Ein Mittwoch fast wie jeder Mittwoch

Ich liege noch im Bett, versuche wach zu werden, mich zu orientieren, da höre ich ihre möglicherweise echte Fröhlichkeit. „Guten morgeeeeeeen! Aufstehen! Blablabla.“ Kurze Pause. „Guuuuuuteeeeen Moooorgeeeeen!!!” Seit Tagen höre ich sie am frühen Morgen noch bevor ich etwas anderes höre und frage mich heute zum ersten Mal, womit ich das verdient habe, obwohl ich es gar nicht gewollt habe. Womit habe ich es nur verdient, dass meine Nachbarin nun auch noch mein Wecker ist? Und während ich mich frage, ob es meinem Nachbarn gefällt, so geweckt zu werden, wird mir bewusst, dass sie nicht nur die erste Person ist, die ich morgens höre, sie ist auch meist die letzte Person, die ich vor dem Einschlafen höre. Erst gestern Abend schrie sie mich energisch an. Kurz und direkt. Laut und deutlich. “Hör jetzt auf!” Ganz ohne kichern und glucksen. Und weil der Nachbar nicht aufhören wollte mit dem, was auch immer er tat, gab es eine noch lautere Ansage. “Lass das!!!” Dann würde es tatsächlich still. So wie die beiden vermutlich immer hören, wenn ich laut Filme gucke, laut Musik höre, nachts schnarche oder furze, so sind auch sie Teil meines Lebens. Vielleicht sollten wir unsere Wohnungen mit einem Durchbruch verbinden, dann wären wir eine richtige WG und ich könnte mich vielleicht auch von ihr anschreien lassen. Das stelle ich mir zwar nicht schön vor, aber so wäre ich im Alter nicht alleine und jemand würde sich um mich kümmern. Ich sollte mir dazu bei Gelegenheit ausführliche Gedanken machen und es anschließend mit meinen Nachbarn besprechen.

Im Büro besucht uns unser jüngster Teilnehmer, obwohl er gar keinen Termin bei uns hat. Er findet es einfach schön bei uns, ist heute in Gruselfilmstimmung und zeigt uns Trailer seiner liebsten Filme. Ich glaube nicht, dass das irgendwie professionell ist, doch wegschicken kann ich ihn ja auch nicht, weil das Folgen haben könnte, die ich noch gar nicht abschätzen kann. Das möchte ich nicht. Kurz vor Ende des Arbeitstages werde ich gefragt, ob ich nächsten Montag arbeiten kommen kann, weil zu viele Mitarbeiter krank sind. Da ich nur den Termin bei der Krankenkasse habe, sage ich zu und habe dafür am Freitag frei. So kommt unverhofft etwas Abwechslung in mein oftmals ödes Leben.

Kaum zu Hause angekommen passiert etwas mit meinem unteren Rücken. Zunächst denke ich, dass eine falsche Bewegung die Ursache ist, doch dann bin ich mir nicht mehr sicher, denn der untere Rücken fühlt sich teilweise taub an und ich bin kurzfristig sicher, dass ein Tumor dafür verantwortlich ist. Dieser Tumor, der schon lange in mir wächst, drückt nun auf irgendwelche Nerven und wird mich bald lähmen und mich wenig später töten. Es ist schon erschreckend, dass meine Gedanken immer direkt in diese Richtung gehen. Hätte ich doch nur eine Badewanne, um mich dort ordnungsgemäß abzulegen. Da ich keine Badewanne habe, mache ich wenig später zusammen mit Petra einen kurzen Spaziergang. Der Wind vermiest mir allerdings rasch jegliche Freude daran, weshalb ich es nicht lange aushalte und schnell zurück in meine Wohnung kehre. Dieses Wetter ist nichts für mich. Wetter im Allgemeinen ist oft nichts für mich.

Am Abend gibt es wieder zwei Folgen von The Mentalist, dann klettere ich ins Bett, um noch etwas zu lesen und stelle abermals fest, dass ich noch immer so lebe als hätte ich noch ganz viel Zeit. Dabei ist Zeit etwas, wovon ich schon mehr verbraucht habe als noch übrig ist. Möglicherweise bin ich vollkommen verrückt.

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