Juli 2014

Soziale Kontakte
Etwas, was ich meiner Meinung nach auch ausbauen muss, sind meine sozialen Kontakte. Es müssen ja keine neuen Freunde gefunden werden, dazu sehe ich mich nicht imstande, aber vorhandene Kontakte sollten besser gepflegt werden. Und so passt es gut, dass mich Heiko und Markus am Abend besuchen. So erfahre ich, was außerhalb meiner Wohnung so vor sich geht und kann meine kommunikativen Fähigkeiten trainieren, was mir durch die noch immer aktive Erkältung allerdings etwas schwerer fehlt. Das Reden tut meinem Hals nicht wirklich gut. Der nächste Schritt im Rahmen der Pflege der sozialen Kontakte sollte es sein, irgendwann auch außerhalb der eigenen vier Wände etwas zu unternehmen. Doch erst mal lasse ich die zwei Stunden Revue passieren und überlege, was ich bei zukünftigen Treffen verbessern kann. Anschließend sehe ich noch etwas „How I met your mother“ und gehe anschließend zu Bett, um mit Agnes zu telefonieren und ihr meine Erlebnisse des Tages zu schildern. Ich denke, dass man Erlebnisse, die man verbal teilt, möglicherweise weniger schnell vergisst.

Gesichter erkennen
Das Klingeln des Weckers ignoriere ich und bleibe bis 09.00 Uhr im Bett. Danach gibt es Frühstück, wie immer Müsli, Sojajoghurt und Obst. Anschließend spüle ich und telefoniere mit Agnes. Dann ist es Zeit für ein üppiges Mittagessen. Es gibt Rührei, Gurke und Brot. Als nächstes möchte ich auf dem Balkon lesen, doch in der vierten Etage, wo sich mein Balkon befindet, ist es viel zu windig, weshalb ich beschließe im Bett zu lesen. Das Buch „So was von da“ fängt ganz unterhaltsam an. Ich muss husten, meine türkische Nachbarin hustet zurück. Im Gegensatz zu meinem Husten ist ihr Husten wohl Folge einer Lungenkrankheit. Daher wird sie, wenn ich in den nächsten Tagen das Husten einstelle, weiter husten müssen. Seit fünf Jahren begleitet mich ihr Husten mittlerweile und ist sicher für sie viel unangenehmer als für mich. Kaum ist es 13.00 Uhr muss ich das Buch weglegen. Ich bin zu müde, was aber weniger an der Qualität des Buches, sondern vielmehr an meinem Allgemeinzustand liegt. Einschlafen kann ich dann aber doch nicht, weil ich zu starke Kopf- und Nackenschmerzen habe. Um 13.20 Uhr stört eine Eilmeldung meiner Spiegel-App meine Ruhe. Der Mindestlohn ist durch. Ab 2015 geht es los. Langzeitarbeitslose, wie ich einer bin, werden aber erst ein halbes Jahr später einen Anspruch auf 8,50€ haben. Ich beschließe, mindestens so lange mit einer Arbeitsaufnahme zu warten. Eine Ibuprofen soll meine Schmerzen lindern, Nasenspray meine Atemwege befreien. Ich entspanne. Meine Gedanken kreisen, wie sie es sehr häufig zu tun pflegen, um Sex. Da stört eine Benachrichtigung, welche mein Mobiltelefon ankündigt, meine Entspannung. In der Benachrichtigung werde ich aufgefordert meinem Telefonanbieter zu kündigen. Manchmal ist es echt lästig, wenn man alles, was man zu tun hat, in seinem Kalender einträgt. Doch Pflicht ist Pflicht. Aufstehen und kündigen ist nun angesagt. Selbst zum Ausruhen habe ich nicht wirklich Zeit. Wie soll ich es da schaffen, arbeiten zu gehen? Da fehlt mir doch vollkommen die Zeit für.

