Doch nicht für den ersten Arbeitsmarkt geeignet

Eine kurze Mitteilung sorgt dafür, dass ich mir vorerst keine weiteren Gedanken über mein Urteilsvermögen machen muss, denn der Mann, dem ich bescheinigt habe, dass er nicht für den ersten Arbeitsmarkt geeignet ist, wurde entlassen. Er sah sich wohl nicht im Stande, früh morgens zu seinem Arbeitsplatz zu kommen. Meiner Meinung nach sollte man ihm einen Therapieplatz besorgen, stattdessen soll er in Kürze wieder an dieser Maßnahme teilnehmen. Ein ebenso großartiger wie vollkommen sinnloser Plan, denn hier wird man dem Mann auch beim dritten Versuch eher nicht helfen können. Da ist sie wieder meine Überheblichkeit. Anstatt wohlwollend den Versuch seitens des Jobcenters, den Mann mit unserer Hilfe in ein Arbeitsverhältnis zu bringen, zu würdigen, frage ich mich, wie man auf die Idee kommen kann, auf so eine sinnlose Art weitere Steuergelder zu verschwenden. So einfallslos kann man doch wirklich nicht sein. Andererseits gibt es ja immer mal Wunder. Falls es doch kein weiteres Wunder gibt, kann Sandra ihn vielleicht von einer Therapie überzeugen, denn ohne Therapie wird das vermutlich nichts. Mit schlechten Therapeuten, von denen es unglaublich viele gibt, wird es aber auch nichts. Da der junge Mann nicht mehr mit mir sprechen will, bin ich gespannt, wer sich in ein paar Wochen um ihn kümmern darf. Es bleibt spannend, ohne wirklich spannend zu werden. Es ist noch gar nicht so lange her, da war ich auch nicht für den ersten Arbeitsmarkt geeignet, was ich vermutlich heute noch nicht bin, und wollte, dass für mich ein vierter Arbeitsmarkt erfunden wird. Vielleicht ist meine Menschenkenntnis doch eher Glückssache als alles andere.

Kaum ist das geklärt, erfahre ich, dass ein anderer Teilnehmer ab Morgen ein Praktikum bei einem Friseur machen soll. Erneut bin ich überrascht, denn ich habe in seinen Bericht ebenfalls geschrieben, dass er für den ersten Arbeitsmarkt derzeit ungeeignet ist. Außerdem halte ich ihn für gestört, was ich so aber nicht in den Bericht schreiben darf. Der Mann ist Ende zwanzig und stammt aus Syrien. Vielleicht sind da die Gründe für seine offensichtlichen Probleme zu finden. Da er seinen heutigen Termin nicht wahrnimmt, rufe ich ihn an und frage nach dem Praktikum. Sofort teilt er mit, dass er das Praktikum nicht machen wird und warum es so ist. In dem Friseursalon gibt es fünf Katzen und er hat eine Allergie. Außerdem stinkt es dort total wegen der Katzen. Darum geht das mit dem Praktikum nicht. Ich habe zwar noch nie von einem Friseursalon gehört, in dem Katzen die Kunden unterhalten, aber warum soll mich der Teilnehmer anlügen? Anstatt es dabei zu belassen, erzählt er noch, dass er öfter in den Friseursalon geht, um etwas zu quatschen und einen Tee zu trinken. Dabei scheinen weder die Katzen noch seine Allergie zu stören. Nur ein Praktikum geht so nicht. Wieder einmal bestätigt ein Teilnehmer eindrucksvoll, dass meine Einschätzung nicht so falsch sein kann. Da er obendrein erkältet ist, geht er zum Arzt, um sich krankschreiben zu lassen. Alles andere hätte mich auch gewundert und würde keinen Sinn ergeben. Ich gehe davon aus, dass die Geschichten, die er uns erzählt, in seinem Kopf stimmig erscheinen und er wirklich glaubt, was er erzählt. Neulich verriet er, dass er mit seinem Nachbarn Ärger hat und eine neue Wohnung sucht. Bei der Angelegenheit geht es auch um eine Katze. Vielleicht könnte bei einer Therapie herausgefunden werden, was es mit den vielen Katzen auf sich hat und wie man dem Mann helfen kann. Dank meiner Beschränktheit glaube ich nicht, dass dieser Mann in absehbarer Zeit auf irgendeinem Arbeitsmarkt zu verwenden sein wird.

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