Heiligabend 2022

Training an Heiligabend ist erquickend und labend. Vielleicht aber auch nicht. Dennoch befinde ich mich um ca. 11.00 Uhr bei McFit, um mich etwas zu bewegen. Es ist mir irgendwie zu voll und ich frage mich, ob die Leute an so einem Tag wirklich nichts Besseres vorhaben. Dann denke ich mir, dass viele hier sind, weil die Schlemmerorgie bald beginnt und man vorher noch trainieren muss. Als ich nach einer halbe Stunde vom Crosstrainer klettere, ist es deutlich leerer, was ich fast schon großartig finde. Ich überlege kurz, ob ich nicht ein paar Übungen für den schlaffen Bauch machen sollte, entscheide mich aber dafür, aufs Laufband zu klettern. Dort bewege ich mich etwa zwanzig Minuten, dann reicht es mir für heute.

Bis zur legendären Weihnachtsrunde, die dieses Jahr zum letzten Mal bei Manni stattfindet, weil er keinen Bock mehr auf Weihnachten und dieses Geschenkeding hat, da ihm das Materielle immer mehr auf den Senkel geht, liege ich meist auf dem Sofa rum und höre Weihnachtsmusik. Gegen 17.30 Uhr mache ich mir etwas zu essen und spüre eine innere Unruhe. Ich weiß nicht mehr, ob damals bei meinen Eltern zu dieser Zeit die Bescherung stattfand, glaube aber, dass es so war. Eine merkwürdige Stimmung breitet sich aus. Möglicherweise ist es eine Traurigkeit, weil diese Momente nicht nur seit Jahren vorbei sind, sondern auch nie wiederkehren. Wie so oft, merke ich erst Jahre später, wie viel mir manches bedeutet hat. Vielleicht rede ich mir das jetzt auch nur ein, weil ich will, dass es so ist oder war. Vorbei. Unwiederbringlich. Das Leben und die Endlichkeit. Beides jedenfalls nichts für mich. Offensichtlich habe ich nicht viel richtig gemacht in meinem Leben, sonst würde ich jetzt nicht so dumm hier sitzen und auf einem Brötchen rum kauen. Während ich weiter kaue, denke ich an Heiligabende mit meinen Eltern zurück. Oft empfand ich die Stimmung als merkwürdig. Vielleicht lag es an mir, vielleicht haben wir es auch gemeinsam verkackt. Jedes Jahr auf unsere ganz besondere Weise, weil Menschen einfach zu blöd sind. Nachdem die Tränen getrocknet sind (je älter ich werde, desto öfter heule ich scheinbar los), zünde ich eine Kerze an und begebe mich zur ersten Bescherung des Abends, die unter bzw. vor der Vitrine stattfindet. Die Geschenke von Agnes und der Bürgerarbeiterin dürfen ausgepackt werden. Das ist rührend und erheiternd zugleich.

Da sowohl Manni als auch ich unter dem Weihnachtsblues leiden, oder eine andere Krise verarbeiten, es dazu das letzte Heiligabendtreffen bei Manni sein soll, ist klar, dass es ein legendärer Abend werden wird, den wir vermutlich nie vergessen. Es ist außerdem das zehnte Jahr, dass wir Heiligabend bei Manni verbringen. Die zehn Jahre sind unfassbar schnell vergangen, so wie die Zeit immer schneller zu vergehen scheint. Vielleicht findet der Heiligabend im nächsten Jahr bei mir statt, vielleicht endet die Tradition auch ersatzlos. Oder es passiert etwas ganz anders. Oder gar nichts. In nur einem Jahr wissen wir mehr.

Gegen 20.00 Uhr treffen Petra und ich bei Manni ein. Die Weihnachtsdeko ist aufgebaut und wir kommen direkt zur Übergabe der Geschenke. Wie üblich, läuft der Fernseher. Heute klettert Heidi durch die Gegend. Heidi, auch so ein Relikt aus vergangener Zeit. Manni serviert Tee und wir plaudern vergnügt über dieses und jenes. Manni hat schon längst einen Vorsatz fürs nächste Jahr gefasst. Entrümpelung ist die neue Entschleunigung. Er will sich von vielen materiellen Dingen trennen, quasi einmal richtig aufräumen. Mit weniger Ballast durchs Jahr, eine neue Art der Detox-Kur, materielle Entgiftung sozusagen. Klingt sehr radikal, aber warum nicht. Ab und zu braucht es Veränderungen und da wir uns so wirklich nie ändern, bleiben nur solche Dinge. Ich bin gespannt, wie es laufen und was übrig bleiben wird. Meine Vorsätze haben noch eine Woche Zeit und ich glaube, viel wird bei mir nicht auf die Liste kommen. Obwohl ich Listen ganz toll finde. Im TV läuft mittlerweile irgendein Muppets-Film. Keine Ahnung, was ich davon halten soll. Die Zeit vergeht recht fix und schon läuft Saturday Night Fever, ein Film, den wir alle kennen, den aber keiner von uns je gesehen hat. Im Verlaufe des Films stelle ich fest, dass ich auch nichts verpasst habe, denn der Film ist irgendwie lahm und unsympathisch. Petra wird, wie es Tradition ist, als erste müde und so beenden wir gegen 23.30 Uhr den Abend. Was aus der Heiligabend-Tradition wird, kann heute noch keiner sagen. Das Jahr neigt sich weiter dem Ende entgegen und die traditionelle Silvesterparty ist nicht mehr weit.

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