Kirchentag Dortmund 2019

Eigentlich ist das Wetter optimal, um abends etwas zu unternehmen, doch mittlerweile wird es immer schwerer, mich aufzuraffen etwas zu unternehmen. Wenn wir uns frühzeitig darauf einigen an einem Abend essen zu gehen, klappt es noch recht gut, aber wenn das nicht passiert, gibt es tausend gute Gründe nicht die Wohnung zu verlassen. Und so will ein Teil von mir heute raus und der andere findet ständig neue Gründe, warum es besser ist zu Hause zu bleiben. Überhaupt scheint ein Fluch über meiner Wohnung zu liegen, denn sobald ich zu Hause bin verlässt mich jedes Interesse etwas zu unternehmen. In dieser Wohnung kann ich so wunderbar Zeit verschwenden und nichts tun, dass es nicht mit rechten Dingen zugehen kann. Und so trödle ich auch heute rum, stelle mich darauf ein nichts mehr zu tun und tue nichts. Stunden verbringe ich so bis ich plötzlich gegen meine Trägheit ankämpfe und Manni und Petra vorschlage, dass wir in Dortmund was essen und trinken. Obwohl Petra lieber morgen, am Sonntag, raus will, einigen wir uns, dass es um 19.00 Uhr losgehen soll. Früher ein Klacks, heute schon fast eine Herausforderung. Frisch machen, manierlich anziehen, Parfum auftragen und losfahren. Wie in alten Zeiten, aber doch ganz anders.

Wir finden recht schnell einen Parkplatz und wenig später sind wir auch schon mittendrin in der Masse der Menschen. Petra fühlt sich irgendwie von all den Christen, die für sie irgendwie beschränkt oder beseelt aussehen, belästigt. Hoffentlich entwickelt sich da jetzt keine Paranoia daraus, denn dann müssten wir Petra abgeben. Manni und ich teilen zum Glück ihre Probleme nicht. Für uns sind es einfach nur viele Menschen, die manchmal im Weg stehen und uns meist egal sind. Lediglich die Suche nach einer geeigneten Lokalität gestaltet sich zunächst schwierig, weil es überall, wo wir essen wollen, zu voll ist. Irgendwann läuft Manni los, scheinbar hat er einen klaren Plan, und wenig später hat er sein Lokal gefunden. Food Brother. Da es auch vegetarische Bürger gibt, sind Petra und ich einverstanden. Während Manni für sich bestellt, besetzen Petra und ich einen Tisch, bevor ich auch bestellen gehe. Man bestellt, wartet und wird aufgerufen, wenn das Essen zubereitet ist. Vorher muss man seinen Namen sagen, damit man aufgerufen werden kann. Eine neue Erfahrung für mich, daher nenne ich mich Tom. Tom klingt angemessen und passt meiner Meinung nach sehr gut zu Food Brother. Während ich so warte, darf ich eine attraktive Frau beobachten, die wirklich gut gelungen ist. Schöne Figur, hübsches Gesicht, lange, glatte, dunkle Haare, perfekte Zähne, schöne Finger und dazu ist sie gut angezogen. Sie trägt einen schwarz-weiß gestreiften Blazer und hebt sich allein damit von der Masse ab. Ich beobachte sie eine Weile, weil ich gut beobachten kann und mir der Anblick gefällt. Ihr Freund sieht auch ganz manierlich aus. Ob ich gern mit ihm tauschen würde? Nein. Tom wird aufgerufen und ich darf das Essen holen. Die Frau im schwarz-weiß gestreiften Blazer wird zur Vergangenheit.

Nachdem wir unsere leckeren Burger verputzt haben (sagt man heutzutage eigentlich noch verputzt, wenn man kein Maurer ist?), machen wir uns auf dem Weg und landen im Cotton’s. Es dauert nicht lange und alle Plätze um uns herum sind frei. Manni und ich erinnern uns daran, dass es uns früher in der Disco oft so ging. Wenn wir uns irgendwo hinstellten, dauerte es meist nicht lange und wir standen alleine da. Das wurde mehr und mehr zu einer Tradition. Wir konnten uns an die beliebtesten Plätze stellen, es dauerte nie lange bis nur noch wir da standen. Wir müssen eine unglaubliche Ausstrahlung gehabt haben. Selbst wenn es jetzt Zufall sein sollte, fühlt es sich wie damals an und wir freuen uns, dass sich manche Dinge scheinbar nie ändern.
Später sind dann doch alle Plätze um uns herum besetzt, weil so viele Menschen irgendwo sitzen wollen, dass man auf uns und unsere Ausstrahlung keine Rücksicht nehmen kann. Rechts von mir sitzen zwei junge Frauen und ein junger Mann, der einer der beiden gehört. Vielleicht gehört sie auch ihm, ich weiß es nicht. Ich betrachte die Frau, die gerade keinen Mann zur Hand hat. Sie hat total schmale, fast nicht existierende Lippen und ich weiß nicht, was ich davon halten soll. Links von mir nehmen drei junge Frauen Platz und fallen direkt negativ auf, weil sie Rauchen und die Luft verpesten. Warum tun Frauen sich und mir das nur an? Der Loerz, auch ein begnadeter Raucher, würde mit denen sicher direkt ins Gespräch kommen und ich überlege, ob es überhaupt sinnvoll ist mit irgendwelchen Frauen ins Gespräch zu kommen. Was sollte man mit denen reden und warum? Gut, man könnte im Optimalfall eine lustige Unterhaltung führen. Unwahrscheinlich zwar, aber nicht gänzlich unmöglich. Loerz würde im weiteren Verlauf ein Treffen vereinbarten oder direkt mit einer oder allen woanders hingehen, ich hingegen würde mich verabschieden, weil alles, was danach käme mein Leben nur verkomplizieren würde. Das möchte ich nicht, deshalb ist es gut, dass ich meist mit niemandem ins Gespräch komme. Das mag ich irgendwie. Es ist etwa 23.30 Uhr als wir uns auf den Weg zum Coupé machen. Es war angenehm und wenn ich es schaffe mich wieder von meiner Wohnung zu lösen, könnten wir es tatsächlich wiederholen. Das klingt nach einem guten Plan. Kaum zu Hause angekommen verliere ich das Bewusstsein. Ob ich es je wieder schaffen werde bis nach Mitternacht irgendwo zu bleiben?

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