Zell – Tag 4

Direkt nach dem Frühstück mache ich mich auf den Weg in die Weinberge. Kaum dort angekommen setzt Nieselregen ein. Natürlich habe ich keinen Schirm dabei, weil ich dem Wetterbericht unbedingt trauen wollte. Die Wege sind zudem matschig und laden auch nicht zum weiteren wandern ein, weshalb ich nach einer Weile die Tour abbreche und an der Straße zurückwandere. Während ich das mache, überlege ich mir, dass ich niemandem je Souvenirs von meinen Reisen mitbringe, selbst mir bringe ich selten etwas mit. Sofort überlege ich, wem ich was mitbringen kann, doch mir fällt nichts ein. Ich habe bisher nichts entdeckt, was ich mir oder irgendwem mitbringen könnte. Gut für die Finanzen, aber trotzdem schade. Kurz überleg ich, ob ich eine Winzersalami kaufe, frage mich dann aber, ob das wirklich Sinn ergibt. Dann beschließe ich, dass ich mein Mittagessen wieder in dem kleinen, urigen vietnamesischen Restaurant zu mir nehme. Für den Nachmittag habe ich eine kleine Wanderung geplant, die wohl mindestens drei Stunden dauern wird. Danach werde ich vermutlich irgendwie tot und ziemlich bewegungsunfähig sein. Außerdem muss ich mir irgendwo einen Vermerk machen, dass mindestens vier Übernachtungen für einen Kurzurlaub sein müssen. Vielleicht habe ich mir das auch schon irgendwo notiert, ich weiß es nicht. Der kurze Weg zum Restaurant gestaltet sich äußerst schmerzhaft, denn nun ist es mein Sprunggelenk, welches unzufrieden ist. Humpelnd schleppe ich mich dorthin und frage mich, wie ich nachher meine Wanderung in dem Zustand durchhalten soll. Andererseits vertraue ich darauf, dass ich in den Sneakers, die ich dazu anziehe werde, wunderbar schmerzfrei laufen kann. Bin ich nun ein Optimist oder ein Idiot, der es vor Schmerzen kaum zurück auf sein Zimmer schafft?

Der Spaziergang, der möglicherweise auch eine Wanderung ist, beginnt gegen 13.15 Uhr und es geht gefühlt eine Ewigkeit immer nur bergauf. Mein Sprunggelenk ist wie ausgewechselt und ich bin zuversichtlich, dass alles gut laufen wird. Nur selten begegnen mir andere Menschen, meist bin ich alleine. Ich hätte definitiv schneller nach oben gelangen können, wenn ich wieder den steilen Weg wie vorgestern genommen hätte, doch irgendwie hielt ich es für keine gute Idee, weil die Wege nicht trocken sind und mein Schuhwerk dazu vielleicht doch nicht geeignet ist. Und hinfallen mag ich einfach nicht. Als ich endlich oben angekommen bin, genieße ich die Aussicht und die Wanderung macht jetzt richtig Spaß. Dummerweise geht es irgendwann aber wieder herunter und an manchen Stellen ist es etwas steiler. An diesen Stellen rutsche ich gelegentlich mit meinen Sneakers ein wenig, was mir durchaus Sorgen bereitet. Zum Glück schaffe ich es aber, dass ich nicht hinfalle. Nach der Hälfte der Geocachingstrecke, die Teil meiner Wanderung ist, beschieße ich, es gut sein zu lassen, denn seit dem letzten Anstieg, ich habe natürlich eine steile Abkürzung genommen, bin ich komplett nassgeschwitzt und frage mich, warum ich überhaupt einen Schal um habe. Ich setze mich auf eine Bank, esse gebrannte Mandeln und denke über einen Rucksack nach, denn auch mein Wasservorrat ist aufgebraucht und in einem Rucksack könnte ich mehr Nahrungsmittel transportieren als ohne. Noch besser würde es mir allerdings gefallen, wenn eine Frau mit den Rucksack tragen würde. Möglicherweise bin ich einfach nur ein Spinner.

Durchgeschwitzt und stinkend gehe ich auf dem Rückweg noch in meine Lieblingsbäckerei vor Ort und lasse mir zwei Brötchen belegen. Dazu gönne ich mir noch ein uriges Brötchen und eins mit Weizen Urkorn. Das klingt beides zu gut, um es nicht zu probieren. Weil ich gerade übermütig bin, gibt es dazu noch eine 0,5 Liter Flasche Coca Cola und eine Marzipanschnecke. So mag ich das. Dieser Urlaubstag gefällt mir, auch wenn mein Rücken schmerzt und meine Verspannungen gar fürchterlich sind. Bis ich im Zimmer ankomme habe ich 16,4 Kilometer zurückgelegt, was nicht so viel ist, wenn man aber bedenkt, dass ich die erste Stunde des Spaziergangs nur aufwärts klettern musste und später wieder runter, dann sind 16,4 Kilometer doch irgendwie viel. Ich nehme die zwei Brötchen zu mir, trinke Cola und gehe anschließend noch kurz an die Mosel, um irgendwo auf einer Bank den Tag ausklingen zu lassen. Weniger als 16,4 Kilometer bin ich übrigens an keinem meiner Tage hier gewandert, was ich ganz ordentlich finde.

Später lese ich noch eine Weile, dann ist es nach 22.00 Uhr und der Urlaub vorbei. Morgen ist er nur noch eine Erinnerung und das Grau ist wieder die vorherrschende Farbe des Alltags. Normale Routinen übernehmen das Kommando, Arzttermine und andere Termine ebenso. Ich mache mir Gedanken über den Tagesablauf, werde rasch unzufrieden sein und all das, was diese Tage mir gegeben haben wird schon bald fortgespült sein. Nichts kann wirklich schön sein, weil es dort wo ich lebe und wie ich lebe für mich nicht schön sein kann. Diese Art zu leben bringt mich einfach nur um und ich denke an die paar Tage, die ich damals mit Frauen an einem Fließend arbeitete. Ich denke daran, wie sie fast nur davon redeten dreimal im Jahr in den Urlaub zu fahren, dafür ständig Überstunden machten und vermutlich nur während der Urlaube lebten. Damals fand ich das grotesk, lächerlich, verachtungswürdig. Und jetzt verstehe ich diese Frauen und finde es traurig, dass ich auch so bin. Und doch kann ich froh sein, dass ich mir Urlaube überhaupt leisten kann, denn ohne Urlaube bin ich meist nur eine funktionierende, bemitleidenswerte Kreatur. Sieben Monate noch, dann habe ich wieder Urlaub, wenn ich vorher nicht eingegangen bin. Vom Leben zersetzt oder zerfetzt. Was für blöde Gedanken zum Abschluss eines schönen Urlaubs.

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