Den Nachmittag im Büro verbringe ich damit, einem Teilnehmer, der nur unwesentlich älter als ich ist, zu erklären, dass es keine gute Idee ist, sich vor einen Zug zu werfen, weil es unfair dem Lokführer gegenüber ist. Die Idee, auf einen hohen Baum zu klettern und herunterzuspringen redet er sich anschließend selbst aus, weil nicht sicher ist, dass er dann wirklich tot ist, wenn er ungünstig aufprallt. Ich weiß echt nicht, was ich davon halten soll, da wir immer wieder beim Thema Selbstmord landen. Ich mag es im Büro eher fluffig bis unbeschwert, solche Gespräche finde ich eher bedenklich und ich weiß nicht, ob meine Versuche, die Situation mit Humor aufzulockern, angebracht sind. Ich werde den Mann beobachten und hoffe, dass ich nächste Woche Ideen habe, wie ich ihn etwas aufbauen kann.
Den Abend nach den Selbstmordgesprächen verbringe ich mit Loerz in Dortmund. Petra fehlt, weil sie ihre Zeit einem jungen Mann widmen muss. Loerz sitzt schon an einem guten Platz in der L’Osteria, während ich noch erfolglos einen Parkplatz suche. Weil das zu nichts führt fahre ich in eine Tiefgarage. Dort will ich das Coupé rückwärts neben einer Wand Parken, was mir natürlich nicht gelingt. Ich kann mit dem Coupé weder rückwärtsfahren, noch kann ich es ordentlich rückwärts einparken, also parke ich vorwärts ein, bevor es peinlich wird. Als ich endlich beim Loerz angekommen bin, bestellen wir Salat und Loerz erklärt mir kurz, dass junge Menschen vielleicht eine Knutsch Challenge machen können, alte Menschen so etwas aus vielen Gründen nicht tun. Alte Frauen haben zu viel erlebt, um so einen Unfug zu machen und junge Frauen küssen keine alten Männer. So in der Art. Ich will mir das nicht merken, weil es mich irgendwie traurig macht, dass ich nicht einmal mehr theoretisch unverbindlich rumknutschen kann. Das ist schon irgendwie deprimierend. Nachdem wir brav gegessen haben, hat der Loerz Hunger und wir gehen zum Café Extrablatt. Da es uns draußen zu frisch ist, setzen wir uns rein. Man sitzt so weit von den anderen Menschen weg, dass man bei dem Licht nicht einmal richtig spannen kann. Was ist nur aus dieser Welt geworden? Loerz bekommt Hähnchenstreifen und ich einen Ananassaft.
Als wir gegen 21.30 Uhr den Abend langsam beenden, hat mich bereits eine furchtbare Müdigkeit überfallen. Diese ist aber nicht schuld daran, dass ich mein Coupé in der Tiefgarage zunächst nicht finden kann und völlig ratlos durch die Tiefgarage irre. Die Luft ist furchtbar und das Atmen fällt mir schwer. Als ich fast aufgeben will, finde ich das Coupé doch noch und kann endlich nach Hause fahren. Es ist 21.45 Uhr und ich kann die Augen kaum aufhalten. Am liebsten würde ich mich zusammengerollt auf die Rückbank oder in den Kofferraum legen. Ich weiß nicht, wie ich es nach Hause schaffe, bin aber erleichtert und froh als ich um 22.15 Uhr endlich da bin und direkt ins Bett klettere. Ich fühle mich als wäre ich stundenlang unterwegs gewesen, dabei war ich nur kurz in Dortmund etwas essen. Jetzt bin ich tatschlich überzeugt, dass ich zu alt für eine Knutsch Challenge bin. Bleibe ich halt bis zu meinem Tod ungeküsst.
