Die 19 arbeitslosen Top Talente des Tages

Teilnehmer 1 ist anders als die meisten Teilnehmer, denn er will nicht nur arbeiten, er scheint auch ganz normal zu sein.

Teilnehmer 2, der seinem letzten Chef was aufs Maul gehauen hat, wie er sagt, kann ich nach einem Tag noch nicht einschätzen. Im Gegensatz zu Jörg, der ihn schon abgeschrieben hat.

Teilnehmer 3 war einmal hier und ist direkt im Anschluss zum Arzt und seitdem krankgeschrieben.

Teilnehmer 4 ist frustriert, leicht aggressiv, leidet unter Selbstüberschätzung und arbeitet nicht, wenn man ihm nicht mindestens 2.500€ netto zahlt.

Teilnehmer 5 konnte letzte Woche nicht, weil seine Frau ihre Tage hatte und fehlt diese Woche, weil seine Tochter zahnt und seine Frau nicht gut drauf ist. Für ihn hatte ich eigentlich noch für dieses Jahr einen Ausbildungsplatz im Angebot, aber es ist offensichtlich, dass er andere Prioritäten setzt und erklärt vielleicht auch sein mehrfaches, berufliches Scheitern in den letzten Jahren.

Teilnehmer 6 wartet noch auf seine Zähne. Bei ihm bin ich mir überhaupt nicht sicher, ob er psychisch in der Lage ist, eine Arbeit aufzunehmen.

Teilnehmer 7 hatte bisher keine Zeit für uns, weil sein Minijob das noch nicht zuließ.

Teilnehmer 8 gehört zu den Teilnehmern, die man vermutlich auch nicht vermitteln kann und er gehört zu den Teilnehmern, mit denen Jörg gar nicht klarkommt. Auch heute ist Teilnehmer 8 wieder in seiner besonderen Stimmung, während ich für ihn eine Mail schreibe. Ich beginne mit “Sehr geehrte Damen und Herren,” und Teilnehmer 8 vollendet den Satz mit “ich kann gut ficken.” Ich sage ihm, dass das wirklich toll ist, aber die Anrede falsch, denn wenn er Damen und Herren schreibt, dann muss er auch die Herren … . Das amüsiert ihn dermaßen, dass er einen seiner typischen Lachanfälle bekommt. Er stützt sich auf meine Schulter, legt dann auch noch seinen Kopf auf meine Schulter und ist höchst vergnügt. Er erzählt noch was von “Löchern”, die er stopft und ich weise ihn darauf hin, dass das ganz wunderbar ist, wir das aber nicht schreiben können. Es ist fast wie ein Gespräch unter Pubertierenden, nur dass ich dafür sorgen muss, dass es nicht ausartet. Nachdem sich der Teilnehmer beruhigt hat, schreibe ich die Mail zu Ende und es kehrt wieder Ruhe ein.

Teilnehmer 9 ist spurlos verschwunden und für uns nicht mehr zu erreichen.

Teilnehmer 10 ist ein Meister hohler Phrasen, redet viel und war einst ein Teilnehmer, von dem Jörg dachte, dass er leicht zu vermitteln sei. Ich hatte da von Anfang an meine Zweifel. Möglicherweise bin ich ein Zweifler.

Teilnehmerin 11 könnte die Überraschung 2023 werden, denn obwohl sie kaum deutsch spricht und von uns schon als hoffnungsloser Fall zu den Akten gelegt wurde, konnte sie bei einem Vorstellungsgespräch punkten und da nicht viele den Job machen wollen, könnte für sie im nächsten Jahr einen Arbeitsvertrag bekommen. Dann ist sie zwar nicht mehr Teil der Maßnahme, aber das spielt keine Rolle.

Teilnehmerin 12, gesundheitlich aus meiner Sicht derzeit nicht für den Arbeitsmarkt geeignet, fehlt erneut.

Teilnehmer 13 hätte diese Woche eine Arbeit aufnehmen sollen und hatte auch den Arbeitsvertrag unterschrieben, hat dann aber Angst bekommen und ist dementsprechend nicht zu seinem neuen Job erschienen. Immerhin hat er den Arbeitgeber vorher davon in Kenntnis gesetzt.

