher besser dran. Die Erde ohne diese Umweltverschmutzer sicher in einem besseren Zustand. Also, was zum Teufel soll dieses ständige für Nachwuchs sorgen? Das ist verantwortungslos. Weil es keinen Sinn macht. Zumindest nicht nachhaltig. Die wenigen glücklichen und unbeschwerten Momente, die einem das Leben beschert, sind doch nichts gegen all das Leid, das einen ständig umgibt. Und immer schwebt der persönliche Verfall über allem. Erträglicher mag es sein, wenn man so viel Geld zur Verfügung hat, dass man sich wenigstens darum keine Sorgen machen muss, aber es nützt einem nichts, wenn man von Krankheit gezeichnet sein Leben bis zum Ableben leben muss. Also warum sind Menschen so bescheuert, sich zu vermehren? Was geht in so einem Menschenhirn vor? Und wann hört es auf?
Natürlich hat das Leben auch unheimlich viel zu bieten. Es bietet sogar unglaubliche Möglichkeiten. Doch oft ist es, aus welchen Gründen auch immer, nicht möglich, davon zu kosten. Und so bleibt vielen Menschen nichts weiter als von so vielen schönen Dingen zu träumen. Für eine Weile mag das Träumen helfen, doch irgendwann stellt man fest, dass vieles nie erreicht wird. Und dann? Dann kann man nicht viel mehr tun, als frustriert darauf zu warten, von seinem Leid erlöst zu werden. Und das soll toll sein? Wohl eher nicht. Oder ist alles doch nur eine Frage, wie man es betrachtet? Und wird Leid weniger, wenn man es wohlwollender betrachtet? Wohl kaum. Aber das Denken kann bewirken, dass man das Leid vergisst, dass das Leid in den Hintergrund rückt und das begrenzte Leben für den Moment schön und erfüllend erscheint. Ob das nun Selbstbetrug oder die einzig richtige Art und Weise damit umzugehen ist, muss jeder für sich selbst entscheiden. Dabei gilt zu Bedenken, dass jemand, der sich nur auf die schlechten Dinge konzentriert, vermutlich Depressionen bekommt und dadurch sein Leben wirklich durchgehend Scheiße ist und es, ohne Änderung der Einstellung, definitiv so bleibt. Quasi rund um die Uhr. So ist man irgendwie gezwungen, sich an den schönen Momenten hochzuziehen, damit man zu Lebzeiten nicht völlig verrückt wird und neben dem normalen Leid nicht auch noch unter sich und seinen Gedanken leidet. Das ist eine üble Zwickmühle des Lebens, die am Ende eigentlich nur den Wunsch hervorrufen kann, dass dieses erbärmliche Fortbestehen der Menschen endlich endet. Dann wäre die Ordnung wiederhergestellt. Alles andere ist albern und hat nicht wirklich einen Sinn. Oder doch?

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