Später setze ich mich kurz auf den Balkon. Und kaum bin ich dort, raucht das Paar vom Haus gegenüber am Fenster eine Zigarette. Es scheint, als würden sie ständig rauchen. Ich habe meine Blumenkästen schon so gestellt, dass ich die beiden möglichst wenig sehe, doch ganz kann ich ihnen einfach nicht entkommen. Es ist schwer einzuschätzen, wie alt die beiden sind. Jünger als ich jedenfalls. Das ist aber auch nicht schwer. Vielleicht Mitte Zwanzig. Doch obwohl ich sie ständig sehe, weiß ich nicht, wie sie aussehen und würde sie auf der Straße auch nicht erkennen, was mich aber nicht stört. Wir grüßen uns eh nicht. Und Gesichter konnte ich mir noch nie merken. Außerdem habe ich eine Abneigung gegen Raucher. Wird mit zunehmendem Alter immer schlimmer. Manchmal habe ich Mitleid mit Rauchern, dann finde ich sie erbärmlich, wie sie in irgendwelchen Nischen oder vor Lokalen, am Fenster oder auf dem Klo an ihren Zigaretten ziehen und sich ihre Lungen zerstören. Das ist erbärmlich, geradezu grotesk. Und wie sie teilweise regelrecht stinken nach altem Tabak, davon wird mir höchstens schlecht. Möglicherweise verachte ich die Leute von gegenüber, obwohl ich doch gar nichts von ihnen weiß. Nachdem ich mich genug geekelt habe, beschließe ich, dass ich meinen Benz waschen und volltanken muss. Ein dreckiger Benz ist unwürdig, ein leerer Tank sinnlos. Als ich meinen gewaschenen Benz auftanke, was länger dauert, sehe ich die Kassiererin, wie sie aus dem Fenster schaut und dabei gut aussieht. Ich überlege, ob es Kerstin ist. Ich überlege aber auch nur deshalb, weil mir ihr Vater, falls sie es ist, vor ein paar Wochen sagte, dass sie an einer Tankstelle arbeitet. Und so viele attraktive Frauen, die an einer Tankstelle arbeiten und seiner Tochter ähneln, gibt es sicher nicht. Nichtsdestotrotz kann ich auf die Entfernung nicht sagen, ob sie es nun ist oder nicht. Ich kann mir einfach keine Gesichter merken. Beim Bezahlen weiß ich es noch immer nicht. Kann sein, dass sie es ist, kann aber auch nicht sein. Sie ist sehr freundlich und ich schaue genauer hin. Überlege kurz, sie zu fragen, wie es ihr geht, lasse das dann aber, weil sie vermutlich doch jemand anders ist. Ich könnte auch fragen, ob sie Kerstin ist. Das wäre aber sowas von dämlich, dass ich sie erneut ansehe. Wieder lächelt sie freundlich und ich weiß es nicht. So beschließe ich, dass sie es nicht ist, weil Kerstin in meiner schwachen Erinnerung früher nie so freundlich, dafür aber viel stärker geschminkt war. Wahrscheinlich ist das Blödsinn, aber da ich es heute nicht mehr herausfinde, beschließe ich, dass Kerstin eine andere ist. Fast neunzig Euro hat diese Tankfüllung mich gekostet. Wie soll man sich das als Arbeitsloser eigentlich auf Dauer leisten können?

Im Hausflur begegne ich der früheren Hausmeisterin. Wir reden nicht mehr miteinander, seit ich vor ein paar Wochen böse zu ihr war und sie irgendwie beschimpft habe. Immerhin grüßen wir uns noch. Mehr sollte man mit seinen Nachbarn eigentlich auch nicht zu tun haben. Das führt nämlich meist zu nichts als Ärger und Scherereien.

Nackte Tatsachen und Parkplatzprobleme
Nackt und nass stehe ich unter der Dusche, als es schellt. Vermutlich Post. Ich überlege, ob ich mich rasch abtrockne, mich in ein Handtuch wickle und so die Tür öffne. Den Gedanken verwerfe ich jedoch rasch wieder, da es weder mir noch der Postbotin etwas bringen würde, wenn ich in dem Zustand die Tür öffne.

Später kaufe ich ein. Auf dem Parkplatz geht es hoch her. Was bedeutet, dass sich die Fahrzeuge stauen. Zumindest in unmittelbarer Nähe der Eingänge. Wenige Meter weiter ist genug Platz, doch die feinen Herrschaften sind sich zu fein, ein paar Meter zu laufen, weshalb einige ihre Fahrzeuge, die sie vermutlich noch nicht einmal abbezahlt haben, einfach auf den Wegen parken, weshalb es für alle anderen noch enger wird. Das sind die Momente, in denen mich die Menschen besonders anwidern. Bornierte Drecksäcke, die glauben, dass es für sie keine Regeln gibt. DM, Aldi, Penny. Ich erledige meine Einkäufe, ohne ein einziges Mal meinen Benz umzuparken. Und es macht mir nichts aus. Den bornierten Drecksäcken wäre so etwas kaum passiert, die würden am liebsten mit ihren Autos durch die Geschäfte fahren. Eine Frau fährt mit Ihrem Hyundai Santa Fe auf den Parkplatz, entdeckt eine Parklücke, die wohl gleich frei wird, und stellt sich erstmal quer. So wie sie da steht, wird sie nie in die Lücke kommen. Und was noch besser ist, so kommt auch niemand aus der Lücke heraus. Gleichzeitig blockiert sie zwei Fahrzeuge, die von der anderen Seite ihre Plätze verlassen wollen. Kurz bevor die beiden es schaffen, setzt sie ihr Fahrzeug in Bewegung. Nun geht gar nichts mehr. Kopfschütteln in den Fahrzeugen, totale Überforderung im Hyundai. Erst frage ich mich, ob der Wagen für die Frau zu groß ist, dann aber denke ich, dass sie mit jedem Fahrzeug, selbst mit einem Kinderdreirad, überfordert wäre. Obwohl ich sehr amüsiert bin, mag ich nicht verweilen und bewege mich auf meinen Benz zu. Ich muss den Ausgang des Schauspiels nicht zwingendermaßen miterleben. Und so ist mein Leben, ohne dass ich groß etwas dazu tun musste, um ein Erlebnis reicher. Doch obschon ich durchaus amüsiert bin, denke ich nicht, dass ich diese Art Erlebnisse meinte, als ich mir vornahm, mehr zu unternehmen und zu erleben.