Teilnehmerin 14 ist komplett mit dem Leben überfordert und lebt auch auf einem unbekannten Planeten. Die Realität und sie haben nur am Rande etwas miteinander zu tun.

Teilnehmerin 15 ist frisch bei uns und ich mag mir noch kein endgültiges Urteil bilden. Ich glaube nur, dass es schwierig wird. Jörg glaubt, dass er mit der “5 Traumberufe Methode” den Durchbruch schaffen wird. Schon nächste Woche wissen wir sicher mehr.

Teilnehmer 16 ist 18 Jahre, lebt seit sechs Jahren in Deutschland und spricht kaum deutsch. Bei Vorstellungsgesprächen, zu denen er häufiger eingeladen wird, kann er leider nicht überzeugen, weil er fast nichts versteht. Besonders erschreckend ist, dass er sechs Jahre in Deutschland zur Hauptschule gegangen ist. Irgendwas läuft an den Schulen offensichtlich falsch.

Teilnehmerin 17 entzieht sich seit Wochen mit AU-Bescheinigungen der Maßnahme. Sie bestätigt damit, was ich von vornherein erwartet habe, nämlich dass sie ein weiterer hoffnungsloser Fall ist. Auch sie lebt in ihrem eigenen Universum.

Teilnehmer 18 ist bereits zum zweiten Mal bei uns, lebt ebenfalls auf einem anderen Planeten, weiß davon aber nichts. Er hat gerade ein zweiwöchiges Praktikum absolviert und man fand ihn zwar für den Job ungeeignet, weil zu langsam, aber so nett, dass man ihm noch eine zweite Chance geben will. Er darf noch zwei Tage zur Probe arbeiten. Eine Arbeit, die leichter ist und für die es vielleicht reichen könnte. Mir erzählt er heute, dass er 35 kg abgenommen hat, seit er das letzte Mal im Jahr 2013 bei uns war und fragt mich, ob ich den Unterschied erkenne. Ich sage ihm, dass ich das lustig finde, weil ich 2013 noch gar nicht hier gearbeitet habe. Sofort glaubt er, dass er mich mit irgendwem verwechselt, doch in Wirklichkeit hat er nur die Jahre 2013 und 2018 durcheinander gebracht, was er mir aber nicht glauben will. Macht aber nichts, ich finde ihn trotzdem ganz nett. Jörg sieht das allerdings anders und ist total genervt von Teilnehmer 18. Ich glaube, Jörg muss einfach mal entspannter werden, dann wird die Arbeit auch leichter für ihn.

Teilnehmer 20 ist bereits zum dritten Mal bei uns und es ist tatsächlich so, dass er von Jahr zu Jahr immer merkwürdiger wird. Neulich sollte er zu uns kommen, stattdessen rief er an und teilte uns mit, dass er einkaufen war, sich einen neuen Duschkopf gekauft hat und deshalb nicht zu uns kommen kann, weil er den Duschkopf anbringen muss. Das Schlimme ist, dass er in seinem Kopf wirklich glaubt, dass er das tun muss. Noch famoser ist es, dass er gerne eine Lampe auf Schulterhöhe mit sich herumträgt, weil die Leute denken sollen, dass er ein Dschinn ist. Vielleicht glaubt er auch selber, dass er ein Dschinn ist. Das Verrückteste ist aber, dass er nächste Woche einen Arbeitsvertrag unterschreiben soll. Das ist allerdings bisher bei jeder seiner Teilnahmen passiert, aber da war er noch kein Dschinn und die Jobs schnell wieder los. Dieses Mal könnte es allerdings anders sein, denn einen Dschinn zu entlassen gehört sich einfach nicht.

Das Ganze entwickelt sich hier immer mehr zu einem Institut für Leute, die dringend eine Therapie benötigen. Jobcoaches nicht ausgeschlossen. Trotz all der Pflegefälle liegt die Vermittlungsquote noch bei 35,63 Prozent. Fast schon beachtlich, aber nur fast.

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4 Kommentare

  1. Bitte bitte sag, dass das alles Fiktion ist.

    Wobei. Ach erzähl einfach weiter.

    Ich mag cringe 🙂

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