Die Rückkehr der Zahnschmerzen und der Psycho in mir

Es hatte sich in den letzten Tagen angekündigt als der Zahn immer empfindlicher auf Berührungen reagierte. Zunächst dachte ich, er ist vielleicht aus der Übung, weil ich ihn ja lange geschont habe, doch je schlimmer die Schmerzen wurden, desto wahrscheinlicher war es, dass sich irgendwo eine Entzündung breit gemacht hat. Alle Behandlungen an dem Zahn waren also sinnlose Quälerei. Und je mehr mir das bewusst wird, desto belastender und beängstigender wird es für mich.

Es ist Mittwoch und ich überlege ernsthaft, ob ich diesen Zustand wirklich bis zu meinem nächsten Termin im September ertragen kann. Ich fürchte, dass es nicht möglich sein wird. Am Abend bin ich sicher, dass ich schon sehr bald zum Zahnarzt muss, weil sich eine kleine Eiterbeule über dem Zahn gebildet hat. Die Schmerzen zwingen mich eine Ibuprofen zu nehmen und ich werde etwas panisch, weil die Wurzelkanäle ja gefüllt sind und somit dieser Weg der Behandlung versperrt sein sollte. Die Tablette wirkt, ich gehe ins Bett und wache gegen drei Uhr wegen starker Schmerzen auf. Allerdings sind es keine Zahnschmerzen, sondern Magenschmerzen. Dazu schwitze ich und habe das Gefühl kaum atmen zu können. Nach einer Weile muss ich zur Toilette und während ich da sitze, schwitze ich vor mich hin. Das ist alles sehr bedenklich. Zurück im Bett überlege ich, ob ich das Schlafzimmerfenster auch noch öffne, lasse es dann aber, weil ich fürchte, dass es so zu laut wird, was natürlich quatsch ist. Die Luft ist stickig, abgestanden und das Atmen fällt mir schwer. Ich schlafe dennoch ein, wache kurz danach frierend auf und decke mich zu. Und damit beginnt mein Hirn im Halbschlaf Botschaften an mich zu senden. Der Zahn ist nicht das Problem, sondern nur die Spitze. Der Körper ist voller Krebs und daher ist der Zahn auch nicht zu retten. Der Beginn eines qualvollen Todes. Ich versuche mich den Gedanken zu entziehen, aber das gelingt nicht wirklich. So erfahre ich von meinem Psycho, dass der Zahn auch deshalb nicht mehr gerettet werden kann, weil er erst kürzlich eine Wurzelfüllung bekam. Der Zahnarzt wird zwar noch die Wurzelspitze entfernen, der Eingriff aber nur lästig sein und nichts bringen außer neuen Schmerzen. Ebenso stopft man mich mit Antibiotika voll und mein Magen wird darunter sehr leiden. All das natürlich ohne Sinn. Letztlich wird der Zahn gezogen, was aber egal ist, weil sofort der nächste Zahn angegriffen wird. Ich werde wieder wach und schwitze, weil es unfassbar warm ist im Zimmer. Das ist alles andere als erbaulich. Schwitzen und frieren im Wechsel bestätigt, dass mein Körper einen Kampf kämpft, den er nicht gewinnen kann. Zeit aufzustehen, weil der Psycho mehr und mehr Besitz von mir ergreift. Man hat es manchmal wirklich nicht leicht, wenn man so einen Dachschaden hat.

In meinem desolaten Zustand kann ich nicht wirklich etwas essen, was ich hingegen gut kann ist auf der Toilette sitzen. Weiter bringt mich das aber auch nicht. Und so vergeht die Zeit und ich beschließe, dass ich in dem Zustand nicht zum Zahnarzt kann, weil ich vermutlich noch vor der Behandlung wieder abhauen würde. Das gab es schonmal, dass war einfach nur peinlich. Da gehe ich zu meiner eigenen Sicherheit besser arbeiten und mache mich wenig später,  in der Hoffnung, dass mich die Arbeit ablenkt und den Zustand bessert, auf den Weg. Während der Fahrt schlafe ich mehrmals fast ein, sehe manchmal alles verschwommen und schaffe es nur mit viel Glück keinen Unfall zubauen. Dabei könnte ein Unfall möglicherweise die Lösung ein. Ein großer Aufprall gefolgt von endloser Dunkelheit. Nie wieder Schmerzen, nie wieder denken. Es könnte so einfach sein. Einfach gibt es heute aber nicht für mich. Durch den abschließenden Arbeitstag schleppe ich mich eine ganze Weile in fragwürdigem Zustand durch bis es irgendwann erträglicher wird. Vielleicht ist Arbeit doch die Lösung all meiner Probleme.