Inaktiver Teil der grauen Masse
Es fällt mir schwer, mich am Sonntag um 09.30 Uhr aus dem Bett zu quälen. Meine Energie ist weiter verschwunden und so ist es wenig verwunderlich, dass ich gar nicht in die Gänge komme. Am Nachmittag sehe ich Formel 1. Wie üblich schlafe ich dabei ein. Eine Stunde dauert mein Schlaf und als ich aufwache, fahren die Rennwagen noch immer im Kreis. Formel 1 als Schlafmittel klappt fast immer. Zeit, endlich zu duschen, mich anzuziehen und die Wohnung zu verlassen. Ich wandere durch den recht menschenleeren Ort zu meinem Vater. Der Ort wird nicht schöner. Nicht nur, dass ich im falschen Ort wohne, ich wohne auch an der falschen Stelle. Wie soll man da zu einem fröhlichen Individuum werden? Wenn es jetzt regnen würde, wäre es perfekt, um sich das Leben zu nehmen. Warum habe ich es nie ernsthaft in Betracht gezogen, diesem Ort den Rücken zu kehren? Hier gibt es nichts außer Supermärkten. Und Supermärkte sind nichts, was einen ermuntern könnte, öfter die Wohnung zu verlassen. Hier ist fast alles schäbig. Eine graue, unscheinbare Masse, die Depressionen garantiert.

Am Abend stehe ich auf meinem Balkon und lasse den Blick über den Ort schweifen. Furchtbar. Besonderer Höhepunkt ist das Kohlekraftwerk, welches in den letzten Jahren erbaut wurde und nun dafür sorgt, dass die Optik noch beschissener und die Luft noch verunreinigter ist. Unnützer Industriekram, der nur Geld gekostet hat und auch weiter kosten wird. Der einzige Sinn dieses Kraftwerks besteht darin, den Ort und die Umgebung weiter abzuwerten. Die Stimmen, die von der unten zu mir hochdringen, passen wirklich prima her. Ein Mann schreit wie ein Irrer jemanden an. Es klingt bedrohlich und ein Kind fängt an zu weinen. Er schreit wohl tatsächlich das Kind auf diese verwerfliche, nicht zu entschuldigende, bedrohliche Art an und klingt dabei total irre und gefährlich. Wenn man bei so jemandem aufwächst, dann ist nicht nur die Kindheit gefährdet, dann ist es vielleicht sogar das Leben. Da kann sich niemand normal entwickeln. Diese scheiß Irren werden immer mehr und wenn man mitten im Zentrum des Irrsinns wohnt, wird einem dieser ganze Müll in Reinform präsentiert. Ich gehöre hier nicht hin, doch ich werde bleiben. Es gibt immer einen Grund, der sich finden lässt, um nichts zu verändern. Egal, ob es um Aktivitäten oder die Wohnsituation geht. Passivität lässt sich immer mit irgendwas erklären und ich bin der Meister im erklären, warum dies oder das gerade nicht geht. Das ist krank. Vermutlich gehöre ich doch sehr wohl in diesen Ort, in dieses grau. Ich bin mehr als nur ein Teil davon. Ich selbst bin das grau. Fürchterlich.

Schlafen kann ich gut
Als ich um 09.36 Uhr aufwache, bin ich erschrocken und erinnere mich, dass heute die Handwerker kommen wollten. Zwischen 09.00 Uhr und 09.30 Uhr. Die habe ich wohl verschlafen. und frage mich, warum die mich nicht aus dem Bett geschellt haben, denn meine Klingel ist so laut, die weckt so ziemlich jeden, der noch nicht gestorben ist. Völlig verwirrt stehe ich auf und bin zornig. Minuten später, ich bin ich immer noch zornig, klingelt es an der Tür. Ich erwarte die Postbotin, doch stattdessen sind es die Handwerker. Es ist 10.02 Uhr. Da haben die sich wohl um etwa eine Stunde vertan. Ich öffne den Handwerkern den Keller, wo sie den Abfluss tauschen und einen Anschluss für Waschmaschinen installieren wollen. Kaum habe ich den Handwerkern geöffnet, ist mein Tag auch schon durch. Keine weiteren Pläne oder Aufgaben. Und weil es quasi durchgehend regnet, verwende ich den Regen als Ausrede für meine Inaktivität und bin am Nachmittag von meiner Inaktivität so erschöpft, dass ich schlafen muss. Als ich später aufwache und über meinen Schlaf nachdenke, bin ich etwas beunruhigt. Neun Stunden Schlaf in der Nacht, fast durchgehende Müdigkeit am Tag und ein spontanes Schläfchen auf dem Sofa, bereiten mir schon Sorgen. Irgendwas scheint mit mir und meinem Körper nicht zu stimmen, zumal mein Erkältungshusten auch noch nicht wirklich abgeklungen ist. Sicherlich ist das Wetter wenig motivierend und erst recht nicht gesundheitsfördernd, aber das allein kann es wohl kaum sein.

Am Abend schlägt der Loerz vor, am Freitag ins FZW zu gehen. Ich weiß nicht, ob er es ernst meint, sehe aber nach, was am Freitag im FZW los ist. Ü30-Party. To old to die young. Dafür bin ich zu alt, denn diese Party beginnt erst um 22.30 Uhr. Um diese Uhrzeit habe ich meist schon mein Nachtgewand an und bereite mich langsam auf den Schlaf vor. Im FZW wird jedoch vor Mitternacht kaum etwas los sein. Um Mitternacht bin ich in der Regel so müde, dass ich schon mit dem nächtlichen sabbern beginne und meine Augen kaum noch aufhalten kann. Somit ist das wohl nichts für mich. Vermutlich werde ich nie wieder in eine Disko gehen. Höchstens in eine Seniorendisko, die am Nachmittag geöffnet hat, wobei ich gar nicht weiß, ob es so etwas überhaupt gibt. Der Gedanke, so spät abends auszugehen, lähmt mich quasi und ich verharre minutenlang in einer Art Starre. Deutschland schlägt Brasilien 7:1. Fast so etwas wie mein Höhepunkt des Tages. Traurig und großartig zugleich.

