Seit Freitag geht es Zahn 16 viel besser und so bin ich vor dem Zahnarzttermin recht entspannt. Wurzelbehandlungen sind sowieso irgendwie angenehmer als sich Zähne ziehen zu lassen.
Zum ersten Mal dauert es etwas länger bevor ich aufgerufen werde und so kann ich ein wenig die Leute, die kommen und gehen, beobachten. Ein Mann im grauen Anzug betritt die Praxis. Zu dem Anzug trägt er graue Schuhe und orangebraune Socken, die man nur deshalb so deutlich sieht, weil die Anzughose zu kurz ist. Früher hätte man so Hosen, die zu kurz sind, direkt entsorgt. Hochwasserhosen waren lange Zeit verpönt und wenn jemand so Hosen trug, dann hat man sich über die Person lustig gemacht. Heute hingegen kauft man direkt zu kurze Hosen, weil es als modisch schick gilt. Ich weiß leider überhaupt nicht, was daran schick sein soll. Zu aller Eleganz betont diese kurze, natürlich eng geschnittene Hose die O-Beine des Mannes auf eine geradezu groteske Weise. Der Anzug war vermutlich nicht billig, obwohl weniger Stoff gebraucht wurde, denn man hat an den Hosenbeinen ordentlich gespart. Da ich modisch noch nie auf der Höhe war, finde ich Hochwasserhosen auch weiterhin eher lächerlich und betrachte sie als optische Zumutung, als groteske Verwirrung der Menschen, die in einiger Zeit zu kurze Hosen sicher wieder verachten werden und sich dann vermutlich ausufernde Schulterpolster als modisches Highlight verkaufen lassen. Ob es an der Optik des Mannes oder an seinen kurzen Hosen liegt, dass er von einer recht attraktiven Frau, während sie das Wartezimmer verlässt, intensiv angelächelt wird, kann ich nicht beurteilen. Vermutlich ist dieser Kerl in Kombination mit den albernen Hosen einfach nur verführerisch. Möglicherweise ist es bei ihm aber auch völlig egal, was er trägt.
Als ich an der Reihe bin entschuldigt man sich zunächst mehrfach, dass ich etwas länger als dreißig Minuten warten musste, bevor die Behandlung, zum Glück ohne Betäubung, beginnt. Die Wurzelkanäle 2 und 3 werden geöffnet und bearbeitet. Ich glaube nicht, dass je zuvor so intensiv und akribisch an meinen Wurzelkanälen gearbeitet wurde. Vielleicht habe ich das aber auch nur vergessen. Die Zahnärztin kündigt irgendwann an, dass alle Kanäle nun gesäubert sind und noch einmal gespült werden, bevor das Medikament in die Kanäle kommt. Dann allerdings entdeckt sie einen vierten Wurzelkanal und beginnt diesen zu bearbeiten. Leichte Schmerzen deuten darauf hin, dass da noch Leben drin steckt. Nach kurzer Behandlung erfahre ich, dass dieser vierte Kanal beim nächsten Termin noch einmal intensiv bearbeitet wird. Somit ist sicher, dass der nächste Termin nicht der letzte Behandlungstermin für Zahn 16 sein wird und schon nächsten Montag geht es weiter mit der Behandlung. Das wird somit der fünfte Montag in Folge, den ich mir mit einem Zahnarztbesuch versüße. Irgendwann sollte ich mir vielleicht ein anderes Hobby zulegen.