Am Samstag um 07.30 Uhr, achteinhalb Stunden nachdem ich das Bewusstsein verloren habe, komme ich langsam zu mir. Der Himmel ist bedeckt und macht nicht den Eindruck, dass daraus ein sonniger Tag werden kann. Ich bin fast genauso schlapp und müde wie gestern Abend. Irgendwas scheint mit meinem Körper nicht zu stimmen. Sollte ich nach zehn Vitamin-C Infusionen nicht vor Frische und Kraft strotzen? Stattdessen will ich nur schlafen, schlafen, schlafen. Über eine Stunde dauert es bis ich mich endlich aus dem Bett quäle. Nach einem Telefonat mit Agnes schaffe ich es immerhin die Wohnung zu saugen, mich zu duschen und anzuziehen bevor ich gegen 12.00 Uhr zum traditionellen Samstagsmittagessen mit Manni und Petra das Haus verlasse. Gegsessen wird wie so oft im Panda Asia Bistro in Waltrop.Das Wetter ist merkwürdig, es ist warm, aber doch bedeckt. Schwüle und Kühle scheinen sich abzuwechseln und während wir essen ruft der Loerz an, um zu erfahren, was heute Abend abgeht. Ich besitze noch genau 30 Euro, somit sollte es möglich sein, am Abend im Kreuzviertel etwas zu essen und zu trinken. Da wir Entscheidungsunfreudig sind, entscheiden wir uns die Entscheidung zu vertagen. Es folgt der Samstagseinkauf bei dem Manni selbstverständlich nicht mit von der Partie ist. Als ich gegen 14.30 Uhr zu Hause bin, will ich nur noch schlafen. Auch in meinem Alter kann das nicht normal sein. Gegen 15.00 Uhr verliere ich für etwa eine halbe Stunde das Bewusstsein. Als ich wieder zu mir komme, erfahre ich vom Loerz, dass er bei einem Spaziergang eine Frau kennengelernt und morgen ein Date mit ihr hat. Der Mann ist und bleibt ein Phänomen und Frauenmagnet.
Bis ich mich für den Abend frisch machen muss, sitze ich auf dem Balkon und lese ein Natürlich entgiften zu Ende. Gegen 19.00 Uhr hole ich Petra ab und wir fahren ins Kreuzviertel, wo wir den Loerz treffen, um gemeinsam etwas zu essen und abzuhängen. Gegessen wird im Fatto di Casa, weil wir da gerne essen und es immer schmeckt. Nachdem wir gegesssen haben geht es weiter zu Uncle Tom´s. Dort hat der Loerz die beste Aussicht und ich das Pech, das die alten Menschen am Nebentusch rauchen und ich ständig in deren Rauchwolken sitze. Weil ich nicht minutenlang die Luft anhalten kann, bekomme ich so meine Extraportion Zigarettenqualm für meine gereizten Bronchien. Wie ich das hasse. Rauchen sollte nur noch in geschlossen Anstalten erlaubt sein. Die Optik ist toll, aber dadurch, dass ich weiß, dass keine der Frauen zum Knutschen ist, bin ich etwas traurig. Andererseits rauchen die meisten Frauen, weshalb ich sie eh nicht knutschen wollte. Ich muss trotzdem aufpassen, dass das mit dem Knutschen nicht zu einer fixen Idee wird, die mich in den Wahnsinn treibt. Das kann schnell gehen und dann leide ich am Ende darunter, das möchte ich nicht. Aber vorher könnte ich vielleicht noch eine Anzeige aufgeben und eine Frau zum Knutschen suchen. Alternativ könnte ich mir auch kaltes Wasser ins Gesicht schütten, damit ich mit so blödsinnigen Ideen aufhöre.
Gegen 23.00 Uhr bin ich wieder zu Hause und muss auch nicht direkt ins Bett, da ich nicht erschöpft bin. Vielleicht muss ich nur täglich ausgehen, um immer länger durchzuhalten. Vielleicht aber auch nicht. Stellt sich jetzt nur noch die Frage, ob ich meinen Schnauzbart abrasiere oder den Backenbart entferne. Soll ich nächste Woche nur noch einen Schnauzbart oder nur noch den Backenbart tragen? Der Backenbart ist weiß, der Schnauzbart mehrfarbig. Einen Schnauzbart hatte ich schon, einen Backenbart ohne Schnauzer noch nie. Also werde ich wohl ab Mittwoch nur noch den Backenbart tragen, weil alleine das Wort Backenbart sympathisch klingt und so ein Bart mich optisch sicher in eine neue Dimension katapultiert. Als ich gegen Mitternacht die Zähne geputzt habe, habe ich plötzlich das Bedürfnis meine Haare zu schneiden und lege direkt los. Während ich mir einzelne Haarbüschel rausschneide, denke ich, dass ich ein sehr merkwürdiger Mensch bin. Als ich Schwierigkeiten mit den Haaren am Hinterkopf habe, wünsche ich mir Unterstützung. Weil es keine Unterstützung gibt, lege ich die Schere weg, begebe mich ins Bett und verliere wenig später das Bewusstsein.
