Ein Sonnyboy, Frauen und 4,8% über dem Strich

Die Frau, die gerne vor dem Gebäude gegenüber raucht, überzeugt auch heute wieder mit sommerlicher Kleidung, die ihre Figur sehr gut zur Geltung bringt. Als ich sie aus meinem Büro aus erblicke, mache ich etwas, was ich zuvor noch nie getan habe. Ich hebe die linke Hand zum Gruß. Möglichst lässig und beiläufig nicke ich dazu mit dem Kopf in ihre Richtung. Zu meiner Überraschung grüßt sie brav zurück und ich höre sie durchs offene Fenster sogar „Guten Morgen“ sagen. Warum ich überrascht bin, kann ich allerdings nicht sagen. Vermutlich habe ich einen an der Waffel.

Einer meiner Teilnehmer nennt mich noch immer seinen Lehrer. Das machte er schon bei seiner ersten Teilnahme so. Heute sagt er mir, dass ich ein Sonnyboy bin. Ich denke bei Sonnyboy direkt an Sonny Crocket und frage mich, ob Sonny Crocket wohl auch ein Sonnyboy war, was gut zu seinem Namen und seinem Auftreten passen würde. Ich war übrigens noch nie ein Sonnyboy und sehe auch nicht so aus. Vermutlich verwechselt mein Teilnehmer da irgendwas, aber er will sich da jetzt auch nicht von abbringen lassen, weshalb ich es dabei belasse.

Wenig später schaue aus dem Fenster und sehe eine junge Frau mit guter Figur. Obwohl es vermutlich unangemessen ist, schaue ich nicht weg. Die Frau bleibt stehen und winkt zu mir rüber. Sofort winke ich zurück und mein altes Hirn beginnt zu überlegen, wem ich da winke. „Herr DrSchwein, ich komme gleich zu Ihnen rein“, sagt die junge Frau durchs offene Fenster. Mittlerweile hat mein Hirn sie erkannt. Es ist eine frühere Teilnehmerin, die sogar nach ihrer Zeit hier ab und zu vorbeikam, um etwas zu plaudern. Wieso habe ich sie nicht gleich erkannt? Vermutlich, weil ich verwirrt bin. Wenige Augenblicke später steht sie vor mir. Braungebrannt und wie immer sehr charmant. Während sie erzählt, betrachte ich sie so unauffällig es mir möglich. Egal, wie alt ich werde, der Anblick attraktiver Frauen, selbst wenn sie meine Töchter sein könnten, kann mich immer wieder begeistern. Leider hat sie ihren Job verloren und ist entgegen ihrer Hoffnungen in der Maßnahme von Alpha gelandet. Ich finde das blöd, weil sie unsere Maßnahme optisch aufgewertet hätte und sie bei ihren ersten Teilnahmen immer vermittelt wurde, da sie sich immer aktiv bewirbt. Als der Unterricht beginnt, verbschiedet sie sich und kündigt an, mich später wieder zu besuchen. Ich finde, das klingt nach einem guten Plan.

Die Kollegin mit der ich keine Fahrgemeinschaft bilden wollte, findet es zu warm und öffnet deshalb gerne Fenster und Türen, was durchaus sinnvoll ist, wenn es draußen kälter als drinnen ist. Leider ist das derzeit aber nicht der Fall und so sorgt sie mit ihrer fragwürdigen Aktion dafür, dass es in den Räumen wärmer als nötig wird. Es ist ja nicht so, dass ich ihr nicht schon erklärt habe, dass die warme Luft durch geöffnete Türen und Fenster eindringt und so die Räume nur noch mehr aufheizt, sie kann es nur scheinbar in ihrem Sozialpädagogenköpfchen nicht verarbeiten oder sieht es einfach anders. Geht ja vielen, auch nicht Sozialpädagogen, so. Ist möglicherwiese unheilbar, weshalb ich es im Laufe des Tages aufgebe, die Tür immer wieder und wieder zu schließen. Sie mag sich ja mit Bruchrechnen und ihrem sozialpädagogischen Kram auskennen, aber bei der Sache mit der Wärmeentwicklung habe ich schon meine Zweifel und frage mich, wieso sie tut, was sie tut und was es wohl mit ihr macht. Aber um das zu verstehen fehlt mir vermutlich einfach die Bildung oder irgendwas anders.

Zwischendurch kommt die junge Frau mit der guten Figur rein, um sich über die andere Maßnahme zu beschweren. Sie hat sogar schon beim Jobcenter angerufen und ihr Leid geklagt. Also erkläre ich ihr in Ruhe, warum die Dinge sind, wie sie sie eben sind und das sie die beiden Maßnahmen nicht vergleichen kann. Am Ende meines Vortrags sagt sie, dass sie wohl überreagiert hat und der anderen Maßnahme eine Chance gibt. Für einen Moment hätte man mich für ihren Lehrer halten können, der mit klugen Ratschlägen einen jungen Menschen zurück auf den richtigen Weg führt. Manchmal wirke ich fast wie ein Erwachsener, wenn ein junger Mensch mir zuhört und meinen Ausführungen folgt. Ich glaube, dieses Gespräch hat mich menschlich ein wenig aufgewertet.

Nach dieser menschlichen Aufwertung werfe ich einen Blick auf die Statistik und lasse mich von den nackten Zahlen zurück auf den Boden der Tatsachen schleudern. Nur noch 4,8% über dem magischen Strich zu sein bedeutet für mich, dass es langsam ungemütlich wird. Das ist so gar nicht nach meinem Geschmack und entspricht auch nicht meinen Ansprüchen. Diese Zahl läuft ganz und gar nicht in die richtige Richtung und ein Blick auf meine Teilnehmerliste deutet an, dass die Quote in den nächsten Wochen weiter sinken wird. Faktisch betrachtet habe ich als Jobcoach und Leiter dieser Maßnahme ziemlich versagt. Da hilft es wenig, dass ich mit einem Sonnyboy verwechselt wurde und bei geschlossenen Fenstern arbeite.

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