Vatertag
Durchaus bedeutungslos sitze ich bei meinen Eltern und starre aus dem Fenster. Das Wetter ist nahezu optimal und ich überlege, was ich unternehmen kann. Wie immer fällt mir nichts ein und so starre ich weiter vor mich hin, während das Vakuum in meinem Kopf dafür sorgt, dass sich an dem Zustand zunächst nichts ändert. Nach einer Weile habe ich dann doch eine Idee. Soziale Kontakte. Ich muss jemanden finden, der mit mir etwas unternimmt, denn alleine etwas zu unternehmen ist einfach nichts für mich. Doch mit wem kann ich etwas unternehmen? Familienmenschen sind bei ihren Familien. Loerz arbeitet, Manni ist in Pforzheim und Petra mit Markel unterwegs. So komme ich nicht weiter. Ein paar Minuten bleibe ich noch starrend sitzen, dann mache ich mich einfach auf den Weg. Ziel ist das Pferd ohne Namen. Das Pferd ohne Namen begrüßt mich und lässt sich von mir vollquatschen. Doch nach fünfzehn Minuten mag es nicht mehr vollgequatscht werden und verlässt mich. Damit ist mein Tagesplan abgearbeitet und ich mache mich auf den Weg zurück zu mir nach Hause. Auf dem Weg bekomme ich Lust auf ein Eis. Gerne würde ich mich in eine Eisdiele setzen und ein Eis essen, doch alleine macht das keinen Spaß. Zu Hause alleine zu sein mag okay sein, aber alleine irgendwo sitzen und ein Eis essen oder etwas trinken geht gar nicht. So bleibt mir nix anderes übrig, als nach Hause zu gehen. Meine Wohnung erreiche ich um 13.59 Uhr. Der Tag ist noch lang, doch ich bin schon fertig mit ihm. Das ist nicht gut. Was mache ich nur mit dem Rest des Tages? Ins Internet, um Frauen kennenzulernen? Lächerlich! Fernsehen? Auf keinen Fall! In der Nase bohren? Vielleicht später. Onanieren? Würde auch nix bringen. Auf den Balkon setzen? Würde ich ja gerne, aber auf meinem Balkon ist es dermaßen windig, dass ich da nicht sitzen kann. Also mache ich das, was ich am besten kann. Ich starre die Wand an. Wenn das nicht deprimierend ist, dann weiß ich es auch nicht. Musik wäre jetzt sicherlich eine nette Sache. Doch leider bin ich nicht in der Lage, mich jetzt darum zu kümmern.
Zwei Stunden später will ich mich auf den Weg zu meinen Eltern machen, weil ich Hunger habe und mein Kühlschrank leer ist. Kurz bevor ich aufbreche, geht das Armband meiner Billiguhr kaputt. Das ist nicht gut. Es ist bereits die dritte Uhr, die innerhalb einer kurzen Zeitspanne kaputt geht. Ich hasse es, keine Uhr zu haben. Auf dem Weg zu meinen Eltern geht eine junge, durchaus attraktive Frau vor mir her. Sie riecht gut. Ich mag es, wenn Frauen gut riechen. Und ich mag Frauenärsche, weshalb ich ihren wohlgeformten Hintern anstarre, während ich hinter ihr gehe. Doch irgendwie kommt heute keine Begeisterung auf. Der Arsch lässt mich ziemlich kalt. Zeit die Straßenseite zu wechseln, bringt ja nix.
Nachdem ich etwas gegessen habe, bleibe ich noch eine Stunde bei meinen Eltern, denn ich will jetzt nicht raus gehen, weil mich das schöne Wetter nur deprimieren würde. Als ich dann doch endlich gehe, deprimiert mich das Wetter, genau wie erwartet. Zu Hause angekommen, verfalle ich in meine übliche Starre und mache nichts weiter als starren. Irgendwann schalte ich den Fernseher ein, gucke aber nicht hin. Erst als die Höhepunkte von “Schwiegertochter gesucht” laufen, erlange ich mein Bewusstsein wieder. Die Sendung ist heftig. Das kann ich mir nicht antun, ich muss mir in der Videothek einen Film ausleihen. Einen Actionfilm. Es dauert eine halbe Stunde, bis ich mich endlich für einen Film entschieden habe. Titel: Ich sehe den Mann Deiner Träume. Definitiv kein Actionfilm, aber trotzdem ein netter Zeitvertreib. Nachdem ich ihn mir angeschaut habe, bleibt noch etwa eine Stunde bis zum Beginn der Harald Schmidt Show. Ich lege mich aufs Bett und höre Adriano Celentano. Pünktlich zum Beginn der Harald Schmidt Show schalte ich den Fernseher ein und esse eine Birne. Mindestens zehn Jahre habe ich keine Birne mehr gegessen, dabei schmecken Birnen gar nicht so schlecht. Es ist die letzte Sendung vor der Sommerpause. Schade. Direkt nach der Sendung gehe ich ins Bett und lausche den Gesprächen vom Café Bistro. In einem anständigen Land wäre so etwas nicht nötig, da würden Ruhe und Ordnung herrschen. Leider ist das hier anders. Hier darf sich nachts angeschrien werden. Wer ein Problem damit hat, der kann ja wegziehen. Ich sollte auch nicht hier wohnen. Weil ich resigniert habe, stopfe ich, wie in jeder Nacht, Ohrenstöpsel in meine Ohren. Die helfen zwar nicht immer, aber da ich schon alt bin, werde ich diesen Lärm ja nicht mehr so lange ertragen müssen. Herrliche Aussichten.
Nie wieder joggen?
