Der Mann mit den verschränkten Armen

Manchmal genügt ein flüchtiger Blick und ich weiß, was von einem neuen Teilnehmer zu erwarten ist. Beim Mann mit den verschränkten Armen ist sofort klar, dass er hier nicht sein will und er durchaus nichts gegen eine verbale Konfrontation hat, was nicht nur an den verschränkten Armen, sondern an der ganzen Körperhaltung und seinem Gesichtsausdruck zu erkennen ist. Da hat er allerdings Pech, denn dafür bin ich der falsche Jobcoach. Dass er den Aktivierungs- und Vermittlungsgutschein nicht dabei hat, ist wenig verwunderlich. Dass er sich erst wieder daran erinnern kann, diesen überhaupt bekommen zu haben, liegt daran, dass ich beim Jobcenter nachfragen will. Das möchte er nicht. Sein beruflicher Werdegang bietet nach dem Abgang nach Klasse 9 eine Ausbildung, die nach sechs Monaten beendet wurde. Er hatte wohl irgendwelche Termine und als er wiederkam, war der Ausbildungsplatz weg. Ich frage nicht weiter nach. Ansonsten hat er eine Maßnahme nach der anderen gemacht, die meisten aber abgebrochen, weil das nichts für ihn war. Vor mir sitzt das pure Scheitern. Ein Job, so sagt er, muss sich finanziell für ihn lohnen, weil er auch noch Unterhalt zahlen muss. Wann sich der Job für ihn lohnt, kann er nicht beantworten. Zuletzt hat er während einer Maßnahme den Staplerschein gemacht. Staplerfahren macht ihm Spaß. Ich zähle ihm seine Möglichkeiten auf und auch, was er verdienen kann. Viel ist das erstmal nicht. Ich sage ihm, dass mir völlig egal ist, was er aus seinem Leben macht und wenn es seine Entscheidung ist, sein Leben weiter so zu verbringen, soll er es tun. Angst vor Sanktionen hat er nicht. Ihm wurden schon die Leistungen gekürzt, das war nicht toll, aber auch nicht wirklich schlimm, sagt er. Ich sage ihm, dass er sich überlegen soll, ob das sein Weg in der Zukunft sein soll, ob er damit wirklich glücklich ist. Als nächstes zähle ich, weil ich schließlich Coach bin, die möglichen Vorteile auf, falls er mal arbeiten wird. Es überzeugt ihn vermutlich ebenso wenig, wie es mich an seiner Stelle überzeugen würde, aber immerhin ist er am Ende des Gespräches etwas offener, weshalb ich nicht ausschließen kann, dass er morgen mit seinem Vermittlungsgutschein wiederkommen wird. Ich glaube nicht, dass der Mann glücklich ist und ich glaube auch nicht, dass ich mich irre mit meiner Einschätzung, denn alles, was er mir während des Gesprächs präsentiert und erzählt, zeigt einen Mann, der nicht nur beruflich gescheitert ist. Natürlich ist es anmaßend, nach wenigen Minuten schon so eine Meinung über jemanden zu haben, aber ich bin Jobcoach, ich darf das, denn Jobcoaches sind Menschen, die sich gut mit Menschen auskennen, denn sonst würden sie den Job gar nicht machen. Okay, das ist natürlich Quatsch, denn manche Coaches überschätzen sich ständig, wissen aber oft nichts davon. Doch das ist eine andere Geschichte und hat nichts mit dem Mann mit den verschränkten Armen zu tun. Es könnte durchaus interessant werden mit ihm, es ist aber auch gut möglich, dass er morgen nicht wiederkommt, obwohl er sagte, dass er es mit dieser Maßnahme versuchen will.

Am nächsten Tag erscheint der Mann mit den verschränkten Armen nicht nur pünktlich, sondern wirkt auch etwas lockerer. Was mich etwas verwundert ist die Tatsache, dass er vorgibt keine Bewerbungsunterlagen zu haben, obwohl er regelmäßig an irgendwelchen Maßnahmen teilgenommen hat. Ich fülle den Aktivierungs- und Vermittlungsgutschein, die Teilnahmebestätigung und den Teilnehmervertrag aus, während er mir gegenüber sitzt. Ab und zu stelle ich eine Frage oder sage etwas, um die Stimmung zu heben. Am Ende des kurzen Termins frage ich ihn, wie er es heute fand. Er fand es lahm und ich versichere ihm, dass es auch so bleiben wird. Ich habe absolut keine Ahnung, was ich mit ihm machen soll und wie ich die Zeiten seiner Anwesenheit gestalte. Es ist gut möglich, dass wir in der ganzen Zeit keine einzige Bewerbung verschicken werden. Zum Glück muss beim Persönlichkeitscoaching niemand vermittelt werden. Trotzdem liegt die Vermittlungsquote derzeit bei 43,75%. Das hat aber nichts mit mir zu tun, weshalb ich in letzter Zeit immer öfter darüber nachdenke, ob ich wirklich noch als Jobcoach arbeiten will. Aber auch das ist eine andere Geschichte und hat nichts mit dem Mann mit den verschränkten Armen zu tun.

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