Juligrau
Als ich am nächsten Morgen erwache, ist alles immer noch trostlos. Grau und regnerisch empfängt mich der Tag. Wieder tausend Gründe, nichts zu tun und mich auszuruhen. Würden die Handwerker gleich nicht kommen und ich ihnen den Keller aufschließen müssen, würde ich ganz sicher noch nicht aufstehen. Vermutlich würde ich erst zum Mittagessen aufstehen. Mittagessen gibt es heute bei meinem Vater. Bei dem Wetter erscheint mir das viel zu weit weg. Fast schon unerreichbar weit weg. Die Handwerker, welche um 09.00 Uhr hier sein wollten, sind weit und breit nicht zu sehen. Von Pünktlichkeit haben sie scheinbar keinen Schimmer. Doch was rege ich mich auf? Ist ja erst 10.00 Uhr. Und eine Stunde Verspätung gab es schon gestern. Kaum habe ich darüber nachgedacht, klingelt es an meiner Tür. Es ist 10.04 Uhr. Der Handwerker entschuldigt sich und ich verzichte darauf, zu sagen, dass ich mir schon gedacht habe, dass es so spät wird. Schließlich war es gestern nicht anders. Weil es keine freien Parkplätze gibt, sage ich ihm, dass er seinen Wagen im Hof direkt hinter zwei dort geparkten Fahrzeugen abstellen soll. Für mich bedeutet das, dass nun Abwechslung in mein Leben kommt, weil ich den Besitzern der Fahrzeuge sagen muss, dass sie zugeparkt sind und der Handwerker, der dafür verantwortlich ist, sich im Keller befindet. Nur für den Fall, dass sie wegfahren wollen. Zuerst führt mich mein Weg in die Arztpraxis. Da man mich dort kennt, bedankt man sich für die Information und ist zufrieden. Zugeparktes Auto Nummer zwei gehört zu dem Nachbarn, der direkt unter mir wohnt. Er scheint sich fast zu freuen als ich bei ihm schelle. So als würde er Besuch bekommen. Er bedankt sich sehr freundlich und fragt, ob ich gestern Fußball gesehen habe. Und so reden wir etwas über das unglaubliche Ergebnis. Damit hätte ich jetzt nicht gerechnet. Ein netter Plausch unter Nachbarn. Für einen Moment entsteht der Eindruck, ich könnte ein ganz normales Mitglied der Gesellschaft und nicht außerordentlich gestört sein. Doch ich weiß es besser. Unter all den gestörten Individuen bin ich auf meine ganz besondere Art und Weise gestört. Nur manchmal merkt es meine Umwelt einfach nicht. Theoretisch müsste ich das irgendwie für mich nutzen können. Praktisch bringt mir diese Erkenntnis jetzt aber rein gar nichts. Alle Aufgaben des Tages erledigt. Den Rest des Tages mache ich nicht viel. Huste weiter, produziere unnötigen Schleim, bewundere den Regen, wie er vom Himmel fällt und bin völlig inaktiv. Bis Loerz schreibt, dass er am Freitag ins FZW will. Schon bekomme ich Angst. Meint der das ernst? Und wenn ja, warum? Freitag ist schon übermorgen. Ich weiß nicht, ob ich dazu bis dahin wirklich schon bereit bin.

Trägheit und schlechtes Wetter
Die Tragik der Trägheit ist, dass sie jede Aktivität schon im Ansatz zerstört. Und eine willkommene Unterstützung der Trägheit an diesem Tag, der mich nach langer Zeit mal wieder ins FZW führen sollte, ist der Loerz. Denn dieser, so unglaublich es klingen mag, hat am Nachmittag auch keine Lust mehr auszugehen. So hat sich dieses bedrohliche und doch immer wieder herbeigesehnte Szenario, Stunden bevor es Wirklichkeit wird, erledigt. Die Frage, was ich anziehe, muss ebenso wenig beantwortet werden wie die Frage nach dem angemessenen Parfum. Und es ist auch plötzlich nicht mehr schlimm, dass der Friseurbesuch nicht stattgefunden hat. Fragen, mit denen ich mich schon lange nicht mehr beschäftigen musste, müssen nun doch nicht mehr gestellt werden. Für die Banane nach dem Ausgehen hatte ich dennoch schon gesorgt. Dieser Teil, traditionell und gut, wäre jedenfalls perfekt gewesen. Nun aber ist alles so, wie es seit langer Zeit ist. Es ist Wochenende und ich gehe nicht aus. Und das Wetter, das sei lobend erwähnt, passt sehr gut zu einem Abend zu Hause, denn die Unberechenbarkeit des Wetters, welches mit Blitz und Donner um sich wirft und Regengüsse zu Boden schleudert, würde einen Ausflug zu einem Risiko werden lassen, welches ich einfach nicht eingehen mag. Ich möchte nämlich weder vom Blitz getroffen noch nass werden. Ebenso wenig möchte ich meinen Benz solchen Wetterkapriolen aussetzen. Wir beide sind nicht für so etwas geschaffen. Wir mögen angenehmes Wetter mit angenehmen Temperaturen, wenn wir unterwegs sind. Weil so etwas derzeit selten ist, kann es kaum verkehrt sein, wenn wir den Abend zu Hause verbringen. Vielleicht sind das auch alles nur Ausreden der eigenen Trägheit. Was auch immer es ist. Es beschert mir einen weiteren Abend mit mir allein daheim.

