Silvester 2020

Zu unserer Überraschung nimmt Petra doch an der traditionellen Silvesterrunde, die dieses Jahr zum ersten Mal bei mir stattfindet, teil. Der Tisch ist nicht ganz so reichlich gedeckt, was auch daran liegt, dass der Platz bei mir sehr begrenzt ist. Außerdem reichten die ganzen Köstlichkeiten in den letzten Jahren meist eh für mehr als nur drei Personen. Zum Glück hat auch dieses Jahr Petra den Einkauf übernommen, denn ich glaube nicht, dass das sonst alles so geklappt hätte. Wäre sie nicht dabei, gäbe es weder Raclette noch warme Speisen, sondern höchstens ein paar Cracker. Frauen sorgen dafür, dass Männer anständig versorgt sind. So war es wohl schon immer.

Als Manni gegen 19.50 Uhr erscheint, haben wir alles vorbereitet und können fast beginnen. Nur der Wein ist noch ungeöffnet, da ich keinen Korkenzieher habe. Ich benötige in der Regel keinen Korkenzieher und meine Wohnung ist zu klein, um derartige Gimmicks unterzubringen.

Während die Speisen zusammengestellt und erwärmt werden, kommen wir auf die Vorsätze für 2021 zu sprechen. Petra verzichtet darauf und Manni will sich nächstes Jahr von Dingen und Menschen trennen, die sich als Ballast herausgestellt haben. Entschlackung nennt er das. Bevor wir das Thema später erneut aufgreifen, gönnen wir uns Speis und Trank und sind albern oder blöd, je nachdem, wie man es nennen mag.

Später schlägt Petras große Stunde und sie erklärt uns, dass Anthroposophen verrückt sind und sie die meidet, weil sie die einfach furchtbar, krank und gefährlich findet. So in etwa jedenfalls. Dann werden wir von Petras Apple-Watch unterbrochen, weil diese Petra auffordert, zu atmen. Später soll Petra aufstehen, weil die Uhr das will. Also tanzt Petra, weil der Sender (Clubland Radio UK), den ich für den heutigen Abend ausgewählt habe, wunderbare Musik spielt. Nach der kurzen Tanzeinlage legt Petra richtig los und erklärt uns, dass sie eine Umschulung zur Tierpflegerin machen will. Corona lobt sie auch, weil sie Corona sei Dank, nun ihre Zeit im Home Office (ein weitere Wort, welches ich bescheuert finde) verbringen darf. Dazu findet sie, dass an Corona zu wenige Leute sterben, weil es auf der Erde zu viele Menschen gibt. Sie sagt, sie sei krasser als Bill Gates und findet, dass es ihr zu wenig ist, wenn, wie im Film Avengers – Infinity War, nur jeder zweite Mensch stirbt. Thanos findet sie trotzdem toll, weil er die Hälfte der Menschen ausgelöscht hat. Sie allerdings will nicht sterben, weil sie für ihre Katze weiterleben muss. Dann sagt sie noch, dass sie Ausgangssperren toll findet. Ich denke, dass wir Petra in ein Heim oder eine Besserungsanstalt geben sollten, weil das alles ein wenig besorgniserregend klingt.

Kurz nach Mitternacht stehen wir auf dem Balkon und begrüßen das neue Jahr mit 40 Wunderkerzen, die Manni mitgebracht hat. Petra mag keine Wunderkerzen, weshalb sie das neue Jahr mit einer Zigarette begrüßt. Manni und ich winken allen und niemandem mit den Wunderkerzen zu. Es ist deutlich weniger Feuerwerk als in den Vorjahren, was ich sehr angenehm finde. Von mir aus sollte es Feuerwerk sowieso nur an festen Plätzen geben und Böller generell verboten werden, weil die nur laut sind, aber optisch gar nichts zu bieten haben. Außerdem erschrecke ich mich immer öfter, wenn es irgendwo knallt. Das möchte ich nicht. Nachdem alle Wunderkerzen abgebrannt sind, gehen wir zurück in die warme, aber vom Raclette ziemlich stinkende Wohnung. Jetzt weiß ich wieder, welchen Nachteil es hat, wenn man eine Wohnung ohne Schlafzimmertüren hat. So stinken nämlich alle Zimmer irgendwie unangenehm. Weder Duftlampe noch Duftkerzen können gegen den Geruch des Raclette-Grills anstinken. Schade.