Nachdem das mit dem Joggen in diesem Jahr dreimal gut geklappt hat, starte ich einen weiteren Versuch und habe den Wald, bzw. das, was von ihm noch übrig ist, ganz für mich alleine. Alles scheint perfekt. Doch schon nach zehn Minuten bin ich völlig am Ende. Mein Knie beschwert sich und mein Kreislauf möchte, dass ich mich hinlege. Völlig inakzeptabel. Es wird weiter gejoggt. Nach vierzehn Minuten muss ich tatsächlich aufhören, denn mein Knie bringt mich fast um und mein Kreislauf deutet an, dass ich, wenn ich weiterlaufe, bald umfalle. Ich füge mich der Gewalt und gehe langsam weiter. Doch etwa dreißig Sekunden später bin ich der Meinung, dass sich mein Körper genug erholt hat, und laufe weiter. Zwei Minuten halte ich durch, dann weist mein Knie erneut darauf hin, dass es so nicht weiter geht. Wie unbefriedigend. Dreißig Sekunden später laufe ich dennoch wieder los. Nach zwei Minuten muss ich wieder gehen. Das ist ziemlich albern. Ich einige mich mit meinem Körper darauf, zwei Minuten zu joggen und eine Minute zu gehen. In den zwei Minuten laufe ich allerdings etwas schneller, weil ich den Zeitverlust durch das ständige gehen ja wieder aufholen muss. Die letzten zweieinhalb Minuten laufe ich nochmal schneller. Der Puls klettert auf über 190, das Knie spielt verrückt. Rücksicht nehmen kann ich nicht. Ich habe ein Ziel zu erreichen. Koste es, was es wolle. Nach 27 Minuten und 45 Sekunden habe ich mein Ziel erreicht. Trotz Gehpausen war ich nicht langsamer als sonst. Dennoch bezweifle ich, dass ich nochmal joggen kann. Das Alter frisst mich langsam auf. Erst durfte ich kein Fußball mehr spielen, jetzt ist es wohl endgültig vorbei mit dem joggen. Leb wohl, Jugend. Willkommen Altersheim.
Mein erster Orangina
Anfang Juni, prächtiges Wetter. Ich sitze mit Ursula im Café Extrablatt. Normalerweise bestelle ich im Extrablatt Spezi ohne Eis, doch heute möchte ich etwas ganz anderes trinken. Mir ist nach etwas Fruchtigem. Ich studiere die Getränkekarte und entdecke Orangina. Das klingt lecker, das bestelle ich. Als mir wenig später das kleine Fläschchen auf den Tisch gestellt wird, bin ich etwas enttäuscht. Ich hatte mir irgendetwas anderes vorgestellt, probiere und bin erneut enttäuscht. Da ist Grapefruit drin. Was hat Grapefruit in meinem Orangenfruchtgetränk zu suchen? Ich nehme noch einen Schluck. Okay, man kann es trinken, aber lecker ist das nicht. Das ist nix für mich. Ich lasse Ursula meinen Orangina austrinken und bestelle mir einen Spezi ohne Eis. Da weiß ich wenigstens, was ich bekomme. In Zukunft werde ich wohl nicht mehr so wagemutig sein und keine Dinge mehr bestellen, nur weil mir der Name so gut gefällt. Es ist bereits dunkel, als wir uns auf den Heimweg machen. Weil Ursula einen Rock trägt und ich einen Wagen mit einem Automatikgetriebe fahre, nutze ich die Gelegenheit, um Ursula unter den Rock zu fassen. Als ich ihren Slip zur Seite schiebe, ziert sie sich ein wenig, doch ich lasse mich davon nicht beeindrucken und mache einfach weiter. Sie fügt sich ihrem Schicksal und entspannt, während ich hochkonzentriert versuche sie so verrückt zu machen, dass sie auf der Stelle Sex will. Nach wenigen Augenblicken ist es geschafft, Ursula will Sex. Ich fahre in einen kleinen Feldweg, parke den Wagen und wir steigen aus. Ursula geht in die Knie und verwöhnt mich ein wenig, bevor sie sich über die Motorhaube beugt und der Quickie starten kann. Gelegentlich fahren Autos an uns vorbei, doch ab dem zweiten Wagen ist mir das egal. Die Freiluftsexsaison 2011 ist eröffnet. Ich hoffe, dass die sexuellen Abenteuer im Freien in diesem Jahr sehr zahlreich werden. Ich liebe Sex im Freien. Orangina hingegen mag ich nicht.
Geburtstagsfeier
An meinem Geburtstag gibt es gewisse Rituale. Zum Beispiel müssen meine Gäste und ich Wasserbombenluftballons aufblasen, diese dann beschriften oder bemalen und anschließend vom Balkon werfen. Das aufblasen und beschriften der Ballons wird natürlich fotografiert. Die beschrifteten Ballons selbstverständlich auch. Wie schon im letzten Jahr, schafft es Petra nicht, ihre Ballons aufzublasen. Und so werden ihre Ballons mit Wasser gefüllt. Markel, der zum ersten Mal an diesem Ritual, welches in diesem Jahr bereits zum zweiten Mal stattfindet, teilnimmt, findet unsere Aktion äußerst befremdlich. So viel traditionellen Schwachsinn scheint er nicht erwartet zu haben. Dennoch macht er mit. Um kurz vor Mitternacht gehen wir auf den Balkon, um unsere Luft- bzw. Wasserballons zu verabschieden. Die ersten drei Ballons landen auf der gegenüberliegenden Straßenseite, wo sie von pubertierenden Kindern entdeckt und unverzüglich zerstört werden. Heiko sagt, dass sie die Ballons deshalb sofort zertreten, weil sie eh nicht lesen können, was wir darauf geschrieben haben. Vermutlich hat er Recht. Die Zerstörer haben jedenfalls einen Mordsspaß. Obwohl wir etwas traurig sind, dass die Ballons so schnell zerstört wurden, haben wir auch Spaß. Petra wirft ihre Wasserbomben neben ein geparktes Auto. Augenblicke später kommt der Besitzer des Fahrzeugs aus dem Café Bistro und geht zu seinem Auto. Er sieht die zerplatzen Ballons und sucht nach der Quelle. Da wir unfassbar laut und vergnügt sind, entdeckt er uns sofort. Leider haben wir keine Wasserbomben mehr, um ihn damit zu bewerfen. Da hat er nochmal Glück gehabt. Pünktlich um Mitternacht sind wir wieder in der Wohnung. Zeit für meine Geschenke. In diesem Jahr will ich Fotos von der Geschenkübergabe, und so wird aus der Geschenkübergabe ein fast schon staatsmännisches Ereignis. Wir lächeln besonders natürlich in die Kamera und zeigen uns von unserer besten Seite. Selbst bei Ursulas Geschenk, sie schenkt mir zwei Blumenkästen, inkl. Saatgut und Blumenerde, schaffe ich es, so zu gucken, als würde ich mich freuen. Ich bin ein echter Profi, was das angeht. Nachdem alle Fotos geschossen sind, sitzen wir noch eine Weile zusammen, bevor es an der Zeit ist, den Abend zu beenden. Es war ein herrlich verrückter Geburtstag. Sollte ich nochmal Geburtstag haben, werde ich ähnlich ausgelassen feiern.
