Ratiopharm

Sehr geehrte Damen und Herren,

seit Jahren sind Ihre Produkte erste Wahl für mich, wenn es darum geht, meine Gesundheit wiederherzustellen. Das liegt natürlich auch an Ihrem Preis- Leistungsverhältnis, welches mir, einem arbeitslosen Faulenzer, sehr entgegenkommt.

Seit ich arbeitslos bin, also seit über zwanzig Jahren, neige ich dazu zu kränkeln. Eine Erkältung hier, ein verspannter Rücken dort und andere Wehwehchen, die sich prima mit Ihren Mittel bekämpfen lassen, schütteln meinen Körper regelmäßig durch und zwingen mich zum handeln. Allerdings benutze ich Ihre Mittel nie, bevor ich sie an jemandem getestet habe. Ich bin nämlich nicht blöd und habe Angst vor Nebenwirkungen.

Seit Jahren teste ich Ihre Mittel nun schon an meiner mittlerweile 86jährigen Nachbarin, deren Wohnungsschlüssel ich habe, um nach dem Rechten zu sehen. Die Dame ist nämlich nicht mehr ganz fit, vor allem im Kopf, und da ist es wichtig, dass jemand ein Auge auf sie hat. Diese Tatsache machte ich mir vor einigen Jahren zunutze, um Medikamente, die irgendwann für mich von Bedeutung sein könnten, an ihr zu testen. Vorher nutzte ich für diese Tests ihren kleinen Dackel, aber der starb eines Tages im Alter von nur 7 Jahren ganz plötzlich, so dass ich mir etwas anderes einfallen lassen musste, weil die Dame sich partout keinen neuen Hund anschaffen wollte. Zu tief saß der Schmerz in ihrem alten Herzen.

Jedenfalls ist meine Nachbarin wirklich praktisch. Sie merkt auch gar nicht, dass ich ihr ab und zu Medikamente untermische. Und für mich ist es halt wichtig zu sehen, wie sich ihre Gesundheit nach der Einnahme diverser Mittel entwickelt. Meist prächtig. Nur gelegentlich bekam sie Durchfall und einmal auch einen fiesen Hautausschlag. Die Medikamente, die das ausgelöst haben, nahm ich dann selbstverständlich nicht. Ich bin ja nicht blöd. Zumindest glaubte ich das. Doch vor ein paar Tagen, als ich mit einem Kumpel über meine Nachbarin sprach, sagte dieser, dass man die Nebenwirkungen nicht eins zu eins vergleichen kann, da meine Nachbarin nicht nur eine alte Frau sei, sondern vermutlich auch anders als ich auf die Medikamente reagiert. Das gab mir zu denken. Und nun schreibe ich Ihnen, um zu erfahren, ob diese ganzen Tests an meiner Nachbarin vielleicht gar keinen Sinn machen und für mich keine Aussagekraft haben. Kann ich Nebenwirkungen haben, die bei ihr gar nicht auftreten? Wäre es sinnvoll, wenn ich nicht nur an einer Person die Medikamente ausprobiere oder ist es tatsächlich erforderlich, dass ich all diese wundervollen Medikamente mit den vielen Nebenwirkungen an mir teste, um herauszufinden, ob sie mir bekommen oder nicht?

Ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie mir rasch antworten und meine Nachricht vertraulich behandeln. Ich möchte nämlich keine Experimente machen, die am Ende sinnlos sind. Dazu ist mir meine Nachbarin mittlerweile zu sehr ans Herz gewachsen.

In freudiger Erwartung Ihrer baldigen Antwort verabschiede ich mich nun von Ihnen und hoffe, dass Sie noch viele tolle Medikamente erfinden.

Mit lieben Grüßen
Herr Fischer

Statt der erwarteten Antwort, bekam ich Post von der Polizei. Weil die von Ratiopharm sehr besorgt waren, dass irgendwer tatsächlich zu Schaden kommt, haben sie meinen Brief nämlich direkt an die Polizei weitergeleitet. Diese verständigte die Staatsanwaltschaft und ich musste eine Aussage machen. Der Polizist fand das alles gar nicht lustig, sondern eher krank, und drohte mir als mögliche Folgen dafür, dass ich einen solchen Brief geschrieben habe, eine Geld- oder gar Haftstrafe an. Ich war echt überrascht und letztlich erleichtert, dass ich nach meiner Aussage nix mehr von dem Polizisten oder der Staatsanwaltschaft gehört habe.

© 07.2013

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