Zell – Tag 3

Kurz nach Mitternacht nehme ich dann doch eine Ibuprofen und schlafe wenig später völlig erschöpft ein. ich bin sogar so erschöpft, dass ich sowohl auf Alpträume als auch auf Sexträume verzichte, was mir durchaus gefällt. Mit Muskelkater starte ich in den Tag. Da es auch regnen soll, habe ich zwei Gründe heute nicht irgendwo herum zu klettern. Der morgendliche Spaziergang an der Mosel entlang dauert etwas über eine Stunde und ich bin am Ende komplett erledigt. Ich muss wirklich dringend an meiner körperlichen Verfassung arbeiten. Weil ich in dem Zustand selbst für Spaziergänge nicht zu gebrauchen bin, beschließe ich, dass eine zweieinhalbstündige Schifffahrt die einzige Option ist, die mir heute bleibt. Bevor ich zu Mittag esse, kaufe ich mir die Karte für die Schiffsrundfahrt. Das Wetter wird eh nicht besser und mir tut wirklich alles weh. Später esse ich im vietnamesischen Restaurant Vink bevor ich zurück auf mein Zimmer gehe und mich bis zur Beginn der Schiffsrundfahrt ausruhe. Alles andere würde mich auch nur zerstören. Mein komischer Hustenreiz ist auch zurückgekehrt. Eine Erklärung dafür habe ich leider nicht.

Die Fahrt auf dem Schiff ist genau nach meinem Geschmack. Obwohl eigentlich nichts passiert, abgesehen davon, dass mir eine junge, blonde Frau Getränke bringt. Junge, blonde Frauen können doch toll sein. Die zweieinhalb Stunden vergehen recht schnell und sind viel angenehmer als zweieinhalb Stunden auf der Autobahn zu fahren. Wobei der Vergleich vermutlich blöd ist, mir aber in den Sinn kommt. Anschließend hole ich mir in der Bäckerei Lohner´s zwei belegte Brötchen und zwei Brötchen, die nicht belegt sind. Dann passiert etwas sehr Überraschendes, die Sonne zeigt sich und bleibt eine Weile. Daher muss ich nachdem ich die beiden belegten Brötchen verspeist habe noch einen kleinen Spaziergang machen. Irgendwann setze ich mich auf eine Bank und schaue einfach so die Mosel und die Häuser an. Nach einer Weile wird mir leider kalt und ich muss zurück auf mein Zimmer. Am Nachmittag sind die Leute aus dem Nachbarzimmer scheinbar spontan ausgezogen, denn eigentlich muss man, wenn man abreist bis 10.00 Uhr das Zimmer verlassen. Da waren sie aber noch da. Weil das Zimmer offen steht mache ich einen kleinen Rundgang. Von dem Zimmer aus kann man prima auf die Mosel sehen und die Küchenzeile hat etwas mehr zu bieten als bei mir im Zimmer. Dazu gibt es zwei weiße Sessel, die vermutlich für die Gemütlichkeit sorgen, die mir fehlt. Ich setze mich kurz in einen der Sessel und frage mich, warum in meinem Zimmer nicht ein unbequemer Stuhl gegen einen Sessel ausgetauscht wird. Dann beschäftige ich mich nicht weiter mit dem Zimmer, sondern lasse den Tag ab 19.00 Uhr einfach ausklingen. Ich hoffe, dass mein Körper die Zeit nutzt, um sich zu erholen, denn morgen plane ich eine etwas längere Wanderung.

Am Abend versuche ich ein drittes und letztes Mal Nirgendwo & Hormone von Selim Özdogan zu lesen. Bis auf Seite 50 quäle ich mich, dann lege ich das Buch in eine der Schubladen neben dem Bett. Quasi als Geschenk oder Abendlektüre für jemanden, der nach mir hier übernachten wird. Weil ich mir schon dachte, dass ich mit dem Buch nicht mehr glücklich werde, habe ich noch Kurzgeschichten von Ian McEwan dabei. Der hat mich bisher noch nicht enttäuscht. Später höre ich Musik und fühle mich frei, fast wie auf einer Klassenfahrt, nur ohne Mitschüler. Ich bin plötzlich zeitlos, alterslos, auf keinen Fall alt und von mir aus müsste dieser Zustand nie mehr enden. Ich bin älter geworden, doch tief in mir drin weiß ich, dass nur mein Körper altert. Ich mache da nicht wirklich mit. Darum konnte vermutlich nicht wirklich was aus mir werden, denn ich bin und bleibe ein Pubertierender, der irgendwann aus der Zeit gefallen ist. Ich werde auch als Pubertierender sterben. Das ist irgendwie enttäuschend. Aber nicht die Tatsache nie der Pubertät entwachsen zu sein, sondern die Tatsache zu sterben und unendlich viel Zeit verschwendet zu haben anstatt immer das zu tun, was ich in diesen Tagen mache.

4 Kommentare

  1. Ich hatte auch einmal einen seltsamen Hustenreiz über lange Zeit hinweg, ein Jahr glaub, war bei verschiedenen Ärzten. Zuletzt haben wir Schimmel versteckt hinter dem Kühlschrank gefunden, der da schon ziemlich lange wuchs. Nachdem wir den beseitigt hatten, hat es noch eine ganze Weile gedauert, bis der Husten wirklich weg war. Irgendwann nach ner Erkältung wars dann endlich vorbei.
    Aber bei Dir kanns natürlich auch ganz was Anderes sein. Ne Allergie vielleicht.

    • Ich vermute noch immer, dass es entweder die Luft hier ist oder ich ein Psycho bin. Schimmel gibt es hier nicht mehr. Vielleicht finde ich es nie raus. Warten wir mal ab, wie es sich entwickelt.

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