Da ich davon ausgehe auch morgen früh nicht dazu in der Lage zu sein, gehe ich gegen 17.00 Uhr zum Zahnarzt, klage mein Leid und darf im Wartezimmer Platz nehmen. Eine halbe Stunde später sitze ich kurz im Behandlungszimmer und werde dann zum Röntgen gebeten. Ich hasse röntgen. Im Röntgenraum stellt sich ein neuer Arzt vor. Ich weise auf meine Empfindlichkeit beim Röntgen hin. Passend dazu benötigen wir drei Versuche bis zu einer brauchbaren Aufnahme. Das nennt man wohl einen Lauf. Zurück im Behandlungsstuhl stellt der Arzt sich ausführlich vor und erklärt, was nun anliegt. Der Begriff Revision fällt und meine Stimmung sinkt weiter. Der Zahnarzt ist spezialisiert auf Wurzelbehandlungen, was für mich und mein Gebiss durchaus von Vorteil sein sollte. Er erklärt, dass der Zahn verloren ist, wenn er den dritten Wurzelkanal nicht findet. Der Zahnarzt, der sich zuletzt um den Zahn gekümmert hat, konnte den Kanal nicht finden, weshalb meine Hoffnung auf Heilung weiter sinkt. Der Zahnarzt betäubt das Zahnfleisch vor der Betäubungsspritze und wenig später geht es los. Er bohrt, macht Pause, schaut aufs Röntgenbild, bohrt weiter und plötzlich strömt der unvergleichlich faule Geruch eines entzündeten Zahns durch den Raum. War das jetzt der erhoffte Durchbruch, der mich, zumindest vorübergehend, von meinem Leid erlöst? Der Zahnarzt hat übrigens kein Verständnis, dass der andere Zahnarzt den Wurzelkanal trotz der guten Röntgenbilder nicht finden konnte. Ich gehe davon aus, dass der andere Zahnarzt nicht mehr hier arbeitet. Hoffentlich hat er den Zahn damals nicht ruiniert. Es folgt der nächste Gang ins Röntgenzimmer. Mit offenem Mund gehe ich dorthin, weil ich die Feile im Zahn stecken habe. Ich komme mir mächtig bescheuert vor und als ich erkennen muss, dass eine attraktive Frau nun fürs Röntgen zuständig ist, komme ich mir noch blöder vor. Wie ein Hampelmann mit offenem Mund. Jetzt müsste ich nur noch sabbern, dann wäre es perfekt. Auch dieses Mal klappt es erst im dritten Versuch und zwischendurch mache ich einen großen Fehler und beiße zu. Anschließend habe ich sehr viel Glück, dass der Zahnarzt das Instrument noch aus dem Zahn bekommt, denn sonst wäre alles umsonst gewesen und der Zahn hätte raus gemusst. Die Feile habe ich maximal krumm gebissen und ich sollte wirklich besser aufpassen, nie wieder so einen Fehler zu machen.

Zum Abschluss wird der Zahn verschlossen. Drei Tage leichte Schmerzen sind okay, starke Schmerzen bedeuten, der Zahn muss raus. Wie stark sind starke Schmerzen und ab wann sind leichte Schmerzen nicht mehr leicht? Nächsten Donnerstag soll ich wiederkommen, um den Zanrest erneut bearbeiten zu lassen. Mit so einem Mist kann man sich echt über Monate beschäftigen.

Die Schmerzen, die mich zu Hause besuchen, können nicht leicht sein. Dass sie schwer sind, will ich aber auch nicht. Es puckert und dröhnt und ich bilde mir ein es sind keine starken Schmerzen. Schmerztabletten soll ich nicht nehmen, weil sie das Ergebnis verfälschen würden. So muss ich mir einreden, dass die Schmerzen vom Eingriff kommen, während ich auf dem Balkon sitze und einfach nur warte. Ich hatte wahrlich schon bessere Tage. Als die Schmerzen langsam weniger werden, klettere ich in mein Bett, denn Schlaf soll ja bekanntlich gesund sein. So Tage sind einfach nichts für mich.

6 Kommentare

  1. Was für ein Aufwand. War es früher besser?

    Ich erinnere mich noch an eine Wurzelbehandlung so vor 30 Jahren. Mein damaliger Zahnarzt hat mir ausführlich erklärt, was er gerade macht: röntgen, betäuben, die Nerven ziehen, ausfüllen, versiegeln etc.

    Ok, die rausgezogenen Nerven hätte er mir jetzt nicht zeigen müssen *ürks*

    Dann kam die gute Amalgamfüllung drauf und bis heute gibt es den Zahn bzw. die Hülle noch.

    • Ja, früher war alles besser. Weil man das meiste längst vergessen hat.

  2. Oh je ?
    Ich hatte sowas auch mal und am Ende wurde der Zahn gezogen und ich war Gott froh darüber. Ich konnte es echt nicht mehr aushalten. Es war übrigens auch ein sehr heißer Sommer. Da machen Zähne gerne so etwas, hat mir der Zahnarzt gesagt.
    Und für die Psychoeinlagen habe ich auch Verständnis.

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