Mein Balkongarten
Mein Wunsch waren zwei Körbe, die ich an der Wand befestigen kann, um dort meine Sommerpflanzen ordnungsgemäß abzustellen. Diesen Wunsch erfüllte mir Ursula zu meinem Geburtstag. Die Körbe sind sogar noch optimaler als ich es mir vorher vorgestellt habe. Statt nur einer Pflanze, finden sogar zwei pro Korb Platz. So ist an anderer Stelle Platz für die beiden letzten Pflanzen. Dort können sie nun ungestört wachsen und gedeihen und die Aussicht genießen. Zwei Blumenkästen, die mir Ursula zum Geburtstag geschenkt hat, sind nun ebenfalls Teil meines Pflanzenreichs, müssen bei Gelegenheit nur noch sinnvoll bepflanzt werden.
Ich bin schon sehr gespannt, wie es aussehen wird, wenn eines Tages wirklich etwas aus den Blumenkästen wächst. Sollte ich unzufrieden sein, kann ich die Kästen immer noch vors Café Bistro werfen. Und wer weiß, vielleicht freuen sich die da unten dann ja sogar. Bevor es so weit ist, teste ich, wie es sich nach den umfassenden Umbaumaßnahmen anfühlt, auf dem Balkon zu sitzen. Ich setze mich in meinen Stuhl und bin doch etwas irritiert. Das Sitzgefühl ist ein völlig anderes. Links neben mir Blumenkästen, schräg hinter mir zwei Pflanzen und rechts von mir vier Pflanzen. Es ist fast wie in einem Garten und ich bin schon etwas durcheinander, denn ich brauche grundsätzlich länger, um mich an Veränderungen zu gewöhnen. Und die Veränderungen auf dem Balkon sind schon krass. Minutenlang sitze ich da, lasse alles auf mich wirken und kann einfach nicht glauben, dass dies mein Balkon ist. Wie wird es sich erst anfühlen, wenn in den Blumenkästen wirklich Pflanzen wachsen und gedeihen? Ich weiß nicht, ob ich mit so vielen Veränderungen wirklich klarkomme. Es bleibt spannend.
Audi TT
Traditionell treffe ich mich einmal im Jahr mit meiner großen Cousine, die eigentlich meine Großcousine ist. Wir gehen dann irgendwo etwas trinken, quatschen und beschließen am Ende, dass es bis zu unserem nächsten Treffen nicht wieder so lange dauern soll. Dann vergeht ein Jahr und wir treffen uns erneut. So auch dieses Jahr. Nur, dass wir uns dieses Jahr nicht irgendwo treffen, sondern sie mich abholt. Mit ihrem neuen Wagen. Es ist ein Audi TT Cabrio und mit Cabrios fährt man ja gewöhnlich offen, wenn es das Wetter zulässt. Ich bin kein Fan von Cabrios. Schon alleine wegen meiner Frisur, die eigentlich gar keine Frisur ist. Glücklicherweise ist das Wetter heute nicht gut genug, um offen zu fahren. Und so bleibt das Dach geschlossen und mein Haar wird nicht durcheinandergewirbelt. Ich klettere in den Audi und muss feststellen, dass ich fast schon zu alt für Autos, die so tief liegen, bin. Der Innenraum des Audi TT überzeugt mich sofort. Ein Auto zum Wohlfühlen. Ich stelle mir vor, dass ich mir so ein Auto möglicherweise auch leisten könnte, wenn ich arbeiten würde. Für einen Moment macht mich der Gedanke traurig, weil ich weiß, dass ich nie arbeiten und folglich nie so einen Wagen haben werde. Außerdem Benz will ich niemals abgeben. Und so viel verdienen, dass ich mir zwei Autos leisten kann, werde ich sicher nie. Also denke ich nicht weiter darüber nach, genieße den Innenraum und die Fahrt nach Waltrop. Ich muss dennoch gestehen, dass ich ein wenig neidisch bin. Ich will auch so ein Auto.
Bevor wir in die Eisdiele gehen, machen wir einen kleinen Umweg in eine Fielmann-Filiale. Dort will ich mir eine neue Brille aussuchen. Der Verkäuferin sage ich, dass sie mir einfach ein paar der günstigsten Brillen zeigen soll. Aussehen egal, bei mir zählt zuerst der Preis. Nach einer Weile legt sie mir einige Brillen vor. Die erste Brille, die ich probiere, soll es sein. Die Verkäuferin ist ganz begeistert von mir, weil ich ein so einfacher Kunde ohne Extrawünsche bin. Ich bin auch irgendwie begeistert von mir. Bevor wir den Laden verlassen, fragt die Verkäuferin, ob ich nicht Lust hätte, die neusten, besonders luftdurchlässigen Kontaktlinsen zu testen. Natürlich kostenlos. Ich sage ihr, dass ich das gerne mache, weil es mich ja nichts kostet. Sie gibt mir zwei Probelinsen mit. Ich bedanke mich und wir verabschieden uns. In der Eisdiele bestelle ich mir, wie fast immer, einen Amarena-Becher. Danach trinke ich noch eine Fanta. Wir unterhalten uns über das Leben und darüber, dass früher irgendwie alles einfacher war, was vermutlich gar nicht stimmt, man aber so sagt. Bevor es Zeit ist zu gehen, verabschiede ich mich zur Toilette. Als ich zurück bin, ist die Rechnung schon bezahlt. So mag ich es. Die Nummer mit der Toilette klappt erstaunlich oft. Vor der Rückfahrt fragt meine große Cousine, ob sie das Dach öffnen soll. Ich sage ihr, dass es dafür zu kalt ist, klettere ins Cabrio und los geht die Fahrt. Zu Hause angekommen, stelle ich erneut fest, dass es gar nicht so leicht ist, aus dem Wagen zu klettern. Bevor ich vierzig wurde, hat mir so etwas nichts ausgemacht. Jetzt bin ich tatsächlich schon zu alt für einen Audi TT. Echt gut, dass ich nicht arbeite und kein Geld verdiene, denn was würde mir das Geld bringen, wenn ich mir so ein Auto aus Altersgründen nicht zulegen könnte? Nichts. Rein gar nichts. Wir verabschieden uns mit den Worten, dass es bis zu unserem nächsten Treffen nicht wieder so lange dauern soll. Ich liebe Traditionen.
