7 am 7ten – 06


Hier ist schon der sechste Teil von 7 am 7ten, der Übung gegen Langeweile und Wortfindungsstörungen für Leute, die eine Schwäche für die Zahl 7 haben und gerne Geschichten schreiben. Geplant sind weiterhin 7 Teile, weil das irgendwie passend erscheint. Viel Spaß mit den Geschichten.

Die 7 Wörter lauten: Pocken, Geist, Zahnbürste, Grizzly, Kinder, Gewinner, Peepshow

Eines Tages war ihm ein Geist erschienen. Dieser prophezeite ihm, dass seine Kinder eines Tages von einem Grizzly getötet werden. So kam es allerdings nicht, denn seine Kinder lebten noch, obwohl er allen erzählte, dass sie an den Pocken gestorben waren. Jeder wusste, dass er lügt, denn an den Pocken war seit 1978 niemand mehr gestorben und solche Geschichten, die er oft erzählte, waren an einem Ort wie diesem nichts außergewöhnliches. Er war nicht gefährlich, nur verrückt geworden nach der Geschichte mit dem Geist. Obwohl, vermutlich war er es schon vorher, nur weniger ausgeprägt. Eines Tages ging er, nur mit einem Handtuch bekleidet, in eine Peepshow und tötete dort eine Frau mit seiner Zahnbürste. Er rammte ihr die Zahnbürste wieder und wieder in Augen und Ohren. Wie im Rausch und er ließ erst von der Frau ab, als die Zahnbürste brach. Dies war der letzte Tag, an dem er die Anstalt verlassen hat. Seitdem liegt er meistens apathisch in seinem Zimmer, starrt vor sich hin und hält sich für einen Gewinner, weil er sicher ist, dass die Frau, die er mit der Zahnbürste getötet hat, der Grizzly war, der seine Kinder töten wollte und diese nun in Sicherheit sind.


Hier der Beitrag von Nova:

Die Kinder wollten unbedingt an Halloween etwas Aufregendes unternehmen. So beschlossen wir, eines dieser Gruselhäuser für Kinder in der nächsten Stadt zu besuchen. Vor dem Eingang begegneten uns einige der kleinen Besucher und Besucherinnen, die bereits blass um die Nase waren. Der Geist von Halloween hatte wohl erfolgreich so einiges an Angst und Schrecken verbreitet. Zuerst begrüßte uns ein riesiger Grizzly mit aufgerissenem Maul, dicht gefolgt von diversen Zombies. Sie waren übersät mit hässlichen Pocken. Die Kinder im Alter von 12 bis 14 Jahren glucksten vergnügt. Sie quietschten ständig theatralisch und übertrieben bei den dargebotenen Attraktionen. Für die Eltern gab es eine separate Strecke zur Unterhaltung währenddessen. Es entpuppte sich als eine etwas erotisch angehauchte Variante und ähnelte eher einer Peepshow denn Gruselkram. Natürlich war der Zutritt nur ab 18 Jahren erlaubt. Hier waren die Zombies schlüpfrig angezogen und hielten als Waffe oder als offensichtlich lustverschaffendes Objekt eine vibrierende Zahnbürste in der Hand. Es war eine recht befremdliche Szenerie, sodass wir diesen Teil schnell wieder kopfschüttelnd verließen und die Kinder am Ausgang erwarteten. Nach einer Weile hüpften sie vergnügt durch den letzten Gruseltunnel und berichteten überschwänglich von ihren erschreckenden Erlebnissen. Es war eindeutig, wer an diesem Abend die Gewinner waren. Die Kinder erzählten noch lange von diesem Halloween und wir Erwachsene rollten jedes Mal ob unserer eigenen Erfahrungen mit den Augen. So blieb der Besuch des Gruselhauses für alle unvergesslich.

Und zum Abschluss die Geschichte von Petra:

Das Leben in der Wildnis ist hart und entbehrungsreich, dachte sie. Aber nachdem vor vier Jahren die Pocken durch einen Laborunfall ausgebrochen waren und es gegen die schnell mutierten Viren weder Impfstoff noch Medikamente gab, war es der sicherste Ort zum Leben.
Zwar waren überwiegend nur Kinder und Alte an der Krankheit gestorben, aber diese weitere Pandemie hatte weltweit zu Ausschreitungen, Plünderungen und Gewaltexzessen gegen staatliche Institutionen geführt. Die Staaten kapitulierten, überall herrschte Anarchie. Dystopische Filme waren Realität geworden. Die Zivilisation hatte sich tatsächlich als nur dünner Firnis erwiesen.
Hier, in der Einsamkeit der Wälder, hatte sie nur einen Grizzly zu fürchten. Aber lieber endete sie als Mahlzeit eines Bären, als von anderen Menschen versklavt oder ermordet zu werden. Von den Wölfen hatte sie nichts zu befürchten. Die waren zwar erst neugierig, blieben aber entspannt und zurückhaltend. Grizzlys sind anders, es könnte bei einer Begegnung zu einem Missverständnis kommen, denn auch die Bären würden keine Jagd auf sie machen. Das Nahrungsangebot für Beutegreifer war reichlich. Die Natur hatte sich, nachdem innerhalb von zwei Jahren mindestens die Hälfte der Menschheit auf die eine oder andere Weise gestorben war, schnell erholt, sich ausgedehnte Gebiete zurückerobert und die Wildtierbestände hatten sich vervielfacht.
Sie war froh, dass sie ihr altes Leben und die anderen Menschen hinter sich gelassen hatte.
Nie wieder würde sie in den Kabinen einer Peepshow die Spermaflecken mit der Zahnbürste aus den Polstern entfernen müssen.
Das einfache Leben, das sie nun führte, tat ihr gut. Körper und Geist profitieren von dem Leben in und mit der Natur. Sie war physisch und psychisch stärker geworden.
Es gab hier keinen Stress, keinen Lärm, keine Ausbeutung und kein verlogenes gesellschaftliches „Miteinander“, dass in den letzten Dekaden immer mehr zu einem Gegeneinander geworden war.
In den Wäldern gab es alles, was sie zum Leben brauchte, gute Luft, kristallklares Wasser, gesunde Nahrung und durch das Solarpanel sogar etwas Komfort. So konnte sie gelegentlich auf ihre Ebooks, Musik und Filme zugreifen, obwohl sie auch ohne diese Medien nicht an Langeweile litt.
Die Apokalypse hat die meisten Menschen zu Verlierern gemacht, dachte sie, aber ich bin ein Gewinner.

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