Eine weitere Ausrede
Neben der Trägheit, der Faulheit und dem Wetter gibt es ein weiteres Argument für meine Passivität. Geld. Beziehungsweise zu wenig Geld. Denn am Leben teilzunehmen kostet Geld. Und weil ich recht wenig davon habe, muss es oft als Grund, Dinge nicht zu tun, herhalten. Oftmals auch dann, wenn etwas garantiert nicht am Geld scheitern kann Es ist so verdammt einfach ausreden zu (er)finden. Wenn es Geld fürs Erfinden von Ausreden gäbe, wäre ich ein gemachter Mann. Dann könnte ich testen, wie es sich mit Geld lebt und ob die Trägheit weiter jede Aktivität bremst oder ob ich durchstarte. Doch das ist etwas, was ich nie herausfinden werde, weshalb diese Gedenken nutzlos sind und so gar nichts bringen. Vor allem bringen sie mich nicht weiter. Ich bringe mich allerdings auch nicht weiter, was der Kern allen Übels ist. Ich bin es, der mich bremst. Ausgefallene Diskobesuche sind die logische Folge meines Dahinvegetierens. Gerne rede ich mir ein, dass ich aktiver wäre, wenn ich über ausreichend Geld verfügen würde. Doch überzeugt bin ich davon auch nicht wirklich und solche Gedanken ändern auch nichts an der Tatsache, dass ich unter fortgeschrittener Trägheit leide. Und so wird sich wohl kaum etwas ändern. Es ist Juli. Die Höhepunkte des Jahres sind spärlich gesät und viele werden nicht hinzu kommen. Ich erinnere mich, dass dieses Jahr alles anders werden sollte. Zu Jahresbeginn war das in meinem Kopf, während meiner Erkältung wurde es aufgefrischt. Geändert hat sich nichts. Es fährt ein Zug nach Nirgendwo und ich steuere diesen Zug. Vielleicht sollte ich bei Gelegenheit abspringen. Falls mich meine Trägheit irgendwann springen lässt.

Fit werden
Nach knapp einem Monat ohne Training, muss ich mich heute regelrecht zwingen ins Fitnessstudio zu gehen. Und obwohl ich fürchte, dass es dort unangenehm warm sein wird, ziehe ich es einem Joggingversuch vor. Schon die Fahrt zum Fitnessstudio gestaltet sich schwieriger als gedacht. Meine Müdigkeit ist so stark, dass ich nur mit größter Mühe schaffe, nicht während der Fahrt einzuschlafen. Beste Voraussetzungen also für ein intensives und erfolgreiches Training, welches ich wenig später auf dem Crosstrainer beginne. Meine Müdigkeit ist weiter so stark, dass ich fürchten muss, auf dem Crosstrainer einzuschlafen. Erst nach etwa zehn Minuten lässt die Müdigkeit etwas nach und wird durch Erschöpfung abgelöst. Obendrein ist es in der Tat zu warm und ich frage mich, ob ich wirklich im Anschluss auf das Laufband gehen sollte. Als ich nach zwanzig Minuten vom Crosstrainer steige, weiß ich, dass ich zunächst nicht aufs Laufband will. Stattdessen muss ich etwas für meinen völlig erschlafften Oberkörper tun, was mir erwartungsgemäß ziemlich schwer fällt. Um mich herum Menschen mit Muskeln. Weder ich noch mein Körper passen hierher. Dennoch mache ich fünf Übungen, bevor ich mich Richtung Laufband bewege. Zehn Minuten wären schön. Schon laufe ich los und frage mich, ob zehn Minuten in meinem Zustand möglich sind. Weil es mir aber unsinnig erscheint, auf dem Laufband unter zehn Minuten zu laufen, steht rasch fest, dass ich diese verdammten zehn Minuten schaffen werde. Ich atme schwer, schwitze und bin entsetzt über meinen Fitnesszustand, versuche aber weder zu verzweifeln noch mich aufzuregen. Erst nach neun Minuten bekomme ich Zweifel, ob ich wirklich durchhalte, weil mein Knie mir signalisiert, dass es keinen Spaß mehr hat. Blöd nur, dass ich gerade entschieden habe, dass es zwölf Minuten werden sollen. Glücklicherweise ist mein Knie heute kooperativ und ich halte tatsächlich zwölf Minuten durch. Das Laufband stoppt, ich schwitze und frage mich, wieso das mittlerweile alles so anstrengend sein muss. Früher ging das einfacher. Vermutlich liegt es an meinem schwachen Fitnesszustand und am fortgeschrittenen Alter. Um in eine anständige Form zu kommen, muss ich wohl mehr tun. So stellt sich die Frage, ob ich dazu bereit bin oder ob meine Faulheit siegen wird und ich mich mit meinem Zustand abfinde. Weil ich unter fortgeschrittener Lethargie leide, kann letzteres nicht ausgeschlossen werden.

