Mein Coupé hasst Kälte und Schnee

Obwohl ich die Straßenverhältnisse weiter für unangemessen halte, mache ich mich auf den Weg, um mit dem Coupé zur Arbeit zu fahren. Ich werfe meine Arbeitstasche auf den Sitz, nehme Platz und starte den Motor. Zumindest versuche ich es, doch nachdem der Motor zunächst den Anschein macht ganz normal zu starten, tut er es nicht. Weil ich denke, dass ich etwas falsch gemacht habe, versuche ich es nach kurzer Wartezeit erneut. Das Coupé will aber nicht anspringen. Gestern als ich es getestet habe, sprang es sofort an und lief eine Weile ganz normal vor sich hin. Und jetzt das. Ich versuche es noch ein paar Mal, aber der Motor will einfach nicht. Die Batterie scheint es nicht zu sein, aber von so etwas habe ich eh keine Ahnung. So verlasse ich das Coupé, schimpfe kurz vor mich hin und gehe zurück in die Wohnung. So komme ich gleich tatsächlich in den Genuss mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu reisen. Das ist einfach erbärmlich.

Ein paar Minuten später stehe ich an der Bushaltestelle, die zum Glück nur wenige Meter von der Haustür entfernt ist, und warte auf den Bus. Ordnungsgemäß trage ich eine FFP2-Maske, weshalb meine Brille beschlägt und ich nicht wirklich viel sehe. Dann kommt auch schon ein Bus und ich steige ein, was den Busfahrer scheinbar verwirrt, denn er sagt, dass er nur noch drei Haltestellen weiter fährt und dann dort parkt. Da bin ich wohl in den falschen Bus gestiegen dank meiner Blind- und Blödheit. Ich frage noch, wann denn wohl der Bus auf den ich warte, kommt, aber das weiß der Fahrer nicht. Er scheint mich für einen ziemlichen Idioten zu halten. Es läuft wirklich hervorragend bis hierhin. Wenige Minuten später kommt der nächste Bus in den ich natürlich sofort einsteige. Ich nenne mein Ziel, zahle sechs Euro und setze mich. Wirklich warm ist es nicht in dem Bus, aber bei dem Gedanken, dass ich gleich auf den Anschlussbus warten muss, wird mir fast warm ums Herz. Als wir in Waltrop ankommen, frage ich aus unerklärlichen Gründen den Busfahrer, ob ich umsteigen muss, weil mir das irgendwie komisch vorkommt und ich nichts falsch machen will. So erfahre ich, dass der Bus durchfährt und ich keineswegs umsteigen muss. Ich bin sogar zu doof Fahrpläne zu verstehen. Halleluja. Im Bus sind zu meiner Freude nur wenige Leute und es geht auch zügig voran. Die Fahrt dauert insgesamt etwa 45 Minuten und ich frage mich, ob sechs Euro ein angemessener Preis sind. Meiner Meinung nach nicht, aber von so Sachen habe ich keine Ahnung. Ich weiß nur, dass ich Busfahren auch weiterhin blöd finde, obwohl es durchaus bequem ist einfach nur rumzusitzen und aus dem Fenster zu schauen. Vielleicht rufe ich Samstag beim ADAC an. Oder morgen nach der Arbeit. Oder Montag. Obwohl es am Montag zu spät sein könnte, wenn irgendwas repariert werden muss. Vielleicht brauche ich doch noch ein spezielles Winterfahrzeug, damit mir so etwas in Zukunft nicht noch öfter passiert.
Die Bushaltestelle an der ich raus muss ist fast direkt vor dem Büro, so dass ich nur ein paar Schritte gehen muss. Nicht ganz zwanzig Minuten bin ich zu spät, was ich durchaus überraschend finde. Zwei Tage werde ich das durchhalten und dann hoffentlich wieder Jahre von Reisen in öffentlichen Verkehrsmitteln verschont bleiben.
So sehen meine Winterschuhe aus. Dreckkig und im Begriff sich aufzulösen. Ich dachte, ich würde solche Schuhe niemals mehr tragen müssen.

