Zahnarztbesuch und Fußtattoo

Was kann man bei Temperaturen um die 35 Grad am besten tun, damit es einem gut geht? Ich weiß es nicht, daher gehe ich zum Zahnarzt, um meine Wurzelbehandlung fortzusetzen. Zum vollständigen Glück hat der Zahnarzt seine Praxis unter dem Dach und so ist es dort wärmer als ein Mann meines Alters und Zustands es für eine längere Zeit ertragen kann. Da trifft es sich gut, dass ich als Letzter dran bin und somit am längsten warten darf. Immerhin kann ich mir so die Mitarbeiterin, die mit letztens beim Röntgen so gut gefallen hat, immer mal anschauen, wenn sie sich am Empfang aufhält. Ich weiß nicht wieso, aber irgendwie hat die was. Sie ist eher klein, hat dunkle Haare, einen schönen Teint, ein Tattoo am rechen Fuß und eine feine Figur. Vermutlich ist sie nicht einmal halb so alt wie ich. Alt werden ist einfach nix für mich, obwohl das in dieser Situation keine Rolle spielt. Ich überlege mir, dass es mir nicht gefallen würde, wenn sie gleich bei meiner Behandlung dabei wäre, weil mir das peinlich ist, so sabbernd und mit offenem Mund und mit meinen gammeligen Zähnen im Behandlungsstuhl zu liegen und mich ihr so zu präsentieren. Also ob sie das stören würde. In meinem Kopf entstehen echt nur komische Gedanken.
Nachdem ich ordentlich durchgeschwitzt bin, darf ich auch schon im Behandlungsstuhl Platz nehmen. Dem Arzt assistiert eine junge Frau, die noch ganz am Anfang zu sein scheint. Vielleicht ist es auch eine Praktikantin. Und da man unerfahrene Mitarbeiterinnen unterstützen muss, kommt die Frau mit dem Fußtattoo dazu. Fußtattoo dazu. Reimt sich irgendwie. Gefällt mir. Die Behandlung ist okay, aber tut manchmal weh. Der nächste Reim in meinem Kopf. Vermutlich ausgelöst durch die ganze Hitze und die Anwesenheit der Frau mit dem Fußtattoo. Der Wurzelkanal wird ausgiebig aufgeräumt, die Schmerzen sind auszuhalten und dann ist die Behandlung schon vorbei. Anstatt, wie mir empfohlen, nun einmal den Mund auszuspülen, kippe ich den Wasserbecher um. Ich tue echt alles, um aufzufallen und mich angemessen zu blamieren. Mit einem platten Spruch, versuche ich meine Peinlichkeit zu überspielen. Zur Belohnung tätschelt mir die Frau mit dem Tattoo kurz die Schulter. Eine Berührung aus Mitleid. So weit ist es schon mit mir gekommen. In zwei Wochen soll ich wiederkommen und wenn bis dahin alles gut ist, kann alles gut werden. Ich habe da so meine Zweifel. Zur Terminvergabe begleite ich die Frau mit dem Fußtattoo zum Empfang und betrachte ihr Tattoo, kann aber nicht genau erkennen, ob es eine Schlange oder etwas anderes ist, was sie sich da aufmalen lassen hat, weil ich mir die Frau in der knappen Zeit, die bis zur Ankunft am Empfang bleibt, als Gesamtkunstwerk anschauen muss. Durchaus gelungen. Weil ich ja ein charmanter und unfassbar witziger, irgendwie alter Mann bin, plaudere ich einfach noch ein wenig mit der Frau mit dem Fußtattoo. Und was soll ich sagen, sie ist auch noch total sympathisch. Sie sagt, dass sie sich, weil es hier in der Praxis so warm ist, kaum im Spiegel erkennt, weil sie vom vielen schwitzen so fertig aussieht. Weil ich es für unangemessen halte, sage ich ihr nicht, dass sie alles andere als fertig aussieht. Stattdessen sage ich, dass ich dann mal montags früh vorbeikommen muss, um sie mir anzuschauen du sie dann nicht erkennen werde, weil sie da ja total frisch und anders aussehen muss. Ich glaube, sie mag meinen Humor. Oder sie ist es gewohnt, dass ältere Männer versuchen witzig zu sein, um sie zum Lachen oder wenigstens zum Lächeln zu bringen. Irgendwann wird das sicher peinlich, wenn ich so etwas mache. Schon aus alterstechnischen Gründen und so. Es ist ein kurzer, alberner und vollkommen sympathischer Plausch zum Ende des Tages. Wäre ich etwa 20 Jahre jünger, müsste ich mir zu Hause Gedanken darüber machen, wo sie wohl am Wochenende hingeht, wo ich ihr zufällig begegnen könnte usw. Da ich aber so alt bin, wie ich bin, genieße ich einfach nur den Moment und fühle mich gut. Sobald ich die Praxis verlassen habe, mache ich mir keine weiteren Gedanken über das Fußtattoo und die Besitzerin zu der es gehört. Vielleicht ist an meinem Alter doch noch nicht alles schlecht. Bis auf die Zähne, das Knie, den Darm, die Sehkraft, das Sprunggelenk und all die anderen Dinge mit denen ich mich demnächst wieder beschäftigen werde.

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