Zombie
Es ist tatsächlich so, dass ich sonntags, nachdem ich irgendwelche Nahrungsmittel erhitzt habe, der Meinung bin, den Rest des Tages nichts mehr tun zu können, weil die Zubereitung des Essens und die anschließende Beseitigung der dabei entstandenen Unreinheiten mich so auslaugen und frustrieren, dass damit alle weiteren Aktivitäten für den Tag nicht mehr möglich sind. Mit dieser Einstellung kann ich es definitiv vergessen, mal an einem Sonntag irgendwas anderes als einen Spaziergang zu unternehmen. Meine Leblosigkeit ist echt erschreckend.
Am Abend wird mir meine Leblosigkeit erneut bewusst als ich das WM-Finale Deutschland gegen Argentinien gucke, denn kurz nachdem das Spiel angepfiffen wird, stelle ich mir die Frage, warum ich ein WM-Finale alleine zu Hause sehe. Und je mehr ich darüber nachdenke, desto verwerflicher, geradezu grotesk, finde ich es. Aber es spiegelt mein Leben auch perfekt wieder. Die meiste Zeit verbringe ich in der Tat alleine vor dem Fernseher. In meiner Parallelwelt, in der alles in Ordnung zu sein scheint und in der ich mich so gut auskenne. Solange ich da nicht weiter darüber nachdenke, eine schöne Welt, doch jetzt, wo ich einen Moment des Hinterfragens habe, finde ich mein Verhalten plötzlich besorgniserregend. Irgendwas stimmt definitiv nicht mit mir. Wenigstens bei meinem Vater hätte ich das Spiel sehen können. Muss ja nicht gleich eine große Sache sein. Das hier aber ist erbärmlich. Das Spiel geht in die Verlängerung, Götze schießt ein Tor und dann geht es los. Deutschland wird zur Partymeile. Selbst dieser trostlose Ort wird wach. Menschen grölen und sind ausgelassen. Ich sitze vor dem TV. Wieso um alles in der Welt ist es mir nie in den Sinn gekommen, den Abend nicht allein vor dem Fernseher zu verbringen? Sicherlich bin ich kein Partytyp, aber wie oft wird Deutschland denn Weltmeister? Und ich sitze lethargisch vor dem Fernseher. Mit welchem Gleichmut ich diesen Gewinn der Weltmeisterschaft hinnehme ist schon irgendwie verwerflich. Befremdlich allemal. Ich bin nicht nur ein hoffnungsloser Fall, ich bin längst tot. Und weil ich nicht beerdigt wurde, muss ich eine Art Zombie sein. Das hat mir gerade noch gefehlt. Das ist ein neuer Tiefpunkt meines Daseins. Ein weiterer Beweis dafür, dass das mit mir nichts mehr wird. Ich werde weder irgendwann wieder aktiver, noch sonst irgendwas ändern. Bei mir in der Birne stimmt so einiges nicht. Und ich muss mir auch nichts vormachen. Diese Schäden sind irreparabel. Ich bin verloren und die Fußball WM hat es nur bestätigt. Nicht wirklich unerwartet doch irgendwie gnadenlos. Ole. Ole. Ole.

Drei Tage Erholung von der Trägheit
Drei Tage Besuch von Agnes. Drei Tage, die so gar nichts mit den letzten Tagen zu tun zu haben scheinen. Ich bin entspannt statt verspannt. Natürlich nicht hundertprozentig, weil ich das völlig verlernt habe, aber die Zeit ist unbeschwert und stressfrei. Es macht plötzlich Sinn, die Wohnung zu verlassen. Selbst im Bett liegen macht Sinn. Essen ist auch kein Problem. Für eine Weile habe ich Urlaub vor mir selbst. Wir gehen zum Minigolf, sitzen im Opera, spazieren umher. So könnte ich den Rest meines Lebens verbringen. Aber wie es immer so ist, wenn etwas gefällt, verrinnt die Zeit unfassbar schnell und schon ist alles vorbei. Der Alltag ist wieder da und es gibt keinen echten Grund, die Wohnung zu verlassen. Die Temperaturen sind auf über 30° geklettert und somit eine perfekte Ausrede dafür, erst mal nichts weiter tun zu können als zu warten. Mein Leben ist wiederhergestellt und ich frage mich, ob das alles so richtig ist. Dann aber, ich habe noch keine Antwort gefunden, entscheide ich, dass es zu warm ist, um weiter darüber nachzudenken und verfalle in die gewöhnliche Starre.

Sommerfrisur
Wochenende. Die Temperatur weiter über 30°. Da muss ich natürlich raus. Und zwar zum Friseur. Wie immer bitte ich darum, meine Haare nur wenig zu kürzen. Erwartungsgemäß hält sich der Friseur nicht daran. Zumindest nicht vollständig. Und so sind die Seiten am Ende nicht nur kurz, sondern sehen irgendwie aus, als hätte ich sie selbst so hergerichtet. Dafür wurde aber vorne kaum etwas abgeschnitten, was das Gesamtkunstwerk mehr als übel erscheinen lässt. Als ich mir die Kreation zu Hause genauer ansehe, bin ich völlig entsetzt. So kann das auf keinen Fall bleiben. Kurzerhand greife ich nach meiner Schere und passe den vorderen Teil dem Rest an. Und obwohl ich so etwas nicht kann, sieht es am Ende besser aus. Ich weiß nicht, was in den Friseur gefahren ist, eine solche Leistung abzuliefern, was ich allerdings weiß ist, dass er so keine Preise gewinnen wird. Nicht einmal Trostpreise, denn das ist Kacke. Schlicht und ergreifend Kacke. Außerdem, so glaube ich zu wissen, muss ich das Haarshampoo wechseln, denn meine Haare wirken strohig stumpf. Das ist einfach unästhetisch und unansehnlich zugleich. Diese Frisur, die eigentlich keine ist, wirft mich weit zurück. Andererseits kann ich sie prima als Erklärung dazu verwenden, warum ich in den nächsten Tagen zu Hause bleiben muss. Nämlich um mich und meine Umwelt zu schützen. Und wenn ich ehrlich bin, ist es eh zu warm, um etwas zu unternehmen. Und so hat am Ende doch alles seinen Sinn. Selbst meine beknackte Frisur.