Onanieren
Ursula ist der Meinung, dass es für einen Mann, in diesem Fall mich, wichtig ist, regelmäßig Sex zu haben. Weil Ursula aber nicht so oft Zeit hat und mein Vorrat an zur Verfügung stehenden Frauen nicht wirklich groß ist, hat Ursula mir aufgetragen, täglich zu onanieren. Anfangs war ich wenig begeistert von ihrem Vorschlag, habe aber bald eingesehen, dass sie Recht hat, denn wenn ich nicht regelmäßig etwas für meinen kleinen Freund mache, kann es durchaus passieren, dass er irgendwann seinen Dienst verweigert. Um nicht in so eine Situation zu kommen, macht regelmäßiges Training schon Sinn. Daher ist es meine Aufgabe, es mir einmal täglich gemütlich zu machen und zu trainieren. Pflichtbewusst wie ich bin, gebe ich mich mir seitdem regelmäßig, tatsächlich fast täglich hin. Dummerweise läuft es aber selten so, wie ich es mir vorstelle. Und so kommt es häufig, viel zu häufig, vor, dass ich zu früh komme. Egal, was ich versuche, es ist wie beim Sex mit einer Frau. Kaum geht es los, schon ist es vorbei. Ich weiß echt nicht, was ich noch machen soll. Jetzt kann ich auch verstehen, dass Frauen es nicht gut finden, wenn ein Mann, also ich, zu früh kommt. Wenn das so weitergeht, dann habe ich keine Lust mehr auf Sex mit mir. Ich muss mir schnell etwas einfallen lassen, sonst frustriert mich das ganze Training mehr als es mir nützt. Das möchte ich nicht.
Dorfnacht
Am Sonntag steigt im Rahmen des Schützenfestes die Dorfnacht hier im Dorf. Obwohl ich Veranstaltungen im Dorf grundsätzlich meide, beschließe ich, dass ich es ändern muss, weil ich sonst irgendwann vor Langeweile sterben werde. Also frage ich Manni, ob wir nicht zusammen hingehen wollen, doch leider ist Manni spontan zu einem Weinfest gefahren. Alleine irgendwo hingehen kann ich nicht, und so bleibe ich zu Hause, gucke Formel 1 und langweile mich. Das Rennen wird unterbrochen, weil es regnet und mir ist schlecht, weil ich zu viel gegessen habe und obendrein deprimiert und frustriert bin. Ich setze mich auf den Balkon und lese ein Buch. Wandelgermanen. Das Buch wird gegen Ende so abstrus, dass ich es vom Balkon werfen möchte. Was soll denn das? Weil mich das alles irgendwie nur noch mehr frustriert, ziehe ich mich an und verlasse die Wohnung. Kurz überlege ich, ob ich zur Dorfnacht gehe, entscheide mich konsequenterweise dagegen, weil ich mich dort alleine sowieso nicht wohlfühlen würde. So wandere ich in die entgegengesetzte Richtung und gehe in ein Viertel, welches ich eigentlich bei anbrechender Dunkelheit nicht betreten wollte. So schlimm, wie ich es in Erinnerung hatte, scheint es nicht mehr zu sein. Optisch hat sich die Gegend im Vergleich zu meinem letzten Besuch, der schon einige Jahre zurückliegt, verbessert. Später probiere ich ein paar neue Wege in der Nähe eines Industriegebietes. Auch hier sieht alles sehr freundlich aus. Jetzt müssten nur noch 50% der Bürger ausgetauscht werden, dann wäre der Ort gar nicht mehr so Scheiße. Ich gehe einen unbeleuchteten Feldweg entlang, ohne zu wissen, wohin er mich führt und höre die Musik vom Dorffest. Ich werde dort nicht hingehen. Mein Telefon klingelt. Manni. Er ist zurück im Ort und fragt, ob er mich besuchen kann. Ich sage ihm, dass er mich auf dem Feldweg aufsammeln kann, was er dann auch macht. Wir wandern durchs Dorf zu meiner Wohnung und setzen uns noch ein Stündchen auf den Balkon. Der Lärm vom Café Bistro versaut uns unsere sowieso nicht gute Laune noch mehr. Das Dorf ist doch nicht mehr zu retten. Egal, wie viel noch umgebaut wird. Mir ist schlecht.
Sophie
Mitte Juni treibt mich die grenzenlose Langweile dazu, in einer Community eine Frau anzuschreiben. Sie kommt aus Lünen und sucht einen Mann, um etwas mit ihm zu unternehmen. Ich schreibe ihr, dass ich Fanta mag. Sie bevorzugt Mineralwasser und wir kommen tatsächlich ins Gespräch. Sie hat zwei Kinder, keinen Mann und findet mich nett. Schade findet sie, dass ich vergeben bin, weil sie eine feste Partnerschaft sucht. Da kann ich ihr nicht helfen. Die Kommunikation klappt dennoch gut und weil sie weiterhin ganz angetan von mir zu sein scheint, schlage ich ihr vor, dass wir zusammen etwas trinken gehen. Nachdem ich ihr versichert habe, dass meine Freundin nichts dagegen hat, einigen wir uns darauf, dass wir uns am Dienstag um 09.00 Uhr im Café del Sol treffen. Das ist zwar ein eher außergewöhnlicher Zeitpunkt für ein erstes Treffen, aber ich mag es manchmal auch außergewöhnlich und bin gespannt, ob sie wirklich zu dem Treffen erscheint.
