Silvester 2023

Den ganzen Tag über bin ich irgendwie in komischer Stimmung. Lustlos, ratlos, abgestumpft, antriebslos. Vermutlich geht mir das einfach zu schnell mit den Jahreswechseln. Es kann aber auch andere Gründe haben. Zu viel grau, zu wenig Hoffnung, keine Lebensziele. Es scheint, als gebe es nichts, worauf ich mich noch freuen kann. Alles ist eine graue Masse, in der man nach Farbkleksen sucht, die aber verdammt gut versteckt wurden. Jedes Jahr werden sie besser versteckt oder weniger. So wie die Lebenszeit immer weniger wird. Der Tag schreitet voran und meist sitze ich planlos und ratlos herum. Erst gegen 17.00 Uhr mache ich Musik an, was meine Stimmung hebt und mich dazu bringt, durch die Wohnung zu tanzen. Eine Stunde Musik, dann stehe ich auch schon unter der Dusche und betrachte meinen Körper, der nicht nur ständig juckt, sondern auch von roten Stellen, Entzündungen oder was auch immer übersät ist. Hoffnung auf Besserung habe ich nach nunmehr einem Jahr nicht mehr, dass sich das irgendwann bessert. Dennoch creme ich die Stellen regelmäßig ein, weil es einfach keine Option ist, es nicht zu tun und schon ist es Zeit zu gehen.

Es ist kurz nach 19.00 Uhr, als Manni und ich bei Petra zur traditionellen Silvester Runde eintreffen. Mitgebracht hat Manni zwei Flaschen Wein, ich habe nur mich dabei. Ein paar Minuten später trifft auch Christoph ein, der zum ersten Mal an der traditionellen Silvester Runde teilnimmt. Er hat selbstgebackene Hefeteilchen in Form von Schweineköpfen dabei, die ich sofort ins Herz schließe. Es beginnt die Fütterung und Petra übernimmt schnell das Erzählkommando. Ein Haufen Pläne fürs nächste Jahr werden und präsentiert und nach einer Weile verlieren wir komplett den Überblick, während immer weitere Ideen aus Petra heraussprudeln. Sie möchte jedenfalls zu einem Konzert von Joris Voorn. Scheinbar nach Australien, obwohl wir nicht wissen, ob er da überhaupt anzutreffen ist. Unbedingt möchte sie mit der transsibirischen Eisenbahn fahren. Das ist alles verwirrend, weshalb wir beschließen, dass sie mit der transsibirischen Eisenbahn nach Australien fährt, obwohl das derzeit noch gar nicht möglich ist. Während sie mit der transsibirischen Eisenbahn fährt, möchte sie sibirische Tiger kennenlernen, mit Trump Frieden ohne Waffen schaffen und hofft darauf, dass Putin mit freiem Oberkörper auf einem Pferd vorbei reitet, während sie einen Zwischenstopp in Usbekistan macht. Oder so ähnlich. Es ist schwer ihr zu folgen, aber wir geben unser Bestes. Nach ihrer Rückkehr möchte sie den deutschen Bundestag übernehmen, bevor es an die Weltherrschaft geht. Die Niederlande sind für sie die beste Nation, weil sie Cannabis legalisiert haben. Dann werden ihre Pläne aber verschoben, weil das alles erst möglich ist, wenn ihre Katze Cassandra gestorben ist. So lange muss das alles erstmal warten. Putins Nachfolgerin will sie aber auch noch werden. Lässt sich sicher irgendwie mit der Weltherrschaft verbinden. Außerdem träumt sie davon, ihren Arbeitgeber um zigtausende Euro zu erleichtern, aber da können wir ihr endgültig nicht mehr folgen, gehen aber davon aus, dass sie auch da einen konkreten Plan, der nicht unbedingt etwas mit der Realität zu zun hat, hat. Möglicherweise geht es um eine Abfindung, kann aber auch ganz andere Gründe haben. Sie ist jedenfalls in bestechender Form und es ist offensichtlich, dass sie öfter unter Leute muss, weil sie sonst an Silvester einfach nicht zu stoppen ist. Christoph übernimmt die Vorsätze der letzten Jahre auch fürs nächste Jahr. Das ist irgendwie praktisch, habe ich ja auch immer so gemacht. Die morgendliche Zigarette will er sich abgewöhnen und so endgültig zum Nichtraucher werden. Manni und ich haben gar keine Vorsätze und es fällt uns auch nichts ein, was wir im nächsten Jahr so für Pläne haben könnten. Der gemütliche Abend schreitet voran, nach dem Essen bekomme ich mittlere Darmbeschwerden, weshalb ich nicht mehr sitzen kann und mich durch die Wohnung bewegen muss. Es wird Mitternacht, wir stoßen mit Fürst Metternich, ein aus meiner Sicht ganz und gar fürchterlicher Sekt, an und dann ist 2024. Die drei schalten den Grill nochmal ein, um weitere Nahrung aufzunehmen, ich setze mich in Petra’s Luxus Massagesessel und lasse mich zwanzig Minuten bearbeiten. Der Loerz ruft bestens gelaunt von einer ausgelassenen Party an und dann, es ist 01.09 Uhr, sagt Manni, dass es Zeit zu gehen ist.

Der Rückweg durch Brambauer ähnelt dem Rückweg vom letzten Jahr. An einer Stelle gibt es einen Einsatzwagen der Polizei und einen Krankenwagen zu sehen. Eine etwa zehnköpfige Gruppe Jugendlicher steht in der Nähe. Vermutlich hat einer zu viel Alkohol oder andere Rauschmittel konsumiert, aber vielleicht geht es auch um etwas ganz anderes. An der Stelle, an der in der letzten Silvesternacht sechs Einsatzwagen der Polizei standen, stehen etwa zwanzig Jugendliche, verteilt auf drei Gruppen. Wäre ein paar Meter weiter keine Polizei, weiß ich nicht, ob ich da vorbeigehen würde. Als wir an der zweiten Gruppe vorbei sind, wirft jemand aus der erster Gruppe Feuerwerkskörper nach uns, die rechts neben uns explodieren. Ein junger Mann aus der dritten Gruppe tritt auf mich zu, schaut mich an, ich schaue ihn an und er sagt “Frohes Neues”, was ich ihm selbstverständlich auch wünsche. Diese Gruppen offensichtlich ausländischer Jugendlicher finde ich bedenklich und sie sorgen nicht dafür, dass man sich wohlfühlt. Aber das ist sicher nur mein persönliches Problem und wäre ich offener, könnten wir alle Freunde sein.

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