7 am 7ten – 07


Es folgt der siebte Teil von 7 am 7ten, der beliebten Übung gegen Langeweile und Wortfindungsstörungen für Leute, die eine Schwäche für die Zahl 7 haben und gerne Geschichten schreiben. Viel Spaß mit den Geschichten.

Die 7 Wörter lauten: Jährlich, Schatten, Schreiten, Panzerfaust, Verständnis, Unschuldig, Gärung

Erst wenige Tage war es her, dass er mit einer Panzerfaust seine Wohnung betrat, zielte und seine Frau in Stücke schoss. Er hielt sich noch immer für Unschuldig und hatte kein Verständnis dafür, dass er in dieser Zelle sitzen musste, weil er doch nichts Unrechtes getan hat. Seine Frau hatte es verdient, denn er hatte doch gesehen, wie sie mit dem fremden Mann, ihrem Liebhaber, immer wieder Zeit verbrachte. Selbst als er mit ihr unterwegs war, war dieser Mann dabei. Dieser Mann, den es in Wirklichkeit nicht gab, war nichts weiter als ein Schatten. Der Schatten an der Wand, der Schatten auf dem Boden. Nur ein gewöhnlicher Schatten, doch das sah er anders. Er hatte die zwei doch durch die Straßen schreiten sehen, diesen Mann und seine Frau. Ganz deutlich. Alle konnten es sehen, Lächerlich haben sie ihn gemacht, seine Frau und dieser Mann. Und so etwas macht man nicht mit einem Soldat, der gerade aus dem Krieg zurückgekommen ist. Da musste er so handeln. Auf dem Weg zur Verhandlung konnte er fliehen. Er wurde angeschossen, aber als Soldat kannte er so etwas und mit letzter Kraft schaffte er es, sich vor seinen Verfolgern zu verstecken. Man hätte ihn, wenn man ihn eher gefunden hätte, vermutlich retten können, aber vermutlich wollte das niemand, denn was hätte das für einen Sinn gemacht. Jährlich gibt es hunderte solcher oder ähnlicher Fälle und dann werden diese Täter eingesperrt, kosten Geld und bleiben gefährliche Kreaturen, denen man nicht trauen kann. Vielleicht hat man sich bei der Suche deshalb wenig Mühe gegeben, obwohl man schon ahnte, wo er sich versteckt hatte. Erst als man sich mehr als sicher war, ihn nicht lebend vorzufinden, schaute man im vermuteten Versteck nach. Die Gärung hatte bereits eingesetzt, von ihm ging definitiv keine Gefahr mehr aus.


Abschließend noch die Geschichte von Petra:

Die jährlich stattfindende Militärparade wird innerhalb der nächsten Stunde beginnen. Der Tag wird lang und heiß werden. Sie war froh, einen Platz im Schatten ergattert zu haben.

Das Regime wird heute der Öffentlichkeit seine Stärke und Entschlossenheit demonstrieren. Soldaten werden im Stechschritt an der Tribüne mit den Parteioberen und den geladenen Gästen verbündeter Nationen vorbei schreiten. Parteimitglieder, die sich besonders hervorgetan haben, dürfen auf den Panzern mitfahren. Höhepunkt und Abschluss der Veranstaltung wird die Darbietung der Luftwaffe, die mit einem Kampfgeschwader im Tiefflug den Fluss entlang fliegen wird.

Schon eine Woche vor dem großen Ereignis wurden Straßen und Plätze mit dem Parteibannern geschmückt. Die Regenbogenfarben stammen noch aus den Ursprüngen der Partei, einem Zusammenschluss verschiedenster Gruppen von Aktivisten, die sich unter dem Motto „Wir sind die Guten“ angenähert hatten. Mit der Gründung der Partei GUT wurde das Parteiemblem, gekreuzte Panzerfaust und Windrad, eingeführt.

Die Menge wird mit professionellen Propagandisten durchsetzt sein. Sie werden die Umstehenden zum Jubeln und Fähnchen schwenken animieren, obwohl jeder weiß, dass er mitzumachen hat und die Anwesenheit bei der Parade von jedem Einwohner der Hauptstadt erwartet wird.

Die Kontrolle erfolgt durch die allgegenwärtigen Überwachungskameras, die mit Software zur Erkennung der Chipimplantate ausgestattet, jeden Schritt des Einzelnen aufzeichnen. Das sind die Schattenseiten der Digitalisierung. In der Vergangenheit war es noch möglich, heimliche Treffen zu organisieren, Aktionen zu planen und durchzuführen. Heute ist die Überwachung durch die Quantencomputer so perfekt und schnell, dass kaum noch Möglichkeiten für den Untergrund existieren. Es ist nicht verwunderlich, dass die Infrastruktur für diese Technologien mit Hochdruck als eines der ersten Ziele angegangen wurde und deshalb Investitionen in Bildung, Gesundheit und soziale Fürsorge unterblieben.

Trotz Zensur hat es sich mittlerweile herum gesprochen, dass Menschen spurlos verschwunden sind, denn es sind zu viele, die vermisst werden. In den Anfängen wurden Kritiker erst diffamiert, dann strafrechtlich belangt. Es war ein neuer Straftatbestand, Falschdenk genannt, eingeführt worden. Heute macht man sich nicht mehr die Mühe eines Prozesses gegen Abweichler, sie werden einfach abgeholt.

Unschuldig, nach ihrem Verständnis, denn bei den meisten ist das einzige Verbrechen sich gegenüber den falschen Leuten kritisch über die Partei zu äußern. Kaum jemand hatte es noch gewagt, sich gegen die Implantierung des Mikrochips zu wehren. Viele waren sogar zunächst begeistert, denn der Chip ersetzte jeden Ausweis, das Bargeld, die Kontokarten und ermöglichte den Zutritt zu den Orten, für die man eine Genehmigung bekommen hatte.

Sie ist sicher, dass in den Köpfen der Menschen der Prozess der Gärung hin zur Revolution längst begonnen hat. Aber durch die ständige Lebensmittel – , Energie- und Geldknappheit, die Einführung der 60 Stundenwoche und die Pflicht wöchentlich an mindestens zwei Parteiveranstaltungen teilzunehmen, befinden sich die Menschen in einem Zustand hoffnungsloser Überforderung, die ihnen die Kraft zum Aufbegehren raubt.

Es gibt keine Hoffnung mehr auf Änderung der Verhältnisse, jedenfalls nicht in ihrer Lebenszeit. Flucht ist die einzige Möglichkeit, dem zu entrinnen. Ihr Entschluss steht fest. Sie wird versuchen, ein Ticket für eines der Luftschiffe zu bekommen.

21 Kommentare

  1. @DrSchwein: Total romantisch!🙄 aber ziemlich gut geschrieben. Wir nähern uns unserem gemeinsamen Buch immer weiter an. ✌️

    @Petra: Groß geschrieben, wunderbar viel aktuelles und potentiell zukünftiges kritisch verpackt. Einfach super!

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