Die Nacht vor dem Treffen ist kurz. Um 04.03 Uhr wache ich auf, weil mein Magen mich quält. Es ist, als wenn mir jemand in den Magen tritt. Meine Nervosität vor dem Treffen fängt wirklich früh an. Ich versuche wieder einzuschlafen, doch alle paar Minuten fühlt es sich wieder so an, als ob jemand in meinen Magen tritt. Das war früher schon immer ein Problem vor irgendwelchen Verabredungen und wird scheinbar mit zunehmendem Alter schlimmer. Somit finde ich meine Idee, nach Monaten der Abstinenz, mal wieder eine neue Frau kennenzulernen, nur noch blöd. Wie kann ich nur vor einem Treffen, bei dem es nicht einmal um Sex geht, nur so nervös sein? Mittlerweile ist es 05.21 Uhr. Ich bin bedient und nervöser als vor einer wichtigen Prüfung oder vor einem Zahnarzttermin. Weil mir das keinen Spaß macht, beschließe ich, in Zukunft keine Frauen mehr kennenzulernen und nicke anschließend kurz ein. Ein weiterer Tritt in den Magen weckt mich um 06.04 Uhr. Wenn ich jetzt eine Diazepam einwerfe, könnte ich noch ein bisschen schlafen und wäre möglicherweise etwas entspannter. Ich verzichte dennoch. Bringt ja nix. 06.54 Uhr. Das rumliegen bringt auch nix mehr. Ich stehe auf und freue mich kein bisschen auf das Treffen. Beste Voraussetzungen für einen schönen Morgen. Obwohl noch genügend Zeit ist, verzichte ich darauf, mich zu duschen und unter den Armen zu rasieren. Mein Körper soll gar nicht erst auf den Gedanken kommen, dass Sex eine Option ist.
Nach kurzfristiger Planänderung hole ich Sophie vom Bahnhof in Lünen ab. Frauen und Bahnhöfe sind mittlerweile ein echter Klassiker in meinem Leben. Sophie ist 34 Jahre und sieht ganz anders aus als auf dem Foto. Ich erkenne sie nur daran, weil sie am verabredeten Treffpunkt auf mich wartet. Ihre blonden Haare sind durch Strähnen abgedunkelt, und anders als auf dem Foto sind ihre Haare glatt. Sie ist kleiner und schlanker als erwartet. Sie spricht mich mit dem Namen, den ich mir in der Community gegeben habe, an. Ich lasse sie in dem Glauben, dass es mein richtiger Name ist. Ihre Stimme ist etwas herb und ihr Gesicht weist ein paar Falten auf. Sie erinnert mich spontan an Leonetta, was mir nicht gefällt. Sie steigt ein und wir fahren zum Café del Sol, bestellen uns etwas zu trinken und plaudern ein wenig. Sie erzählt, dass sie noch mindestens 2 kg abnehmen will. Sie ist 1,63m und wiegt 57 kg. Bis auf ihren Bauch, der vermutlich von den Schwangerschaften beschädigt ist, macht ihre Figur einen guten Eindruck. Sie sagt, dass sie vorher noch nie jemanden aus dem Internet getroffen hat. Kann ich kaum glauben. Ich sage ihr nicht, dass ich in Zukunft niemanden aus dem Internet mehr kennenlernen will, weil mir davon schlecht wird und diese Information ihr auch nicht helfen würde. Häufig entstehen Gesprächspausen, weil mir nix einfällt, denn ich habe nix zu erzählen. Ich bin kein besonders unterhaltsamer Gesprächspartner. In den Gesprächspausen lächelt sie mich immer an, ich lächle zurück und so lächeln wir uns wie die Verrückten ständig an. Ich finde es okay. Ihre Zähne sind gepflegt. Lediglich der fehlende Fünfer oben rechts stört das harmonische Gesamtbild der oberen Zahnreihe. Auch unten scheint etwas nicht ganz zu stimmen, dennoch ist ihr Lächeln keineswegs abstoßend. Ich finde sie mittlerweile sogar recht attraktiv. Ihre blauen Augen finde ich sympathisch und frage mich, ob es nur an ihren Kindern liegt, dass kein Mann sie will, ob ihre Stimme vielleicht abschreckt oder ob sie ein dunkles Geheimnis birgt. Ich finde keine Antwort und überlege sogar, ob sie und Manni nicht vielleicht mal etwas zusammen unternehmen könnten. Ich weiß es nicht. Sie unterbricht die Stille mit den Worten “Wir bleiben aber auf jeden Fall in Kontakt!?” – “Sicher.” – “Deine Nummer habe ich ja.” – “Und ich Deine auch.” Für einen Moment macht es mir Angst. Leonetta hat meine Nummer auch und ruft mittlerweile wieder regelmäßig bei mir an. Ich nehme zwar nie ab, dennoch bekomme ich kurz eine Gänsehaut. Wir trinken aus, ich bezahle und wir verlassen das Café del Sol. Es ist 10.00 Uhr. So ein kurzes Treffen hatte ich noch nie. Ich frage sie, ob ich sie noch irgendwo hinbringen kann. Lünen-Süd. Kein Problem. Wir steigen in meinen Benz und sie ist plötzlich ganz angetan und sagt mir, wie schön der Wagen ist. Ich finde meinen Benz auch schön. Als wir am Zielort ankommen, sagt sie: “Wir bleiben doch in Kontakt!?” – “Natürlich.” Ich frage mich, ob wir beide es wirklich ernst meinen oder ob wir einfach nur freundlich sind. Im Spiegel betrachte ich, wie sie fortgeht. Nette Figur, aber an der Körperhaltung muss sie noch arbeiten.