Fast hätten wir es vergessen, aber dann kommen wir irgendwie doch noch zum Thema Gesundheit. Dazu sagt Petra, dass es ihr im September 2019 noch richtig gut ging. Von da an ging es steil mit ihr bergab, woran die Borreliose sicher nicht ganz unschuldig ist. Ich kann mich gar nicht erinnern, dass Petra im Jahr 2019 gesagt hat, dass es ihr gut geht. Manni auch nicht. Wir können uns nur an eine Petra erinnern, die ständig über ihre gesundheitlichen Probleme klagt.

Petra sagt noch, dass die gesellschaftliche Verlegenheit und die Oberflächlichkeit der Menschen uns überholen, bevor sie mit Siri spricht. Ich glaube, Petra braucht einen Mann, der ihr ab und zu den Kopf tätschelt. Kaum habe ich das gedacht, sagt Petra, dass sie Kinder- und Sklavenarbeit okay findet, nur Tiere nicht ausgenutzt werden dürfen. Ich glaube nicht, dass sie mit der Einstellung einen Mann findet, der ihr den Kopf tätscheln mag. Höchstens einen Psychopathen. Aber da Petra mit ihrer Katze in einer glücklichen Partnerschaft lebt, können wir auch nicht mehr für sie tun.

Manni hat spontan noch einen Plan fürs nächste Jahr. Er möchte sich ein Cabrio kaufen. Als Sommer- und Spaßfahrzeug. Ich bin sowieso ein Freund von Zweitwagen und da unsere Lebenszeit doch arg begrenzt ist, finde ich, dass er das auch tun sollte. Außerdem will er seinen Garten mit Sand zu einem Beachclub umbauen, was ich ebenfalls anständig finde, da es immer gut ist, wenn man Pläne hat.

Anschließend machen wir Witze darüber, dass ich letztes Jahr 50 Kondome gekauft habe, die ich nicht gebrauchen kann. Keiner versteht, was ich mit 50 Kondomen will und was ich mir dabei gedacht habe, gleich 50 Stück zu kaufen. Ich weiß es nicht, vielleicht weil ich 50 bin. Also beschließe ich, dass ich mir fortan jährlich ein Kondom dazukaufe, damit ich für jedes Lebensjahr ein Kondom habe, was zwar keinen Sinn ergibt, aber auch nicht so abwegig ist, wie ich finde.

Ich beschließe, dass jeder von uns nächstes Jahr zur traditionellen Silvesterrunde eine Begleitperson mitbringen darf. Die Wahrscheinlichkeit, dass wir bei der nächsten Silvesterrunde mehr als drei Personen sind, liegt derzeit bei ungefähr 1,7%.

Es ist etwa 01.30 Uhr als Petras Energiequelle ausgeschaltet wird, weshalb sie sich von uns verabschiedet. Manni bleibt noch eine halbe Stunde in der wir über dies und das und Cabrios reden. Dann bin ich alleine in der Wohnung, räume ein wenig auf und liege um 02.22 Uhr im Bett. Ich weiß echt nicht, was ich vom Jahr 2021 halten soll.

4 Kommentare

  1. Gegen den Gestank von geschmolzenem Käse helfen: eine Schale mit Kaffeepulver und eine Schale mit Essig (nicht Aceto Balsamico), aufgestellt in der Nähe der Stinkequelle. Ich bin Schweizerin, ich weiss, wovon ich spreche. Viel Erfolg.

  2. Huch, bei uns in BW galt auch an Silvester eine Ausgangssperre von 20 – 5 Uhr und feiern nur mit 5 Leuten aus 2 verschiedenen Haushalten. Bei euch nicht?

    • Ausgangssperre gab/gibt es hier nicht.
      Aber mit 5 Leuten aus 2 Haushalten, das ist hier auch so. Wobei ich längst den Überblick verloren habe.

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