Zur Rückfahrt stehe ich pünktlich an der Bushaltestelle und erwarte den Bus. Doch dieser ist weit und breit nicht zu sehen. Weil mir kalt ist und ich fürchte, dass vielleicht gar kein Bus kommt, weil ich den Fahrplan falsch gelesen habe, frage ich einen merkwürdigen Mann, der meiner Meinung nach auch auf den Bus wartet. Dieser sagt, dass der Bus vermutlich zwanzig Minuten Verspätung haben wird. Wie sehr ich so etwas hasse, muss ich wohl keinem sagen. Letztlich sind es dann 13 Minuten, die der Bus sich verspätet. Ich zahle sechs Euro und setze mich auf den ersten Platz im Bus. Dieser und die beiden Plätze hinter dem Fahrer, der heute eine Fahrerin ist, sind meiner Meinung nach für merkwürdige Menschen reserviert. Da sitzen zumeist Sonderlinge, Außenseiter oder anderweitig gestörte Menschen. Daher ist es wenig verwunderlich, dass ich nun auf einem der Plätze sitze. Der Zustand der Straßen ist weiterhin eine Zumutung. Es gibt Strecken zwischen zwei Orten, da sind die Straßen komplett frei, teilweise sogar getrocknet, aber innerhalb der Ortschaften ziert Eis die Straße und macht ein anständiges Fahren unmöglich. Der Bus hoppelt und klappert, dass es keine Freude ist. In einer engen Straße kommt uns ein Mercedes entgegen. Der Fahrer ist sichtlich überfordert und bleibt spontan einfach stehen. Die Busfahrerin fährt, soweit es möglich ist, an die parkenden Autos heran und der völlig überforderte Mercedes-Fahrer weiß nicht, wohin er soll. Nach hinten geht nicht also muss er sich irgendwie an dem Bus vorbei quetschen. Die Busfahrerin kommentiert das hämisch, aber leider verstehe ich sie nicht wirklich. Während der Mercedes langsam vorwärts kommt, taucht ein weiteres Fahrzeug auf und hält an. Der Fahrer gestikuliert wild, dass die Busfahrerin doch einfach weiter und an ihm vorbei fahren soll. Vermutlich ist er etwas dumm. Nun fährt er vor, macht irgendwelche abwertenden Handzeichen, lässt die Scheibe runter und fährt neben den Bus. Auch die Busfahrerin öffnet das Fenster, damit die zwei sich mit Worten duellieren können. Was genau sie sich mitzuteilen haben, verstehe ich nicht. Dann fährt der aufgebrachte Mann weiter und auch wir können die Fahrt fortsetzen. Ein weiteres Fahrzeug kommt uns entgegen. Die Fahrerin ist allerdings etwas klüger und bleibt in sicherer Entfernung stehen. Im Fahrzeug hinter ihr ist eine andere Frau weniger klug und will vorbei. Als sie neben dem Fahrzeug ist, erkennt sie, dass ein Bus auf sie zukommt und fährt wieder zurück. Leider sind immer mehr von diesen Bekloppten auf unseren Straßen unterwegs. Unterhaltsam ist das durchaus, kostet aber Zeit, die ich für so etwas nicht habe. Es ist bereits 17.15 Uhr als ich endlich zu Hause ankomme. Busfahren ist wirklich nur in Notfällen akzeptabel.