Zurück im Jobcenter
Wie die Zeit doch vergeht. Schon sitze ich wieder im Jobcenter vor dem Büro meiner Betreuerin. Pünktlich öffnet sie ihre Tür, um mir mitzuteilen, dass sie kurz weg muss und gleich wieder kommt. Das war beim letzten Mal auch schon so. Vermutlich ist es ein Ritual. Nach fünf Minuten taucht sie wieder auf, wird aber von einer Kollegin abgefangen und verschwindet mitsamt der Kollegin in deren Büro. Knapp fünf Minuten später kommt sie wieder raus und will zu meiner letzten Betreuerin. Diese ist jedoch nicht da, sondern in dem Büro von dem Betreuer, den ich davor hatte. Ich weise meine aktuelle Betreuerin darauf hin, sie winkt ab, sagt, dass sie dazu jetzt keinen Bock hat, und verschwindet im Treppenhaus. Irgendwas scheint nicht mit ihr zu stimmen. Ein paar Minuten später ist sie zurück, wir gehen in ihr Büro und besprechen meine letzten Bewerbungen. Sie ist erstaunt, dass ich, abgesehen von einer Bewerbung, auf die ich noch nichts gehört habe, nur Absagen bekommen habe. Ich bin nicht erstaunt. Weiter geht es zum nächsten Punkt. Neue Jobangebote für Automobilkaufleute. Leider ist die Ausbeute gering. Meistens sind es Arbeitsvermittlungen, bei denen ich mich bewerben soll. Weil uns das nicht weiterbringt, beschließt meine Betreuerin, dass ich ab jetzt nach anderen Jobs gucken muss. Da Auslieferungsfahrer etwas mit Autos zu tun haben, bekomme ich nun Jobangebote als Auslieferungsfahrer. Auch hier meist für Arbeitsvermittlungen. Meine Begeisterung hält sich in Grenzen, aber ich habe keine Wahl. Insgesamt darf ich neun Angebote mit nach Hause nehmen. Weil wir beide damit nicht glücklich sind, überprüft sie nochmal meinen Lebenslauf, der dort gespeichert ist, und entdeckt etwas sehr merkwürdiges. Irgendwer hat nämlich dort eingetragen, dass ich irgendwann als Gleisbauer gearbeitet habe. Ich sage ihr, dass sie das löschen soll, weil es vollkommener Unsinn ist. Sie löscht den Unsinn und wir plaudern noch ein wenig. Unaufgefordert weist sie mich darauf hin, dass es die Arge gar nicht mehr gibt und jetzt das Jobcenter ist. Als ob Jobcenter so viel besser klingt und mehr bringt. Zum Schluss hat sie noch ein Angebot, welches ich nicht wirklich verstehe. Die AWO sucht Kaufleute, die entweder speziell betreut werden, weil sie keine Berufserfahrung haben, oder irgendetwas machen, um Berufserfahrung zu sammeln. Es würde allerdings nur ein halbes Jahr dauern und der Verdienst liegt zwischen 1000 und 1100 Euro Brutto. Das wären etwa 100 Euro mehr als ich jetzt bekomme, weshalb ich interessiert bin. Sie sagt, dass ich bis jetzt der geeignetste Bewerber bin. Sie muss es wissen, denn sie hat die anderen Bewerber selbst vorgeschlagen. Ich bin fast geneigt, ihr das zu glauben, doch dann denke ich, dass sie das allen Bewerbern sagt, damit die Bewerber sich besser fühlen. Als es nichts mehr zu sagen gibt, beenden wir das Gespräch und ich verlasse ihr Büro. Nächsten Monat wiederholen wir die Aktion. Es sei denn, ich habe keine Zeit, weil ich irgendwen oder irgendwas ausliefern muss.
Köln
Einmal im Jahr fahre ich mit Ursula übers Wochenende weg. Nachdem wir in den letzten Jahren Bremen und Koblenz besucht haben, geht es heute nach Köln. Meine Lieblingsreisegeschwindigkeit liegt zwischen 100 und 130 und nach etwa einer Stunde erreichen wir Köln. Jetzt müssen wir nur noch unsere Pension finden. Dies gestaltet sich jedoch schwieriger als erwartet. Die ausgedruckte Wegbeschreibung führt uns nicht zum Ziel. Wie jede Wegbeschreibung aus dem Internet kommt auch hier irgendwann der Punkt an dem es nicht weiter geht. Orientierungslos fahren wir durch Köln. Nach einer Weile wird uns das zu blöd und wir fragen an einer Tankstelle nach dem Weg. Immer geradeaus, dann rechts, dann wieder fragen. So wird es gemacht. Die nächste Tankstelle, bei der wir fragen, ist nicht mehr so weit von unserem Zielort entfernt. Dummerweise kann man in Köln nicht überall links abbiegen, so dass wir noch ein paar kleine Umwege in Kauf nehmen müssen, um endlich unser Ziel zu erreichen. So dauert die Anreise fast zwei Stunden.
Die City Pension Storch II liegt sehr zentral. Unser Zimmer ist winzig. Ein Bett für zwei, ein schmaler Gang, kleines Bad, fertig ist die Kammer. Und das soll 61€ pro Nacht kosten. Gut, dass ich über Groupon gebucht habe und wir nicht einmal die Hälfte dafür zahlen müssen, denn so ein winziges Zimmer ist auch in dieser Lage keine 61€ pro Nacht wert. Besonders gut gefällt mir die kleine Klappmatratze, die in einem der Schränke untergebracht ist. Selbst wenn man wollte, wäre es unmöglich, diese irgendwo im Zimmer hinzulegen. Ich frage mich, was sich die Leute dabei gedacht haben, als sie die Klappmatratze in den Schrank gelegt haben. Sinn macht es auf jeden Fall keinen. Wir stellen unser Gepäck ab und erkunden die Stadt. Das Wetter ist Scheiße, Köln verdammt groß. Nachts kann ich zum ersten Mal seit Wochen ohne Ohrenstöpsel schlafen. Ein sehr schönes Gefühl.
Am nächsten Tag ist das Wetter noch übler. Es regnet und es ist verdammt kalt. Hätte ich mir doch nur etwas Warmes zum anziehen eingepackt. Ich ziehe mir zwei T-Shirts unters Hemd und wir wandern bei strömendem Regen durch Köln. Irgendwie hatte ich mir das alles ganz anders vorgestellt. Obendrein ist Ursula unzufrieden, weil sie nicht genug Sex bekommt. Ich sage ihr, dass wir im Urlaub sind, wir die Stadt erkunden müssen und es deshalb keinen Sex gibt. Außerdem bin ich alt und muss hin und wieder geschont werden. Da kann ich sie nicht mehrmals am Tag bumsen. Unser Zimmer wird während unserer Abwesenheit übrigens nicht gereinigt. Die Betreiber der Pension sind auch nur wenige Stunden am Tag anwesend. Deshalb nutze ich die kurze Zeit der Anwesenheit der Betreiber, um mir Toilettenpapier von ihnen zu besorgen. Es wäre nämlich schön blöd, wenn man plötzlich feststellt, dass kein Toilettenpapier zur Verfügung steht und man sich den Hintern mit einem Handtuch oder den bloßen Händen abwischen muss.
