Das Lied des Tages: A good Heart

Kaum erklingen die ersten Töne, ist das Lied erkannt und ich bin direkt wieder in einer anderen Zeit, ohne genau zu wissen, wann das war und wie es da war. Besser bestimmt. Vielleicht nicht wirklich, aber es fühlt sich so an. Damals steckte jedenfalls noch Leben in mir, Humor, Zukunft, irgendwas. Ob das wirklich so war, weiß ich eigentlich nicht, aber es fühlt sich so an. Schlimmer als die aktuelle Version von mir kann ich damals sicher nicht gewesen sein. Und es waren wahrlich keine so guten Zeiten, wie ich es mir beim Hören des Liedes vorgaukle. Aber es gab Momente der Unbeschwertheit, der tiefen Entspannung, davon ist wahrlich nichts mehr da, aber vielleicht sehe ich in zwanzig Jahren, falls ich da noch existiere, die heutige Zeit ähnlich und trauere ihr dann nach. Kann ich mir aber nicht vorstellen, denn von mir ist kaum noch etwas übrig, von dem ich mir vorstellen kann, dem irgendwann nachzutrauern. Vielleicht werde ich den körperlichen Verfall dann betrauern und mir den Zustand von heute wünschen, aber sonst sicher nichts. Das Lied mag ich dann sicher immer noch und es hilft mir vermutlich auch dann noch, kurz der Realität zu entfliehen und davon zu träumen, wie es vielleicht niemals war. Damals habe ich mir jedenfalls nicht vorstellen können, dass ich irgendwann A good Heart höre, dabei irgendwie alt und unbrauchbar bin. Hätte ich damals gesehen, dass mein Leben schon mit knapp unter 50 nicht mehr viel zu bieten hat und ich heute ein Leben führe, wie ich es jetzt tue, dann hätte ich mich beschimpft und ausgelacht. Mit Sicherheit auch Witze über mich gemacht, mich verspottet oder bemitleidet. Nur wirklich vorstellen konnte ich mir nicht, dass es tatsächlich einmal so wird. Ich konnte mir damals vieles vorstellen, aber nichts davon war so bedeutungslos, perspektivlos und langweilig, wie das, was aus mir geworden ist. Den Rest des Liedes bin ich dann wieder zeitlos wie damals und vergesse, dass alles ist, wie es ist und auch nicht mehr besser wird. In Gedanken trage ich meine zweifarbige (blau und grau) Jacke und blende die Realität einfach aus. Nur ganz kurz. Dann ist der schöne Moment auch schon wieder vorbei und Feargal Sharkey fertig mit seinem Lied.

8 Kommentare

  1. Ja, an das Lied kann ich mich auch noch gut erinnern. Das war 1985, ich war 17 und steckte mitten in einer Lehre im damaligen West-Berlin die ich, wie durch ein Wunder, auch tatsächlich erfolgreich beendete, obwohl ich in dem Job völlig fehl am Platz war. Das ist jetzt fast 40 Jahre her und es war eine wirklich vollkommen andere, bessere Zeit. Tempora mutantur, nos et mutamur in illis…

  2. … nur soviel:

    „Ich kann es mir jetzt nicht anhören, ohne feuchte Augen zu bekommen. Und wenn ich es im Radio spiele, muß ich es in den Anfang einer anderen Platte überblenden, weil ich nicht sprechen kann, nachdem ich es angehört habe.“
    John Peel über Teenage Kicks

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