Weil ich das Coupé komplett ignoriert habe, da ich auf den Straßen eh nicht fahren will und weil ich ein miserabler Autofahrer bin, außer die Straße ist trocken und es geht nur geradeaus, dann bin ich ein guter Autofahrer, warte ich auch heute maskiert auf den Bus, der mich Richtung Arbeitsplatz bringt. Der Bus, in dem ich wenig später Platz nehme, muss neuer sein als die Busse, in denen ich gestern saß, denn es gibt abwaschbare Sitze statt Stoffsitzen. Auch gibt es Lademöglichkeiten für Smartphones oder ähnliches. Wenn der Bus an der nächsten Station hält leuchten viele Lämpchen und während wir über die furchtbaren Straßen hoppeln, klappert es eindeutig weniger als in den anderen Bussen. Zu einem begeisterten Passagier macht mich das alles aber nicht. Besonders die Kälte macht mir nach einer Weile Zu schaffen. Hände und Füße sind furchtbar kalt und die Kälte zieht sich immer weiter durch meinen Körper. Dummerweise gibt es heute auch mehr Leute zu transportieren als gestern, so dass die Türen öfter geöffnet werden müssen. Als ich im Büro ankomme, muss ich mich erstmal auf die Heizung setzen, um wieder auf eine halbwegs akzeptable Temperatur zu kommen. Wäre ich mit meinem Coupé gefahren, hätte ich übrigens nicht gewusst, wo ich es abstellen kann, weil die wenigen Parkplätze, die sonst für mich in Frage kommen, nicht erreichbar sind. Für mich ist das, was hier auf den Straßen abgeht, Versagen auf ganzer Linie. Aber sicher gibt es dafür plausible Erklärungen von Dummköpfen für Dummköpfe.

Im Büro geht zunächst alles seinen gewohnten Gang, dann erfahren wir, dass wir zwei weitere Teilnehmer vom anderen Standort betreuen sollen, erfahren aber nicht, um welche Teilnehmer es sich handelt. Damit haben wir insgesamt 26 Teilnehmer, was problematisch ist, wenn einer von uns Urlaub hat oder krank wird. Aber noch ist das ja nicht der Fall. Als ich am Nachmittag einem der Teilnehmer des anderen Standorts etwas Gutes tun will, um ihm seine Arbeit zu erleichtern werde ich von Anke angepflaumt. Was ich mich erdreiste anzufragen, wenn die Sachen längst entschieden sind. Der Teilnehmer bekommt keinen Laptop geliehen und aus. Als ob ich wüsste, wer was mit wem vereinbart oder angeordnet hat. Ich kann nichts für deren Chaos und deren Arbeitsweise, werde aber in Zukunft nicht mehr nachfragen. Sollten wir tatsächlich ab Mai an dem Standort arbeiten, werde ich entweder komplett abstumpfen oder allen sagen, was ich von deren unkollegialer und chaotischer Arbeitsweise halte. Aber erstmal versuche ich es mit abstumpfen, denn wir wissen alle, was passiert, wenn ich meinen Unmut allen präsentiere. Dann bin ich nämlich in Kürze den Job los. Das kann ich mir nicht leisten. Schnee, Corona, ein zickiges Coupé, Busfahrten und unbrauchbare Arbeitskollegen, diese Woche bietet echt ein buntes Potpourri an negativen Dingen.

Während der Rückfahrt komme ich mir vor wie jemand, der aufgegeben und sich gleichgültig dem Schicksal ergeben hat. Antriebslos. Wie ein Stück Treibholz. Resigniert. Jemand, der nichts mehr erreichen kann, nichts mehr erreichen wird. Ein Spielball des Lebens. Ein alternder Mann, der mit alberner Maske in einem Bus transportiert wird. Dem zeitweise egal ist, was mit ihm geschieht, ein Mann dem sein Leben schon vor vielen Jahren entglitten ist und der es in manchen Situationen ganz deutlich sieht. Und dies ist eine solche Situation, in der ich es so sehe. Ich bin einer von Millionen. Mitgespült vom Fluss des Lebens ohne einzugreifen oder irgendeinen Versuch zu unternehmen an den nächsten Stromschnellen nicht unterzugehen. Wie Scheiße, die im Klo runtergespült wird. Busfahren sollte ich mir nicht mehr antun, weil es für meine Entwicklung echt nicht gut ist und mich durchaus deprimiert.

2 Kommentare

  1. Halten Sie durch Herr Doktor. Irgendwann muss der Albtraum ein Ende haben, sodass wir unser Leben wieder selbst lenken können. Das einzige Wohl dieser Tage ist für mich die zurückgekehrte Sonne. Sie wärmt mir die Hoffnung.

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