Am Abend sagt mir Ursula, dass ich eine Bindegewebsschwäche habe und deshalb vermutlich schon bald völlig faltig sein werde. Das deprimiert mich, weil mir mal eine Frau gesagt hat, dass meine attraktive Zeit mit fünfzig kommen wird. Die Freude darauf hat mir mein Bindegewebe nun völlig versaut. Jetzt gibt es gar nichts mehr, worauf ich mich noch freuen kann. Und der Abend hält noch eine weitere unangenehme Überraschung bereit. Als wir im Bett lagen, fällt mir ein äußerst unangenehmer Geruch auf. Zunächst gehe ich davon aus, dass ich dafür verantwortlich bin, vermute spontan einsetzende Verwesung, doch schon bald stelle ich fest, dass mein Kopfkissen so übel riecht. Eine Mischung aus Chemie, Schweiß, Eiter und anderen üblen Substanzen. Das ist mehr als widerlich. Warum habe ich das gestern nicht bemerkt? Ob Ursula heimlich die Kissen getauscht hat? Ich wickle das Kissen in ein Handtuch und ziehe eines meiner T-Shirts darüber. Das löst das Problem zwar nicht wirklich, doch ich bin für jede Linderung des üblen Geruches dankbar. Hier werde ich definitiv nie wieder übernachten. Dennoch schlafe ich irgendwann sogar ein.
Am dritten Tag ist es Zeit, aus dem kleinen ekligen Käfig auszuziehen. Um kurz vor zehn werfen wir den Zimmerschlüssel in den Briefkasten, bringen unsere Sachen ins Auto und gehen zum Rhein. Das Wetter ist endlich angemessen und wir machen eine Schifffahrt. Wasser zieht mich magisch an. Vermutlich weil ich größtenteils aus Wasser bestehe. Abschließend besuchen wir das Schokoladenmuseum. Dort bin ich etwas enttäuscht, weil es lediglich eine kleine Waffel mit frischer Schokolade geschenkt gibt. Für den Eintrittspreis von 7.50€ habe ich etwas mehr Schokolade erwartet. Auf der Heimreise überlege ich krampfhaft, wohin wir nächstes Jahr reisen können und wie es möglich ist, dass Ursula mehr Sex bekommt. Ich weiß es nicht.
Zweites Vorstellungsgespräch 2011
Mein zweites Vorstellungsgespräch des Jahres habe ich bei der Domeran GmbH. Dort werden 10 Verkäufer zur Expansion in Festanstellung gesucht. Ich habe keine Ahnung, was für Verkäufer die suchen und wo sie eingesetzt werden sollen. Es wird also eine Art Überraschungsvorstellungsgespräch werden. Ich hasse Überraschungsvorstellungsgespräche. Eine Anreise von 21 Kilometern für derartige Termine finde ich ebenfalls etwas unangemessen. Außerdem ist es viel zu warm, um mit dem Auto zu fahren. Ich kann nur hoffen, dass die mir ein wirklich anständiges Angebot machen.
Pünktlich erscheine ich zum Termin. Doch leider finde ich keine Hausnummer 21 und kein Firmenschild der Firma Domeran. Stattdessen lande ich bei der Sky-Direktvertriebs GmbH. Ich gehe hinein und sage hallo. Keine Antwort. Irgendwann schaut mich eine der drei Damen hinter der Theke an und signalisiert, dass sie jetzt Aufnahmebereit ist. “Ist das hier Hausnummer 21?” Völlig verblödet schaut sie mich an. “Was?” Das ist wohl die verwirrte Frau, die gestern am Telefon schon nichts verstanden hat. Also versuche ich es erneut. “Ist das hier die Ebertstraße 21?” – “Ja.” – “Ist hier die Domeran GmbH?” – “Ja.” – “Dann habe ich hier ein Vorstellungsgespräch. -“Nehmen Sie Platz.” Ich nehme Platz und sehe auf der anderen Seite des Raumes eine attraktive Frau, die einen Personalfragebogen ausfüllt. Ich fühle mich nicht wohl hier. Kurze Zeit später bekomme ich ebenfalls einen Personalfragebogen und frage mich, warum ich denen meine Bewerbungsunterlagen geschickt habe. Zwei weitere Bewerber sind in der Zwischenzeit eingetroffen. Die attraktive Bewerberin von der anderen Seite des Raumes wird nun zum Vorstellungsgespräch gebeten. Ich sehe ihr dabei zu, wie sie ins Büro geht. Tolle Figur, fantastischer Hintern. Ich bin mir sicher, dass sie einen an der Waffel hat. Die Mitarbeiterinnen hinter der Theke sind mir unsympathisch. Die haben zwar irgendwie ganz tolle Körper, aber weitere Vorteile kann ich nicht ausmachen. Eine der Frauen hinter der Theke lächelt. Ich schaue sie kurz an und dann aus dem Fenster. Ich werde hier niemanden anlächeln. Dreißig Minuten dauert das Vorstellungsgespräch der merkwürdigen Bewerberin mit dem Prachtarsch. Selbst als sie den Raum verlässt, muss sie der Frau von der Domeran oder Sky-Direktvertriebs GmbH noch etwas erzählen. Die hat ganz sicher einen an der Waffel. Die Frau der GmbH geht zu ihren Kolleginnen hinter der Theke und sagt, dass das ihr längstes Vorstellungsgespräch war. Ich bin mir sicher, sie fand die Bewerberin mit dem tollen Arsch auch merkwürdig. Nun bin ich an der Reihe. Die Frau stellt sich kurz vor. Ihren Namen vergesse ich sofort wieder. Sie hat eine tolle Figur, trägt einen Minirock, oder ist es ein Kleid, und hat wirklich tolle Beine. Trotzdem finde ich sie seltsam. Sie geht mir auf die Nerven, obwohl sie noch gar nicht wirklich etwas gesagt hat. Wir setzen uns und sie erklärt mir, worum es geht. Ich soll Firmen, die eine Webseite haben, anrufen und erklären, dass es