Maßnahmegeschichten 19.23

Vor meinem Urlaub habe ich noch auf die fallende Vermittlungsquote hingewiesen, doch da habe ich mich scheinbar geirrt, denn als ich mit Jörg telefoniere, erzählt dieser von fünf Arbeitsverträgen, die während meiner Abwesenheit unterschrieben wurden. Das finde ich natürlich beeindruckend, doch als ich nach dem Urlaub wieder im Büro bin, sieht es nicht ganz so rosig aus, denn es wurden lediglich zwei Arbeitsverträge unterschrieben und einen davon hatte ich schon vor dem Urlaub eingetragen. Dennoch ist unheimlich viel zu tun und ich komme bis zum Mittag nicht einmal dazu etwas zu trinken. Zwei Abmahnungen und eine Kündigung verschicke ich direkt, was natürlich wenig für die Quote bringt. Dazu lerne ich die neue Teilnehmerin 12 kennen, die erst 63 Jahre ist und nach ihrer Ausbildung nicht mehr gearbeitet hat. Das wird sicher ein Kinderspiel sie zu vermitteln, zumal sie gesundheitlich angeschlagen und sehr schnell gestresst ist. Ein echtes Nervenbündel, um das sich zum Glück Jörg kümmern darf. Später lerne ich Teilnehmer 4 kennen, um den sich eigentlich Örge kümmert, aber Örge ist noch krank. Teilnehmer 4 hat nach einem längeren Gefängnisaufenthalt noch keine Wohnung und wird so auch keinen Job finden. Wohnungen zu finden ist derzeit alles andere als leicht. Es kümmert sich übrigens niemand um einen, wenn man nach einer Weile aus dem Gefängnis kommt und dann quasi direkt in die Obdachlosigkeit fällt. Da muss man zusehen, wie man klarkommt, sagt zumindest der Teilnehmer. Vielleicht werden viele deshalb auch wieder rückfällig, weil sie dann zurück ins Gefängnis dürfen, und so wieder eine adäquate Unterkunft haben. Also versuche ich zu helfen und bekomme die Telefonnummer einer Lotsin, die sich angeblich in solchen Fällen kümmert bzw. hilft. Mal sehen, ob das wirklich so ist, wenn sie erreichbar ist. Später ist Jörg ganz verwirrt, weil er immer noch glaubt, dass noch weitere drei Arbeitsverträge sicher sind. Theoretisch mag das nicht unmöglich sein, aber mir ist das zu theoretisch und hilft der Quote vorerst nicht weiter.

Am Mittwoch telefoniere ich mit der Lotsin, die Teilnehmer 4 wegen einer Wohnung helfen können soll. Kann sie aber gar nicht, denn zum einen ist sie gar nicht dafür zuständig und zum anderen gibt es überhaupt keine Wohnungen hier im Ort und auch nicht in unmittelbarer Nähe. Sie weiß das, weil sie mal Wohnungen für ukrainische Flüchtlinge suchen sollte, aber keinen Erfolg hatte. Dieses Land verkommt immer mehr zu einer einzigen Lächerlichkeit, angeführt von Menschen ohne Plan, ohne Ausbildung und ohne wirklichen Nutzen. Außer für sich selbst natürlich, denn diese Hohlköpfe führen ein ganz wunderbares Leben. Hat nur nichts mit der einfachen Bevölkerung zu tun. Aber gut, ich will mich nicht beklagen, denn im Moment geht es mir ja gut und ich lebe von Arbeitslosen, was ja auch pervers ist. Irgendwer profitiert immer vom Leid der anderen, so ist das. Und so lange man nicht ganz unten ist und es schafft, es sich in seiner aktuellen Situation gemütlich zu machen, besteht immer noch Hoffnung. Und wenn man das verstanden hat, sieht manches rosiger aus, als es vielleicht ist.