Am Sonntag erwache ich frisch und gutgelaunt. Ich lasse die Waschmaschine meine Wäsche waschen und koche mir etwas Gesundes. Nach dem Essen lungere ich noch etwas in der Wohnung rum, bevor es gegen 14.00 Uhr mit Petra nach Witten losgeht. Geocaching ist angesagt und der Benz darf uns fahren. Kaum dort angekommen verirre ich mich in eine Garage, in der ich einen Moment verwirrt stehen bleibe. Als ich mich aus der Garage befreit habe, entdeckt Petra ein Pärchen, das augenscheinlich auch geocachen will und die gleiche Strecke anvisiert hat. Deshalb möchte Petra einen Umweg machen, der mehrere hundert Meter lang ist und uns durch die Sonne führt. Das erscheint mir fragwürdig, weshalb ich den Umweg ablehne und wir an dem Pärchen vorbei müssen. Am ersten Cache holen sie uns ein und wir kommen zwangsläufig ins Gespräch. Ich bin mir sicher, dass Petra das gruselig findet, aber da muss sie durch. Wir begegnen den beiden im Laufe unserer Runde noch mehrmals, üben uns in Small Talk und trennen uns rasch wieder. Wir sind eigenartig und können es auch nicht verbergen. Keine Ahnung, was die beiden über uns denken. Wie üblich kann Petra es auch heute nicht lassen zu stolpern, weshalb sie von mir den Namen Stolper Petra verliehen bekommt. Zumindest verzichtet sie heute darauf hinzufallen. Bei unserer letzten Runde lag sie nämlich ganz plötzlich auf dem Boden. Heute sieht eine Mountain Bikerin Petra stolpern und fragt ganz besorgt, ob alles in Ordnung sei. Wir erklären ihr, dass Petra immer stolpert und Petra entschuldigt es damit, dass sie auf ihr Smartphone geschaut hat. Sonst schaut sie oft in die Luft, wenn sie stolpert, wie die weibliche Version von Hans Guck-in-die-Luft. Lustig, aber auch gefährlich, weshalb sie auf schmalen Pfaden vor mir gehen muss, damit sie nicht auf mich fällt und ich mich deshalb am Ende noch verletze. Nach der kleinen Runde wollen wir im Café del Sol einkehren und etwas essen, doch es ist brechend voll und man muss sich draußen anstellen und warten bis man an seinen Platz gebracht wird. Ich mag nicht warten und auch nicht an irgendeinen Platz gebracht werden, den ich mir nicht einmal selber aussuchen darf. Also klettern wir zurück in den Benz und beenden den Ausflug. Mittlerweile ist es 18.00 Uhr und Loerz Date mit der Frau, die er gestern kennengelernt hat, beginnt. Ob die beiden wohl rumknutschen werden? Wird sie seine zukünftige Ex? Oder ist Goofy wirklich seine erste Wahl?
Während ich mein aufregendes Wochenende mit einem Buch auf dem Balkon ausklingen lasse, knutscht der Loerz längst mit seinem Date rum. Damit muss seine steile Behauptung, die er mehrfach vollmundig verkündete, dass Frauen nicht mit alten Männern rumknutschen wollen, in Frage gestellt werden. Vielleicht sollte man seine Aussage minimal verändern und behaupten: Frauen knutschen so lange nicht mit alten Männern, bis einer der alten Männer der Loerz ist. Dann passt es.
Für mein Wochenende ziehe ich folgendes Fazit: Mehr geht wirklich nicht, weil einfach nicht mehr geht.