auch andere Endungen als .de gibt. Z.B. .com, .net, .info. Und diese soll ich den Firmen verkaufen und eine Weiterleitung zu deren .de-Adresse einrichten. So einen Blödsinn habe ich schon lange nicht mehr gehört. Außerdem ist es verboten, ohne Erlaubnis bei irgendwelchen Firmen anzurufen. Ich will nichts mehr von dem Schwachsinn hören und unterbreche ihr dummes Gefasel. “Sie suchen als einen Call-Center-Agent?” – “Ja.” – “Ich will aber nicht als Call-Center-Agent arbeiten, sondern als Verkäufer. Wenn ich als Call-Center-Agent arbeiten wollte, hätte ich mich nicht als Verkäufer beworben.” – “Der Job des Verkäufers ist seit gestern Abend vergeben.” Natürlich. Wozu haben die 10 Verkäufer gesucht, wenn es nur einen Job als Verkäufer in einem Unitymedia-Shop gibt? Sie möchte mich auf die Warteliste setzen, falls der neue Verkäufer abkackt. Sie sagt tatsächlich abkackt. Großartiger Schwachsinn. Ich finde sie doof. Warum bekommen so furchtbare Frauen solche Körper? Das ist doch vollkommen unsinnig. Überhaupt macht das alles hier keinen Sinn. Also frage ich nach dem Fahrgeld für das Bewerbungsgespräch. “Das bekommen Sie von der ARGE.” – “Nein. Das bekomme ich von Ihnen.” – “Wir bezahlen nichts.” – “Dazu sind Sie aber verpflichtet.”Sie weigert sich natürlich weiter, ich beschimpfe den ganzen Verein als lächerlich und unseriös und sage, dass ich mich beim Jobcenter beschweren werde. Dann verlasse ich grußlos den merkwürdigen Verein. Ich hasse solche Menschen. Wenn es nicht gegen das Gesetz wäre, würde ich den ganzen Tag mit meinem Auto über deren Köpfe rollen.
Drittes Vorstellungsgespräch 2011
Mein drittes Vorstellungsgespräch des Jahres führt mich zur AWO. Dort soll ich Arbeitslosen bei deren Bewerbungen helfen. Der Mann, der das bisher gemacht hat, muss nach einem Jahr aufhören, weil diese geförderten Arbeitsplätze maximal ein Jahr gefördert werden. Sein Nachfolger soll am Freitag starten. Dafür wird der Mann dann wieder arbeitslos. Lustige Sache. Das Gespräch verläuft meiner Meinung nach gut. Den Job finde ich interessant, die Arbeitszeiten, täglich von 07.30 Uhr bis 16.00 Uhr, und die Bezahlung, 1100 Brutto, eher weniger. Trotzdem glaube ich, dass ich ein geeigneter Nachfolger wäre. Kurz bevor ich mich verabschiede, sehe ich eine weitere Bewerberin. Sieht nicht so aus, als wäre sie für den Job geeignet. Sieht der Mann, der ab Freitag wieder arbeitslos ist, wohl ebenso, denn er geht lieber rauchen als dem Gespräch beizuwohnen. Ich gehe davon aus, dass er sich längst für mich entschieden hat und deshalb keine weiteren Bewerber mehr sehen will.
Um 15.05 Uhr klingelt mein Telefon. Die Wahl ist auf mich gefallen. Auch wenn es irgendwie arrogant klingen mag, wäre alles andere für mich auch nicht zu verkraften und unlogisch gewesen. Morgen um 09.00 Uhr muss ich den Personalbogen ausfüllen und alle nötigen Unterlagen mitbringen, mich zwei Stunden einweisen lassen und am Freitag den Vertrag in Kamen unterschreiben. Anschließend drei Tage Einarbeitung in Kamen und danach bin ich ein Arbeitsloser, der Arbeitslosen hilft, bis er nach sechs oder spätestens zwölf Monaten selber wieder arbeitslos ist. Verrückte Welt.
Arbeitsplatzbesichtigung
Mein letzter Tag als richtiger Arbeitsloser beginnt viel zu früh. Bereits um 05.30 Uhr wache ich auf, weil ich denke, dass es an der Zeit ist aufzustehen. Wie kann man nur so beknackte Ideen haben? Bis 06.47 Uhr bleibe ich aber noch im Bett, bevor ich mich auf meinen letzten Tag als richtiger Arbeitsloser vorbereite. Meine Laune ist mäßig.
Um 08.57 Uhr treffe ich an meinem zukünftigen Arbeitsplatz ein, um mich von meinem Vorgänger, der meinen Platz als richtiger Arbeitsloser einnehmen wird, über die wichtigsten Dinge informieren zu lassen. Ich werde mit Informationen, die ich mir nicht merken kann, überschüttet. Es sind einfach viel zu viele Informationen in zu kurzer Zeit. Meine Arbeitszeit werde ich bald in zwei Büros verbringen. Vier PCs stehen mir zur Verfügung und außer mir wird niemand die Büros benutzen. Arbeitslose werden mich täglich um Hilfe bei ihren Bewerbungen bitten und ich muss eine Menge Zettel für Statistiken, oder wofür auch immer, ausfüllen. Die Aussicht aus den Fenstern ist okay und es gibt einen Kühlschrank. Nach zwei Stunden habe ich genug Informationen gesammelt und größtenteils schon wieder vergessen. Zum Abschied weist mein Vorgänger mich noch darauf hin, dass im Sommer einige arbeitslose Frauen durchaus leicht bekleidet erscheinen und einen ganz schön durcheinander bringen können. Ehrlich gesagt weiß ich nicht, ob ich mich darüber freuen oder ärgern soll. Vermutlich sollte ich eine Kleiderordnung für Frauen erstellen. Ich bin sowieso ständig durcheinander, da könnten leicht bekleidete Frauen sehr leicht eine Katastrophe auslösen. Ich werde mich damit beschäftigen, wenn es so weit ist. Jetzt muss ich erst mal weg, denn mein letzter Tag in Freiheit ist schon fast vorbei.