Ein Tag am Teich
Was nützt einem der schönste Balkon, wenn es dort so windig ist, dass es nicht auszuhalten ist? Nicht viel. Und so gebe ich meinen Versuch, den Tag lesend auf dem Balkon zu verbringen, bald auf. Bei 35 Grad ist etwas Wind zwar eigentlich eine willkommene Abwechslung, aber eben nicht hier oben auf dem Balkon. In der Wohnung sind mittlerweile auch über 30 Grad. Meine Wohnung ist im Sommer völlig unbrauchbar. Den Sommer über sollte ich woanders leben. Eigentlich sollte ich immer woanders leben. Unter diesen Umständen ist es mir nicht möglich, die Wohnung nicht zu verlassen. Beschissene Frisur hin oder her. Und so befinde ich mich schon wenig später am Ententeich. Meine Bank, die in den letzten Jahren schon oft mein Domizil war, ist zum Glück frei, so dass ich dort Platz nehmen kann. Wasser habe ich dabei, ebenso Weingummi und ein Buch von Thommy Bayer. Der langsame Tanz. Vergessen habe ich, wie immer, Autan. So bin ich vermutlich leichte Beute für Stechinsekten jeglicher Art. Das werde ich wohl nie mehr lernen. Mir gegenüber, am anderen Ufer, sitzen zwei Angler. Angler sind mir seit jeher suspekt. Die Fische im Teich tun mir leid und ich frage mich, wie die Angler es wohl finden, wenn sie plötzlich einen Angelhaken im Mund haben und durchs Wasser gezogen werden. Mir jedenfalls würde es gefallen, das einmal zu sehen. Da könnte ich vermutlich den ganzen Tag dabei zusehen, wie die Angler so durchs Wasser gezogen und am Ende mit einem Knüppel erschlagen werden. Das wäre ein herrlich sinnloser Spaß. Libellen tanzen über dem Wasser, Entenfamilien schwimmen vorbei. Es weht ein lauer Wind. Von irgendwoher höre ich Musik. Ich sollte ein Haus an einem See haben und nicht mitten in einem Kaff leben. Ohne die Angler wäre es hier viel schöner. Sind alle Angler Vollidioten?
Nach einer Stunde kommt eine Frau mit Hund an den Anglern vorbei. Die Frau heißt Diana. Zumindest nennt sie einer der Angler so. Für Angler sind die beiden echt zu laut. Echte Angler sollten Mucksmäuschenstill sein. Wenig später ist Diana auf meiner Seite und lässt ihren Hund direkt vor mir ins Wasser. An dieser Stelle tun das viele Hundebesitzer. Diana ist vielleicht knapp über zwanzig, etwa 1,70m groß, hat gebräunte Haut und eine gute Figur. Nachdem ich diese Fakten gesammelt habe, beachte ich sie nicht weiter. So beobachte ich stattdessen ihren Hund, wie er immer wieder ins Wasser stürzt, um den Stock, den Diana für ihn wirft, rauszuholen. Den Hund finde ich toll. Früher hätte ich ihn auch toll gefunden, aber seine Besitzerin intensiver beobachtet. Werde ich alt oder bin ich es längst? Oder ist Diana nur nicht interessant genug, um von mir beachtet zu werden? Ich bekomme Hunger, stopfe Weingummi in mich hinein, was aber keine große Wirkung zeigt. Doch da es noch viel zu früh ist, zurück zur Wohnung zu gehen, muss Weingummi reichen. Ich beobachte die Angler und frage mich, ob die nur da sitzen oder auch mal was fangen. Zumindest werfen sie ihre Angel immer wieder erneut aus. Vielleicht ist das nur Tarnung und die beiden angeln gar nicht, sondern brauchen nur einen Vorwand, um zusammen am Teich zu sitzen. Um die Bank herum liegen überall Zigaretten. Sie wurden nicht geraucht. Ihnen wurde nur der Tabak entfernt. So sehr ich auch darüber nachdenke, was das zu bedeuten hat, einen Sinn erkenne ich leider nicht. Vom Hundeplatz in der Nähe des Teichs dringt immer mehr Gebell zu mir durch und verteilt sich über den ganzen Teich und die umliegende Umgebung. Das empfinde ich als störend. Sollten Hunde dort nicht lernen, dass es sich nicht gehört, wie verrückt zu bellen? Wahrscheinlich sind es die Hunde von irgendwelchen Deppen. Die Welt ist voll von Deppen, die völlig ungeeignet sind, Hunde zu besitzen.
Zwei Stunden sind mittlerweile vorüber und die Angler packen endlich ihre Sachen und verschwinden. Hätten sie viel früher tun sollen. Petra gesellt sich zu mir. Wir sitzen noch etwa eine Stunde auf der Bank, bis der Hunger mich nach Hause zwingt. In der Wohnung ist es unerträglich warm. Einfach widerlich. So mache ich mich nach etwa zwei Stunden Aufenthalt auf den Weg zu Petra, um dort auf dem Balkon zu sitzen, weil es auf meinem Balkon weiterhin zu windig ist. Als ich gegen 22.30 Uhr zurück bin, ist es weiter viel zu warm. Zeit über den Tag nachzudenken. Ich war fast den ganzen Tag an der frischen Luft, trotz meiner komischen Frisur und meiner totalen Trägheit. Gekostet hat der Spaß auch fast nichts, abgesehen von den Benzinkosten für die Anreise. Der Tag war unerwartet entspannt und vielleicht lässt sich darauf irgendwie aufbauen. Vielleicht aber auch nicht.