Ein Teilnehmer, der vor etwa vier Stunden seinen neuen Job angefangen hat, ruft an, um uns mitzuteilen, dass er den Job nicht machen kann und wir ihm etwas anderes suchen sollen. Wir erklären ihm, dass wir nicht mehr zuständig sind und fragen nach seinem Problem. So ganz verstehen wir ihn leider nicht, weil sein Deutsch schlecht ist. Er muss wohl irgendwas lesen und dementsprechend Getränke ausliefern. Aber lesen kann er nicht wirklich, weshalb der Job für ihn nicht machbar ist. Wir sagen ihm, dass er mit dem Chef reden soll. Findet er komisch. Er soll noch nicht aufgeben, erst Mal ein paare durchhalten und dann können wir nochmal reden. Wir sagen außerdem, dass er auf keinen Fall kündigen und niemals einen Aufhebungsvertrag unterschreiben soll. Versteht er nicht, versteht er vielleicht, findet er jedenfalls frustrierend. Nochmal bitten wir ihn, dass er mit seinem Chef spricht und seine Probleme schildert. Nun ist er enttäuscht von uns, weil wir ihm doch helfen wollten. Das haben wir ja, aber die Lösung gefällt ihm nicht, oder er erkennt den Sinn darin nicht. Es bleibt eine unbefriedigende Situation und wir gehen davon aus, dass er schon bald wieder Teil unserer Maßnahme wird. Und dann drehen wir uns weiter im Kreis. Immer und immer weiter, bis uns schwindelig wird.

Die neue Teilnehmerin 8 ist gesundheitlich auch kaum einsetzbar, was uns zwar nicht weiter hilft, aber auch nicht überrascht. Laut Jörg haben wir derzeit 7 Leute hier, die einen Job finden müssten. Aus meiner Sicht sind das alles maximal 50:50 Chancen, die aber meist durch die Leute selbst zerstört werden. Jörg ist derzeit irgendwie positiv. Vermutlich hat meine Abwesenheit eine Art Euphorie bei ihm ausgelöst, die sich sicher bald wieder legen wird. Bei Teilnehmerin 1 könnte es allerdings tatsächlich was werden, denn sie hat drei Tage zur Probe gearbeitet und gleich noch ein Gespräch hat, ob man sie dort einstellen wird. Als sie später zu uns kommt, erkenne ich sie nicht direkt, da sie sich etwas gestylt und schick angezogen hat. Ich muss gestehen, dass ich direkt begeistert bin, auf welche Art sie ihre Attraktivität so noch einmal gesteigert hat. Sie ist die attraktivste 19 jährige, die wir je hier hatten und wäre ich dreißig Jahre jünger, wäre ich nicht in der Lage mit ihr zu reden, sondern hätte sie nur sabbernd und mit großen Augen angestarrt. Der Vorteil am Alter ist, dass man nicht mehr sabbern muss, wenn man so junge Frauen sieht, weil man weiß, dass so junge Frauen schon fast die eigenen Enkel sein könnten. Aber am Anblick darf man sich auch in meinem Alter noch erfreuen. Und ich freue mich sehr, wenn das mit ihrem Ausbildungsplatz klappt.

Teilnehmerin 20 ist immer wieder für eine Überraschung gut und berichtet, dass sie damals, als sie ihre Tochter bekam, alleine zu Hause war und auch niemandem sagte, dass es bald soweit ist. Also hat sie das Kind nebenbei zur Welt gebracht und dann den Notarzt gerufen, weil irgendwer die Nabelschnur durchtrennen musste. Man glaubt kaum, was es alles gibt. Dann erzählt sie noch von ihren Ex-Freunden, die beide eine Freundschaft Plus mit ihr wollen. Sie sieht fast noch aus wie ein Kind, hat es aber scheinbar Faustdick hinter den Ohren. Das ist das Schöne an diesem Job, man erfährt Dinge, die man sonst nur im TV zu sehen bekäme und die man eigentlich auch gar nicht wissen will.

