Mittagstisch

Gelegentlich gehe ich mit meinem Vater mittags irgendwo
essen. Heute möchte er mit mir bei Stolzenhoff Mittagessen. Ein Bekannter von
ihm geht da öfter essen und sagt, dass das Essen und die Preise dort gut sind.
Ich bin da eher skeptisch, kann aber nicht wirklich sagen, warum ich es bin.
Als wir den Laden betreten, fühle ich mich sofort
unwohl. Es ist voll, die Theke riesig, und statt Sitzplätzen, gibt es nur ein
paar Stehtische. Das finde ich unsympathisch. Beim Mittagessen möchte ich, wenn
ich schon ausgehe, in gemütlicher Atmosphäre, möglichst weit weg von anderen
Gästen, sitzen und bedient werden. Das kann ich hier definitiv vergessen. Für
mich hat das hier eine gewisse Fließbandatmosphäre, obwohl weit und breit kein
Fließband in Sicht ist. Vielleicht verwechsle ich das auch mit
Massenabfertigung. Ich bin mir da nicht sicher.
Mein Vater bestellt Gyros mit Pommes, Tzatziki und
Salat, ich bekomme Bandnudeln mit Champignons und Kräutersoße. Wir suchen uns
einen Stehtisch und ich betrachte unsere Mahlzeiten. Meine Bandnudeln vom
Fließband sehen auch so aus, was aber nichts bedeuten muss, weil ich voller
Vorurteile bin. Die Pommes auf dem Teller meines Vaters erscheinen etwas dunkel
und sehen verfettet und vertrocknet aus. Zum Runterspülen meiner Mahlzeit habe
ich mir eine Flasche Orangensaft aus Orangensaftkonzentrat geholt. Auf so
Konzentrate kann ich gut verzichten, doch da ich Cola und Fanta für noch
zuckerhaltiger halte und meine Zuckerdiät nicht völlig scheitern soll,
entschied ich mich für das Konzentrat. Aber auch, weil es kein einfaches  Wasser im Angebot gibt. Zumindest konnte ich
keins entdecken. Aber auch das kann durchaus an meiner Einstellung liegen. Ich
schraube den Deckel ab und will gerade einen Schluck nehmen, als mir einfällt,
dass ich zunächst meine Tablette wegen meiner Laktoseintoleranz nehmen muss.
Nachdem das erledigt ist, fällt mir ein, dass ich das Konzentrat erst schütteln
muss, weil sich unten in der Flasche einiges abgesetzt hat. Ich nehme also die
Flasche, schüttle kräftig, der Deckel fliegt weg und ich bin voller
Orangensaftkonzentrat. Gesicht, Pullover, Jacke und Hose nass. Dazu der Tisch,
der Stehtischstuhl, der Boden und das Besteck, welches auf der Fensterbank platziert
wurde. Ich schaue mich um. Niemand scheint mein Missgeschick bemerkt zu haben. Schnell
wird mir klar, was da schiefgelaufen ist. Ich Trottel hatte ja den Deckel
abgeschraubt, bevor mir einfiel, dass ich noch eine Tablette nehmen muss. Das
erklärt dieses Malheur. Mit einem Taschentuch wische ich mich etwas ab. Den
Stuhl schiebe ich beiseite. Das ist irgendwie peinlich.
Nachdem ich abgewischt bin, die Sauerei ansonsten noch
sehr präsent ist, probiere ich die Bandnudeln. Wenig überzeugend. Ob die
wirklich so mäßig sind, oder es an meiner Einstellung liegt, kann ich nicht
sagen. Das Ambiente ist jedenfalls absolut nicht einladend. Während ich in den
Nudeln rumstochere, schaue ich mich erneut um. Alles andere als gemütlich hier.
Es sieht eher nach Schnellimbiss an der Ecke aus. Aber vielleicht soll das ja
auch so sein. Erstaunlich finde ich jedenfalls, wie viele Leute sich hier ihre
Mahlzeiten abholen. Zum Glück nehmen die meisten ihr Essen mit. Ist eh kaum
Platz hier. Mein Vater sagt, dass die Pommes, obwohl sie nicht so aussehen, gut
schmecken, aber maximal lauwarm sind. Massenabfertigung halt. Den Salat rührt
er kaum an. Salat ist nicht so seine Welt. Zumindest nicht dieser. Ich habe die
Nahrungsaufnahme inzwischen eingestellt. Warum soll ich etwas essen, was mir
keine Freude bereitet? Ich fühle mich halt nicht wohl. Allerdings bin ich
überrascht, wie freundlich alle hier sind. Obwohl es zugeht wie auf einem
Taubenschlag scheint niemand, mit Ausnahme von mir, genervt oder schlecht
gelaunt zu sein. Verstehe ich nicht.
Weil meine Jacke vom Konzentrat versaut ist und ich sie
nicht selber waschen darf, bringe ich sie später in die Reinigung. Das war
wirklich ein feiner Mittagsausflug. Ich bin überzeugt davon, dass ich das kein
zweites Mal brauche. Mein Vater allerdings ist da nicht so sicher. Er will es
nochmal probieren. Das macht mir schon irgendwie Angst, weil ich nicht glaube,
dass es beim nächsten Mal besser wird. Ich werde vermutlich lediglich darauf
verzichten, mich mit Orangensaftkonzentrat zu versauen. Doch zu sicher sollte
ich mir da vermutlich auch nicht sein.

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