Brunnenfest
Selbst für mich überraschend und fast schon sensationell spontan, besuche ich mit Petra das Brunnenfest, eine jährlich stattfindende Veranstaltung bei der man ordentlich Alkohol trinken und schlechten Coverbands zuhören kann. Ein Fest, welches ich gelegentlich Besuche und von dem ich noch nie begeistert war. Warum auch? Hier gibt es einfach nichts, was mir gefallen könnte. Der Marktplatz ist voll von Leuten und die Musik so laut, dass man sich, je nachdem wo man einen Platz gefunden hat, anschreien muss, wenn man das Bedürfnis hat sich zu unterhalten. Wir begeben uns in die Menschenmenge und ich betrachte das Volk. Kenne ich nicht und will ich auch nicht kennen. Weil Petra mit dem Brunnenfest auch noch nie etwas anfangen konnte, beschließen wir, dass es Sinn macht, wenn wir woanders hingehen. So landen wir schließlich in einem Eiscafé. Petra bestellt einen Eiskaffee, ich mir eine Fanta, weil ich wegen meiner Laktoseintoleranz Angst vor Eis habe. So Sitzen wir da, unterhalten uns und beobachten die Leute. Ein paar Tische weiter sitzen vier Frauen. Zwei schlanke und zwei kräftige. Scheinbar Partymädels, die nichts anbrennen lassen. Leider bekomme ich nicht all ihre Geschichten mit. Die Partymädels sind meiner Schätzung nach alle über 40, vielleicht auch weitaus älter und scheinen durchaus gepflegt zu sein. Die schlanke mit der Brille erzählt von irgendwelchen Männerabenteuern. Auch hier kann ich nur Bruchstücke hören. Erst als sie von ihrem Aids Test erzählt, kann ich sie besser verstehen, weil sie die Geschichte extra laut vorträgt. Doch noch bevor die Geschichte ihren langweiligen Höhepunkt nimmt, wird sie von einer anderen Frau unterbrochen. Und obwohl sie es versucht, lässt diese ihr keine Gelegenheit, ihre Geschichte zu Ende zu erzählen. Macht aber nichts, weil weder die Geschichte noch die Art, wie sie diese vorgetragen hat, irgendwie interessant waren. Für uns ist es nun Zeit zu gehen und wir machen uns auf den Weg zurück zum Brunnenfest. Dort angekommen, stellen wir schnell fest, dass noch immer die furchtbare Coverband im Einsatz ist. Sie verschandeln jedes Lied, welches sie vortragen. Dennoch scheinen einige der Anwesenden Gefallen daran gefunden zu haben. Petra sagt, dass die Band sich bestimmt besser anhört, wenn man direkt vor der Bühne steht. Ich habe da meine Zweifel und weigere mich, es auszuprobieren. Wir stehen mal hier und mal dort, beobachten die Leute und hören die furchtbare Musik. Die Menschen um mich herum kommen mir nutzlos vor. Erschreckend viele Raucher tummeln sich unter den Gästen und verpesten mit ihren Zigaretten die Luft. Raucher sind irgendwie erbärmlich, wie sie an ihren Zigaretten saugen und sich den Dreckstabak reinziehen. Außerdem riechen sie abstoßend und manchmal tun sie mir Leid. Heute aber finde ich sie nur erbärmlich. Während ich verständnislos die große Anzahl von Rauchern betrachte, möchte der Sänger der Coverband nun die Arme der Menschen sehen. Und tatsächlich werden die Arme in die Höhe gereckt. Die Stimmung scheint großartig. Entweder sind die Menschen besoffen oder bekloppt oder gar beides. Anders lässt sich diese erbärmliche Tragödie nicht erklären. Die vier Partymädels, die vorhin noch im Eiscafé saßen, sind inzwischen auch eingetroffen. Vermutlich werden sie gleich irgendwelche Männer erlegen. Hoffentlich haben sie Kondome dabei. Weil die optischen Höhepunkte mehr als spärlich gesät sind, die Band immer schlechter wird, die Leute aber nicht interessanter, beschließen wir, dass es nun ein guter Zeitpunkt ist, dieses bombastische Fest zu verlassen. Wir gehören hier nicht her, passen nicht in diese Gesellschaft. Wir sind Fremdkörper und vermutlich wissen das alle.

Da der Ausflug für mich zu überraschend kam und ich aus der Übung bin, habe ich selbstverständlich keine Banane dabei, die ich mir auf dem Rückweg gönnen kann. Das ist sehr traurig, passt aber prima zu der Coverband und der mäßigen Optik, die mir das Brunnenfest geboten hat.

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