Einen Tag vor meinem Massagetermin bekomme ich einen Anruf der Masseurin. Zunächst glaube ich, dass mein Termin verschoben werden soll, dann merke ich, dass es die Masseurin vom Massagesalon in Lünen ist. Sie teilt mir mit, dass sie wieder geöffnet hat. Sofort fühle ich mich schlecht, weil ich einen Termin in Brambauer habe und nicht bei ihr. Also sage ich ihr, dass ich mich freue und sicher bald einen Termin bei ihr machen werde. Nach dem Gespräch tut sie mir Leid, weil sie es in dieser Zeit sicher nicht leicht hat und ich ja viele Jahre ihr Kunde war. Da kann ich sie in diesen Zeiten nicht einfach so ignorieren. Aber die Damen vor Ort tun mir auch Leid, weil die es sicher auch nicht leicht haben und ich es gut finde, wenn ich nicht mit dem Auto fahren muss, um zur Massage zu kommen. Vielleicht kann ich die Damen ja im Wechsel aufsuchen. So habe ich zwei Massagen im Monat und lasse niemanden im Stich. Das tut mir dennoch alles schrecklich Leid und überfordert mich total.
Als ich am Samstag die paar Meter zur Massage gehen will, ist es äußerst windig, so dass ich meine Mütze aufsetze. Was ich natürlich vergesse ist die Maske, so dass ich nochmal zurück muss, um sie zu holen. Glücklicherweise bin ich erst auf der dritten Etage als ich es merke. Lächerlich finde ich, dass ich draußen die Maske tragen muss, weshalb ich vor mich hin meckere, während ich zur Massage gehe. Als ich ein 2 Cent Stück auf dem Boden liegen sehe, höre ich auf zu meckern und hebe das 2 Cent Stück auf. Das Geld liegt zum Glück doch manchmal noch auf der Straße. Während ich mich wieder aufrichte, dass 2 Cent Stück in der Hand, erfasst eine Böe meine Mütze und weht sie davon. Ich schaue ihr kurz nach, überlege, ob ich sie verfolge, denke aber, dass sie einfach zu schnell ist und verabschiede mich von ihr. Sie war mehr als zehn Jahre in meinem Besitz, vielleicht war es nun an der Zeit, dass wir uns trennen. Mir gefällt der Gedanke, dass es einfach so ein musste, so gut, dass ich überhaupt nicht traurig oder wütend bin. Bald kaufe ich mir eine neue Mütze und vielleicht ist das alles ein Zeichen. Sollte es ein Zeichen sein, so werde ich versuchen es zu verstehen.
Ohne Wartezeit geht es direkt in die Massagekabine. Da meine Nase immer läuft, wenn es windig ist, putze ich mir die Nase. Vorher sage ich der Frau aber noch, dass ich nicht erkältet bin, sondern nur wegen des Windes die Nase putzen muss. So weit ist es schon gekommen, dass ich mich rechtfertige, wenn ich mir die Nase putzen muss. Blöder Corona-Schwachsinn. Nachdem das erledigt ist, mache ich den Oberkörper frei und frage, ob ich die Hose auch ausziehen soll, weil ich ja nur eine Schulter-, Nacken-, Kopfmassage bekomme. Die Hose soll ich ausziehen, verstehe aber nicht wirklich warum. Ich lege mich auf den Bauch und merke, dass mir die Socken ausgezogen werden. Alles sehr verwirrend. Dann werden meine Füße und Waden massiert, die Schenkel, der untere Rücken und plötzlich hockt die Frau mit den Knien auf meinem Hintern. Alles sehr verwirrend. Anfangs ist es noch sehr angenehm und ich denke, dass die es hier einfach drauf haben und ich hier richtig bin. Ich wundere mich nur, wieso die Frau so heiße Hände hat und frage mich, wie sie das wohl macht. Als sie mir einen heißen Sten in die Hand legt, kenne ich die Antwort. Mit Steinen habe ich wirklich nicht gerechnet. Leider wird es ab jetzt schmerzhaft. Manchmal so sehr, dass ich fliehen will. Ich sage mir, dass das so sein muss, weil ich lange nicht massiert wurde und total verspannt bin. Zwischendurch frage ich mich, ob man den Schmerz mit dem Schmerz beim Zahnziehen vergleichen kann. Ich glaube nicht, dass ich das je wieder freiwillig mit mir machen lasse. Doch es geht immer weiter. Wieso ich nicht schreie oder sonstige Schmerzlaute von mir gebe ist mir ein Rätsel. Irgendwann darf ich mich auf die Seite legen und lerne weitere Schmerzen kennen, die ich so noch nicht kannte. Zuletzt setze ich mich hin, die Frau stemmt ihre Füße in meinen Rücken und ich werde gedehnt. Es ist offensichtlich, dass ich sehr verspannt bin, aber die Frau sagt, dass es besser wird und sie mir schon eine Kundenkarte rausgelegt hat und nach der zehnten Massage bekomme ich eine Massage umsonst. Jetzt kann ich hier auch nicht, nicht mehr hingehen, weil man offensichtlich mit mir plant und obendrein nett zu mir ist. Nun muss ich einen Plan entwickeln, wie ich in Zukunft meine Massagetermine lege, um allen, vor allem mir, gerecht zu werden.
Auf dem Weg nach Hause spüre ich deutlich Muskelkater oder Schmerzen, die eine Prellung verursacht haben könnten und frage mich, ob das alles so richtig ist. Weil ich will, dass es so sein muss, glaube ich es auch. Alles andere wäre albern und würde mich nur noch mehr verwirren.
Ich vermisse genau das, meine thailändische Masseurin mit ihren spitzen Ellenbogen aus der Hölle. Blaue Flecken, schmerzender Rücken, Arme, Beine, Kopf, Muskelkater danach. Dieses Wohlgefühl fehlt mir sehr, die Wärme, die Düfte, die Zauberhände, heißer Stein und Kräuterstempel die Krönung. Ach, ich bin neidisch auf Sie, Herr Doktor.
Wo ist denn die thailändische Masseurin? Ein Opfer der Corona-Pest?
Sie ist noch an ihrer Wirkungsstätte. Ich gehe wegen Risikopatienten in meinem häuslichen Umfeld nur nicht mehr.
Verstehe.
Thai Massage: Muss. Genau. So. Sein. Ist ja kein streichelzoo. Und wenn ja, bitte mit Happy End.
Happy End? Wie in einem Hollywood Film?