Jörg, der seit kurzer Zeit auch Single ist, möchte, dass wir nächsten Mittwoch zu Boente’s 80’s & 90’s Party in Recklinghausen gehen. Dort fand letztes Jahr die After Work Party statt, die ihm so gar nicht gefallen hat. Ich weiß nicht, was ich von seinem Vorschlag halten soll. Für die Party spricht natürlich die Anfangszeit von 21.00 Uhr. So könnte ich locker zwei Stunden durchhalten, wenn wir direkt um 21.00 Uhr da sind. Aber richtig interessiert bin ich nicht, weil ich es gewohnt bin, dass ich meine Abende zu Hause verbringe und Filme gucke. Wie in letzter Zeit häufiger, kommt er auf Kirsten zu sprechen, die er scheinbar interessant findet, weshalb ich ihm sage, dass ich sie fragen werde, ob sie mit zur 80’s & 90’s Party kommen will. Das möchte er irgendwie nicht, fürchtet aber, dass ich es doch machen werde, was man bei mir nicht unbedingt ausschließen kann. Schauen wir mal, wie ernst ich es wirklich meine. Kurz vor Feierabend erzählt Jörg, dass er am Wochenende Spargel essen will. Ich kläre ihn auf, dass der Urin davon komisch riechen wird und er auf keinen Fall ein Date haben sollte, wenn er vorher Spargel gegessen hat. Außer die Frau hat einen Spargelfetisch, dann natürlich schon. Ich empfehle ihm, dass er vor Dates besser Ananas essen sollte, weil das angenehmer ist und sicher besser ankommt, weil man ja nie weiß, wie weit so ein Date geht. Teilnehmer 6, der den ganzen Unsinn mit anhört, findet das scheinbar witzig und ist amüsiert. Das ist leider auch alles, was wir für ihn tun können, aber besser als nichts, wie ich finde. Mit diesem nutzlosen Dialog endet der Arbeitstag und wir können es kaum erwarten, dass wir den Unsinn nächste Woche fortsetzen. Möglicherweise freuen wir uns aber nicht, sondern sagen es nur so.

22 von 38 Terminen wurden in dieser Woche eingehalten und die Vermittlungsquote liegt nun bei unglaublichen 32,33%. Da wir in der nächsten Woche Teilnehmerin 16, die wir nur einmal gesehen haben, aus der Maßnahme entfernen, wird die Quote vermutlich vorerst nicht steigen. Es sei denn, die Dinge nehmen einen unerwarteten Lauf.

Einen unerwarteten Lauf nehmen die Dinge aber erstmal am Abend, als ich mit Kirsten kommuniziere, um ein Treffen für unsere 5er-Gruppe zu vereinbaren. Sissi hatte mich nämlich im Büro angerufen und mitgeteilt, dass sie und Kirsten ein solches Treffen ins Auge gefasst haben. Da wir keine Ideen haben, wann und wo das Treffen stattfinden könnte und ob Steffi und Jens, die ja mittlerweile den Arbeitgeber gewechselt haben, mitkommen werden, finden wir keine Lösung. Daher erwähne ich die 80er-Party und Kirsten ist sofort dafür. Ich frage in der WhatsApp-Gruppe, was die anderen drei davon halten, aber die schweigen, was ich unhöflich, aber nicht überraschend finde. Auch Dirk, den ich per WhatsApp frage, antwortet nicht. Dabei wäre das seine Chance Kirsten kennenzulernen. So endet der Tag ohne eine Antwort auf die Frage, ob wir am Mittwoch zu Boente’s 80’s & 90’s Party gehen oder nicht. Weil das nicht zufriedenstellend ist, verabreden wir uns, um morgen zusammen cachen zu gehen. Bei der Gelegenheit kann ich vielleicht herausfinden, was sie davon hält, wenn wir nur mit Jörg, den sie Superspreader nennt, weil er Örge und mich letztes Jahr mit dem tödlichen C-Virus versucht hat, am Mittwoch zur 80er Party gehen.

2 Kommentare

  1. Ist schon erstaunlich, dass der Staat das mit sich machen lässt und Arbeitsunwillige nicht stärker sanktioniert. Hier erfindet man noch das Bürgergeld, damit der Anreiz immer schwächer wird.
    Hier treffen wir regelmäßig auf einen Trupp Eierschaukler, die am frühen Nachmittag ihr erstes Stützbier trinken. Haben mal einen gefragt, warum er Stütze kassiert, er ist krank. Die Krankheit besteht aus Nasenbluten, welches er hie und da hat… ohne Worte. Zum Saufen und abends Joints durchzuziehen, ist er nicht zu krank. Mich wundert, wovon die sich ihre Spielsachen leisten können wie elektronischen Kram, Kampfhund, teure Rucksäcke und so.
    Wir haben lebenslang (selbständig )gearbeitet und das gerne. Klar, nicht alles ist ein Identifikationsjob, da hatten der Mann und ich einfach Glück. Aber Selbstverdientes im Portemonne ist doch immer ein gutes Gefühl?!

  2. Darum bin ich fürs bedingungslose Grundeinkommen. Dann muss man sich über so Sachen gar nicht mehr ärgern. Allerdings würde mich das vermutlich meinen Job kosten. 🤔

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